Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der neuen Goldmünzen ausgegeben worden, wovon nun etwa 10 Millionen
für den Mehrbedarf des Kriegsschatzes abzuziehen seien. Der Borrath an
baarem Geld war also innerhalb eines Jahres um mehr als 33 Procent
vermehrt worden. Wenn diese Behauptung richtig ist, und wir haben keinen
Grund daran zu zweifeln, so hätten schon damals. Kraft des oben geschil¬
derten Berkehrsgesetzes jene sämmtlichen 200 Millionen, um welche die Um¬
laufsmittel vermehrt worden waren, ins Ausland wandern müssen und jene
gerade in Gestalt der neuen Goldmünzen, weil der Preis des Silbers schon
von 1872 an zu weichen begann, da die Arbitrageure, wie bei allen ähnlichen
Vorgängen, die der Ausführung des Münzgesetzes mit Nothwendigkeit folgende
Abwälzung von wenigstens 300 Millionen Silber schon im Voraus zu es-
eompttren begannen. Anfang 1873 war der Silberprets um 4°/g, Ende
1873 schon um KV-, °/o gesunken und hat sich während des laufenden Jahres
durchschnittlich auf wenigstens 6 <>/g unter dem Stand von 1871 erhalten. Um
einem solchen Abströmen des Goldes, das früher oder später eintreten mußte,
heil ausländische wie inländische Schuldner natürlich möglichst in dem billi-
geren Metalle zu zahlen und das Gold mit Agiogewinn sonst zu verwerthen
suchen, mußte die Reichsregierung für die Goldmünzen, welche sie dem Ver-
kehr übergab, dieselbe Summe an groben Silberstücken einziehen. An War¬
tungen hat es auch im Reichstag nicht gefehlt. Allein die Reichsregierung.
Kelcher doch das wirthschaftliche Gesetz des Umlaufs zweifellos bekannt ist,
bat sich durch zwei außergewöhnliche Umstände täuschen lassen, welche die
Wirkung des Gesetzes eine Zeitlang aufschoben und verdunkelten. Der eine
Kar die Zahlung der Kriegsentschädigung. Da Frankreich das dazu erfor¬
derliche baare Geld unmöglich in der gegebenen Zeit auftreiben konnte, so
Küßte es in Wechseln zahlen. Dadurch stiegen die Devisen auf Deutschland
"uf ungewöhnliche Höhe, so daß z. B. in der Schweiz Anfang 1873 Preußische
^anknoten über Pari standen. Der andere Umstand war die Ueberspcculation,
Kelche bereits 1871 begonnen hatte und mit dem Ausbruch der Krisis von
ihr Ende nahm. Diese Spekulation steigerte in Folge ihrer vermehrten
^wsätze den Bedarf an Cireulationsmitteln beträchtlich. Gleichzeitig wurde
^ aber auch gerade durch die Herausgabe der neuen Goldmünzen, welche den
^Selmäßigen Bedarf an Umlaufsmitteln überschritt, noch ansehnlich gereizt,
^ud in dieser Hinsicht ist der Vorwurf durchaus nicht unbegründet, daß die
^eichsregierung mit Schuld, wenn nicht an der Krisis, so doch an der Er-
schwerung derselben, hatte. Wie. nebenbei bemerkt, unter solchen Umständen
^ Vankgesetzentwurf dazu kommt, die ganze Schuld der mit der Ueberspecu-
^lion verbundenen Steigerung der Preise einzig den Notenbanken in die
Schuhe zu schieben, begreifen wir nicht.

