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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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in ihren blanken Reiterstiefeln einher; und es flammte der scharlachrothe
Frack im Sonnenschein und die Silberborten an dem hohen Zweimaster
blitzten. Die Bürgermeisterdiener musterten auch ihrerseits natürlich mit sach'
verständigem Auge die Truppen. Die Zeitung sagte hierüber am andern
Tage: "Dem beunruhigenden Gerüchte, es seien die Abnehmer der Parade
diesmal weniger befriedigt gewesen, als das letzte Mal, können wir aus das
Bestimmteste widersprechen; vielmehr erklärte man sich auch diesmal durchaus
zufrieden mit der Haltung des Corps."

Es ist aber merkwürdig; man soll nichts berufen! Gerade, als die
Bürgerwehr an die nächste Herbstübung dachte, wobei sie sich vornahm, in
diesem Jahre sich wieder so musterhaft zu halten, und just, als die Deputirten
der Bürgerschaft, (der Nadler und der Fabrikant von Selterswasser,) sich im
Stillen schon darauf freueten, wie prächtig sie in diesem Jahre wieder bei
der Parade sich ausnehmen wollten, ja, da kam es, am 17. Juni 18S3, wie
ein Schlag zwischen die Kruken mit Selterswasser, -- da kam der Befehl
aus dem hohen Ministerium: "Alle Bürgerwehren des Landes sind hiermit
aufgelöst."

O seltsames Spiel des Zufalls! Gerade hatte die Preußische Polizei
einem Mecklenburgischen in das ministerielle Ohr ein schreckliches Wort ge<
flüstert, das Wort: "Hochverrath!" Man wolle sich nur erinnern, wie der
Minister auf diesen Schreckensruf lebendig wurde; fürs erste ließ er geschwind
eine Handvoll Professoren und Advokaten einsperren; der berühmte "Rostocker
Hochverrathsproceß" ging in Scene.

Just in diesem Unglücksmond kam ein neuer Blitzstrahl; -- das Rescript
an den Magistrat in Rostock: "binnen 14 Tagen an das Ministerium des
Innern zu berichten, daß und in welcher Weise die Auflösung der Bürger¬
garde beschafft sei." Aus jedem großen Buchstaben des Rescripts guckte das
ängstlich lauernde Gesicht des Herrn Ministers. "Und was die von der
Stadt Rostock im Jahre 1848 angekauften Gewehre betrifft", hieß es weiter
im Rescript, "so wird der Magistrat dieselben, da ein derartiges Waffendepot,
wie es bisher bestanden, nach Auflösung der Bürgerwehr nicht ferner geduldet
werden kann, voraussichtlich zu verkaufen beabsichtigen. Für diesen Fall wird
derselbe angewiesen, die Waffen außerhalb Landes zu verkaufen."

Uebrigens, das muß man sagen, der Senat ward in dem Rescript höchst
zuvorkommend und artig darauf hingewiesen, falls es ihm nicht möglich sei.
den Verkauf innerhalb dieser Zeit zu realisiren, so habe er die Gewehre "zur
einstweiligen sichern Aufbewahrung" an das Großherzogliche Zeughaus zu
Schwerin abzuliefern, wo sie etwaigen Kaufliebhabern "zur Ansicht jeder Zeit
zur Disposition" stehen sollten.

Der Rath der guten Stadt Rostock besah das Schreiben des Ministers


in ihren blanken Reiterstiefeln einher; und es flammte der scharlachrothe
Frack im Sonnenschein und die Silberborten an dem hohen Zweimaster
blitzten. Die Bürgermeisterdiener musterten auch ihrerseits natürlich mit sach'
verständigem Auge die Truppen. Die Zeitung sagte hierüber am andern
Tage: „Dem beunruhigenden Gerüchte, es seien die Abnehmer der Parade
diesmal weniger befriedigt gewesen, als das letzte Mal, können wir aus das
Bestimmteste widersprechen; vielmehr erklärte man sich auch diesmal durchaus
zufrieden mit der Haltung des Corps."

Es ist aber merkwürdig; man soll nichts berufen! Gerade, als die
Bürgerwehr an die nächste Herbstübung dachte, wobei sie sich vornahm, in
diesem Jahre sich wieder so musterhaft zu halten, und just, als die Deputirten
der Bürgerschaft, (der Nadler und der Fabrikant von Selterswasser,) sich im
Stillen schon darauf freueten, wie prächtig sie in diesem Jahre wieder bei
der Parade sich ausnehmen wollten, ja, da kam es, am 17. Juni 18S3, wie
ein Schlag zwischen die Kruken mit Selterswasser, — da kam der Befehl
aus dem hohen Ministerium: „Alle Bürgerwehren des Landes sind hiermit
aufgelöst."

O seltsames Spiel des Zufalls! Gerade hatte die Preußische Polizei
einem Mecklenburgischen in das ministerielle Ohr ein schreckliches Wort ge<
flüstert, das Wort: „Hochverrath!" Man wolle sich nur erinnern, wie der
Minister auf diesen Schreckensruf lebendig wurde; fürs erste ließ er geschwind
eine Handvoll Professoren und Advokaten einsperren; der berühmte „Rostocker
Hochverrathsproceß" ging in Scene.

Just in diesem Unglücksmond kam ein neuer Blitzstrahl; — das Rescript
an den Magistrat in Rostock: „binnen 14 Tagen an das Ministerium des
Innern zu berichten, daß und in welcher Weise die Auflösung der Bürger¬
garde beschafft sei." Aus jedem großen Buchstaben des Rescripts guckte das
ängstlich lauernde Gesicht des Herrn Ministers. „Und was die von der
Stadt Rostock im Jahre 1848 angekauften Gewehre betrifft", hieß es weiter
im Rescript, „so wird der Magistrat dieselben, da ein derartiges Waffendepot,
wie es bisher bestanden, nach Auflösung der Bürgerwehr nicht ferner geduldet
werden kann, voraussichtlich zu verkaufen beabsichtigen. Für diesen Fall wird
derselbe angewiesen, die Waffen außerhalb Landes zu verkaufen."

Uebrigens, das muß man sagen, der Senat ward in dem Rescript höchst
zuvorkommend und artig darauf hingewiesen, falls es ihm nicht möglich sei.
den Verkauf innerhalb dieser Zeit zu realisiren, so habe er die Gewehre „zur
einstweiligen sichern Aufbewahrung" an das Großherzogliche Zeughaus zu
Schwerin abzuliefern, wo sie etwaigen Kaufliebhabern „zur Ansicht jeder Zeit
zur Disposition" stehen sollten.

Der Rath der guten Stadt Rostock besah das Schreiben des Ministers


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/152>, abgerufen am 27.07.2024.