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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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"Wer flieht?" fragte Wolfe, wie vom Tode erwachend. -- "Die Franzosen!"
-- "Dann sterbe ich ruhig!" -- und er verschied. -- Die Schlacht war von
großem Erfolge; einige Tage darauf fiel Quebeck und bald ganz Canada in
die Hände der Engländer. Wolfe's Ueberreste wurden nach England gebracht
und in der Westminster-Abtei beigesetzt.

Der Tod Wolfe's auf dem Schlachtfelde ist der Gegenstand eines Ge¬
mäldes des nordamerikanischen Malers Benjamin West (1738--1820),
das diesen zu einem der berühmtesten Künstler seiner Zeit machte. Der geniale
englische Kupferstecher William Woollett (1735--1783) hat es in reinster
und sauberster Grabstichel-Arbeit wiedergegeben, ein Blatt, das jetzt außer¬
ordentlich gesucht ist und in hohem Preise steht. (Photographische Verviel¬
fältigungen desselben sind jedermann zugänglich.)

Beinahe 50 Jahre nach der Schlacht bei Quebeck wurden die Franzosen
auf einem andern Terrain abermals durch die Engländer besiegt; und auch
dieser Sieg, bei dem die glückliche Einschiffung der Engländer, wenn auch in
anderer Weise, eine Rolle spielte, kostete ihrem umsichtigen und tapfern
General das Leben, und sein Tod, insbesondere sein Begräbniß auf dem
Schlachtfelde wurde abermals der Stoff zu einem unsterblichen Kunstwerke,
dieses Mal auf dem Gebiete der Dichtung, und zwar von einem bis dahin
unbekannten Manne aus der nachgeborenen Verwandtschaft des Helden von
Quebeck. Es war am 16. Januar 1809 bei Coruna an der Nord-West¬
küste von Spanien, als der britische Generallieutenant Sir John Moore
(1761 --1809) den französischen Marschall Soult besiegte und so die Ein¬
schiffung der englischen Flotte sicherte. Moore selbst ward tödtlich verwundet
und starb in der folgenden Nacht mit der Gewißheit, daß sein Heer gerettet
sei. Auf dem Walle der Citadelle von Coruna ward er bestattet, und in der
Paulskirche zu London setzte man ihm ein Denkmal von Erz oder Stein.
Aber ein Denkmal anderer Art stiftete ihm der junge irische Gelehrte Charles
Wolfe (1791 -- 1823), in dessen Adern das Blut des Helden von Quebeck
rollte. Eine Schilderung von der Bestattung Moore's begeisterte ihn zu seinem
herrlichen Gedichte ,/IK<z Luiial ot Lir ^olim Noore", und dieses eine Ge¬
dicht sicherte ihm einen unverlierbaren Ehrenplatz in den Annalen der eng"
lischen Literatur und machte in Uebersetzungen seinen Namen allen civilisir-
ten Völkern des Erdkreises bekannt.

Und 61 Jahre später war es wiederum eine siegreiche Schlacht gegen die
Franzosen, die der Deutschen am 18. August 1870 bei Gravelotte, aus der
eine ergreifende Episode einen Dichter zu unsterblichen Strophen begeisterte,
deren pathetischer Tonfall dem an englischen und französischen Mustern ge¬
bildeten Poeten unverkennbar durch Wolfe's "lin; IZurial ok Sir -InKn Ncwre"


„Wer flieht?" fragte Wolfe, wie vom Tode erwachend. — „Die Franzosen!"
— „Dann sterbe ich ruhig!" — und er verschied. — Die Schlacht war von
großem Erfolge; einige Tage darauf fiel Quebeck und bald ganz Canada in
die Hände der Engländer. Wolfe's Ueberreste wurden nach England gebracht
und in der Westminster-Abtei beigesetzt.

Der Tod Wolfe's auf dem Schlachtfelde ist der Gegenstand eines Ge¬
mäldes des nordamerikanischen Malers Benjamin West (1738—1820),
das diesen zu einem der berühmtesten Künstler seiner Zeit machte. Der geniale
englische Kupferstecher William Woollett (1735—1783) hat es in reinster
und sauberster Grabstichel-Arbeit wiedergegeben, ein Blatt, das jetzt außer¬
ordentlich gesucht ist und in hohem Preise steht. (Photographische Verviel¬
fältigungen desselben sind jedermann zugänglich.)

Beinahe 50 Jahre nach der Schlacht bei Quebeck wurden die Franzosen
auf einem andern Terrain abermals durch die Engländer besiegt; und auch
dieser Sieg, bei dem die glückliche Einschiffung der Engländer, wenn auch in
anderer Weise, eine Rolle spielte, kostete ihrem umsichtigen und tapfern
General das Leben, und sein Tod, insbesondere sein Begräbniß auf dem
Schlachtfelde wurde abermals der Stoff zu einem unsterblichen Kunstwerke,
dieses Mal auf dem Gebiete der Dichtung, und zwar von einem bis dahin
unbekannten Manne aus der nachgeborenen Verwandtschaft des Helden von
Quebeck. Es war am 16. Januar 1809 bei Coruna an der Nord-West¬
küste von Spanien, als der britische Generallieutenant Sir John Moore
(1761 —1809) den französischen Marschall Soult besiegte und so die Ein¬
schiffung der englischen Flotte sicherte. Moore selbst ward tödtlich verwundet
und starb in der folgenden Nacht mit der Gewißheit, daß sein Heer gerettet
sei. Auf dem Walle der Citadelle von Coruna ward er bestattet, und in der
Paulskirche zu London setzte man ihm ein Denkmal von Erz oder Stein.
Aber ein Denkmal anderer Art stiftete ihm der junge irische Gelehrte Charles
Wolfe (1791 — 1823), in dessen Adern das Blut des Helden von Quebeck
rollte. Eine Schilderung von der Bestattung Moore's begeisterte ihn zu seinem
herrlichen Gedichte ,/IK<z Luiial ot Lir ^olim Noore", und dieses eine Ge¬
dicht sicherte ihm einen unverlierbaren Ehrenplatz in den Annalen der eng"
lischen Literatur und machte in Uebersetzungen seinen Namen allen civilisir-
ten Völkern des Erdkreises bekannt.

Und 61 Jahre später war es wiederum eine siegreiche Schlacht gegen die
Franzosen, die der Deutschen am 18. August 1870 bei Gravelotte, aus der
eine ergreifende Episode einen Dichter zu unsterblichen Strophen begeisterte,
deren pathetischer Tonfall dem an englischen und französischen Mustern ge¬
bildeten Poeten unverkennbar durch Wolfe's „lin; IZurial ok Sir -InKn Ncwre"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/134>, abgerufen am 28.12.2024.