Wir hatten bis zum Gesetz vom 9. Juli 1873 rechtlich die Silberwährung,


Grenzboten IV. 1874. l9

der neuen Goldmünzen ausgegeben worden, wovon nun etwa 10 Millionen
für den Mehrbedarf des Kriegsschatzes abzuziehen seien. Der Borrath an
baarem Geld war also innerhalb eines Jahres um mehr als 33 Procent
vermehrt worden. Wenn diese Behauptung richtig ist, und wir haben keinen
Grund daran zu zweifeln, so hätten schon damals. Kraft des oben geschil¬
derten Berkehrsgesetzes jene sämmtlichen 200 Millionen, um welche die Um¬
laufsmittel vermehrt worden waren, ins Ausland wandern müssen und jene
gerade in Gestalt der neuen Goldmünzen, weil der Preis des Silbers schon
von 1872 an zu weichen begann, da die Arbitrageure, wie bei allen ähnlichen
Vorgängen, die der Ausführung des Münzgesetzes mit Nothwendigkeit folgende
Abwälzung von wenigstens 300 Millionen Silber schon im Voraus zu es-
eompttren begannen. Anfang 1873 war der Silberprets um 4°/g, Ende
1873 schon um KV-, °/o gesunken und hat sich während des laufenden Jahres
durchschnittlich auf wenigstens 6 <>/g unter dem Stand von 1871 erhalten. Um
einem solchen Abströmen des Goldes, das früher oder später eintreten mußte,
heil ausländische wie inländische Schuldner natürlich möglichst in dem billi-
geren Metalle zu zahlen und das Gold mit Agiogewinn sonst zu verwerthen
suchen, mußte die Reichsregierung für die Goldmünzen, welche sie dem Ver-
kehr übergab, dieselbe Summe an groben Silberstücken einziehen. An War¬
tungen hat es auch im Reichstag nicht gefehlt. Allein die Reichsregierung.
Kelcher doch das wirthschaftliche Gesetz des Umlaufs zweifellos bekannt ist,
bat sich durch zwei außergewöhnliche Umstände täuschen lassen, welche die
Wirkung des Gesetzes eine Zeitlang aufschoben und verdunkelten. Der eine
Kar die Zahlung der Kriegsentschädigung. Da Frankreich das dazu erfor¬
derliche baare Geld unmöglich in der gegebenen Zeit auftreiben konnte, so
Küßte es in Wechseln zahlen. Dadurch stiegen die Devisen auf Deutschland
"uf ungewöhnliche Höhe, so daß z. B. in der Schweiz Anfang 1873 Preußische
^anknoten über Pari standen. Der andere Umstand war die Ueberspcculation,
Kelche bereits 1871 begonnen hatte und mit dem Ausbruch der Krisis von
ihr Ende nahm. Diese Spekulation steigerte in Folge ihrer vermehrten
^wsätze den Bedarf an Cireulationsmitteln beträchtlich. Gleichzeitig wurde
^ aber auch gerade durch die Herausgabe der neuen Goldmünzen, welche den
^Selmäßigen Bedarf an Umlaufsmitteln überschritt, noch ansehnlich gereizt,
^ud in dieser Hinsicht ist der Vorwurf durchaus nicht unbegründet, daß die
^eichsregierung mit Schuld, wenn nicht an der Krisis, so doch an der Er-
schwerung derselben, hatte. Wie. nebenbei bemerkt, unter solchen Umständen
^ Vankgesetzentwurf dazu kommt, die ganze Schuld der mit der Ueberspecu-
^lion verbundenen Steigerung der Preise einzig den Notenbanken in die
Schuhe zu schieben, begreifen wir nicht.

Wir hatten bis zum Gesetz vom 9. Juli 1873 rechtlich die Silberwährung,


Grenzboten IV. 1874. l9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0149" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132371"/>
          <p xml:id="ID_489" prev="#ID_488"> der neuen Goldmünzen ausgegeben worden, wovon nun etwa 10 Millionen<lb/>
für den Mehrbedarf des Kriegsschatzes abzuziehen seien.  Der Borrath an<lb/>
baarem Geld war also innerhalb eines Jahres um mehr als 33 Procent<lb/>
vermehrt worden. Wenn diese Behauptung richtig ist, und wir haben keinen<lb/>
Grund daran zu zweifeln, so hätten schon damals. Kraft des oben geschil¬<lb/>
derten Berkehrsgesetzes jene sämmtlichen 200 Millionen, um welche die Um¬<lb/>
laufsmittel vermehrt worden waren, ins Ausland wandern müssen und jene<lb/>
gerade in Gestalt der neuen Goldmünzen, weil der Preis des Silbers schon<lb/>
von 1872 an zu weichen begann, da die Arbitrageure, wie bei allen ähnlichen<lb/>
Vorgängen, die der Ausführung des Münzgesetzes mit Nothwendigkeit folgende<lb/>
Abwälzung von wenigstens 300 Millionen Silber schon im Voraus zu es-<lb/>
eompttren begannen. Anfang 1873 war der Silberprets um 4°/g, Ende<lb/>
1873 schon um KV-, °/o gesunken und hat sich während des laufenden Jahres<lb/>
durchschnittlich auf wenigstens 6 &lt;&gt;/g unter dem Stand von 1871 erhalten. Um<lb/>
einem solchen Abströmen des Goldes, das früher oder später eintreten mußte,<lb/>
heil ausländische wie inländische Schuldner natürlich möglichst in dem billi-<lb/>
geren Metalle zu zahlen und das Gold mit Agiogewinn sonst zu verwerthen<lb/>
suchen, mußte die Reichsregierung für die Goldmünzen, welche sie dem Ver-<lb/>
kehr übergab, dieselbe Summe an groben Silberstücken einziehen. An War¬<lb/>
tungen hat es auch im Reichstag nicht gefehlt.  Allein die Reichsregierung.<lb/>
Kelcher doch das wirthschaftliche Gesetz des Umlaufs zweifellos bekannt ist,<lb/>
bat sich durch zwei außergewöhnliche Umstände täuschen lassen, welche die<lb/>
Wirkung des Gesetzes eine Zeitlang aufschoben und verdunkelten.  Der eine<lb/>
Kar die Zahlung der Kriegsentschädigung.  Da Frankreich das dazu erfor¬<lb/>
derliche baare Geld unmöglich in der gegebenen Zeit auftreiben konnte, so<lb/>
Küßte es in Wechseln zahlen.  Dadurch stiegen die Devisen auf Deutschland<lb/>
"uf ungewöhnliche Höhe, so daß z. B. in der Schweiz Anfang 1873 Preußische<lb/>
^anknoten über Pari standen. Der andere Umstand war die Ueberspcculation,<lb/>
Kelche bereits 1871 begonnen hatte und mit dem Ausbruch der Krisis von<lb/>
ihr Ende nahm. Diese Spekulation steigerte in Folge ihrer vermehrten<lb/>
^wsätze den Bedarf an Cireulationsmitteln beträchtlich.  Gleichzeitig wurde<lb/>
^ aber auch gerade durch die Herausgabe der neuen Goldmünzen, welche den<lb/>
^Selmäßigen Bedarf an Umlaufsmitteln überschritt, noch ansehnlich gereizt,<lb/>
^ud in dieser Hinsicht ist der Vorwurf durchaus nicht unbegründet, daß die<lb/>
^eichsregierung mit Schuld, wenn nicht an der Krisis, so doch an der Er-<lb/>
schwerung derselben, hatte.  Wie. nebenbei bemerkt, unter solchen Umständen<lb/>
^ Vankgesetzentwurf dazu kommt, die ganze Schuld der mit der Ueberspecu-<lb/>
^lion verbundenen Steigerung der Preise einzig den Notenbanken in die<lb/>
Schuhe zu schieben, begreifen wir nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_490" next="#ID_491"> Wir hatten bis zum Gesetz vom 9. Juli 1873 rechtlich die Silberwährung,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1874. l9</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0149] der neuen Goldmünzen ausgegeben worden, wovon nun etwa 10 Millionen für den Mehrbedarf des Kriegsschatzes abzuziehen seien. Der Borrath an baarem Geld war also innerhalb eines Jahres um mehr als 33 Procent vermehrt worden. Wenn diese Behauptung richtig ist, und wir haben keinen Grund daran zu zweifeln, so hätten schon damals. Kraft des oben geschil¬ derten Berkehrsgesetzes jene sämmtlichen 200 Millionen, um welche die Um¬ laufsmittel vermehrt worden waren, ins Ausland wandern müssen und jene gerade in Gestalt der neuen Goldmünzen, weil der Preis des Silbers schon von 1872 an zu weichen begann, da die Arbitrageure, wie bei allen ähnlichen Vorgängen, die der Ausführung des Münzgesetzes mit Nothwendigkeit folgende Abwälzung von wenigstens 300 Millionen Silber schon im Voraus zu es- eompttren begannen. Anfang 1873 war der Silberprets um 4°/g, Ende 1873 schon um KV-, °/o gesunken und hat sich während des laufenden Jahres durchschnittlich auf wenigstens 6 <>/g unter dem Stand von 1871 erhalten. Um einem solchen Abströmen des Goldes, das früher oder später eintreten mußte, heil ausländische wie inländische Schuldner natürlich möglichst in dem billi- geren Metalle zu zahlen und das Gold mit Agiogewinn sonst zu verwerthen suchen, mußte die Reichsregierung für die Goldmünzen, welche sie dem Ver- kehr übergab, dieselbe Summe an groben Silberstücken einziehen. An War¬ tungen hat es auch im Reichstag nicht gefehlt. Allein die Reichsregierung. Kelcher doch das wirthschaftliche Gesetz des Umlaufs zweifellos bekannt ist, bat sich durch zwei außergewöhnliche Umstände täuschen lassen, welche die Wirkung des Gesetzes eine Zeitlang aufschoben und verdunkelten. Der eine Kar die Zahlung der Kriegsentschädigung. Da Frankreich das dazu erfor¬ derliche baare Geld unmöglich in der gegebenen Zeit auftreiben konnte, so Küßte es in Wechseln zahlen. Dadurch stiegen die Devisen auf Deutschland "uf ungewöhnliche Höhe, so daß z. B. in der Schweiz Anfang 1873 Preußische ^anknoten über Pari standen. Der andere Umstand war die Ueberspcculation, Kelche bereits 1871 begonnen hatte und mit dem Ausbruch der Krisis von ihr Ende nahm. Diese Spekulation steigerte in Folge ihrer vermehrten ^wsätze den Bedarf an Cireulationsmitteln beträchtlich. Gleichzeitig wurde ^ aber auch gerade durch die Herausgabe der neuen Goldmünzen, welche den ^Selmäßigen Bedarf an Umlaufsmitteln überschritt, noch ansehnlich gereizt, ^ud in dieser Hinsicht ist der Vorwurf durchaus nicht unbegründet, daß die ^eichsregierung mit Schuld, wenn nicht an der Krisis, so doch an der Er- schwerung derselben, hatte. Wie. nebenbei bemerkt, unter solchen Umständen ^ Vankgesetzentwurf dazu kommt, die ganze Schuld der mit der Ueberspecu- ^lion verbundenen Steigerung der Preise einzig den Notenbanken in die Schuhe zu schieben, begreifen wir nicht. Wir hatten bis zum Gesetz vom 9. Juli 1873 rechtlich die Silberwährung, Grenzboten IV. 1874. l9

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/149
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/149>, abgerufen am 27.07.2024.