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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Kohlen darunter liegen und es überall raucht, so schlägt denn doch endlich
die Flamme in einem Wind übers Ganze zusammen. Ich sprach davon mit
dem Herzog und er sagte, eine gute Idee. Die Sachen haben kein Detail,
sondern , jeder Mensch macht sich drinn sein eignes. Manche können's nicht
und die gehen vom Detail aus, die andern vom Ganzen. Wenn man diesem
Gedanken beistimmte, und ihm nachginge, eigentlich was er sagen will, nicht
was er sagt, beherzigte, würde es sehr fruchtbar seyn.1*)

März. Von Tag zu Tag die Geschäfte ordentlich besorgt und hernach
gezeichnet.

Bis den 11. war ich sehr still, alles der Reihe nach besorgt. Gute Stun¬
den mit <Z. Eine sehr schöne Erklärung mit dem Herzog. Abends im Kloster

März 12. Mit Batty im Amt Großrudestedt, seine Anstalten gut
befunden. Seine Handelsweise mit den Leuten unverbesserlich. Wenn wir
nachhalten, so wird's gut, aber freilich Jahre lang immer nachhalten.

März 14. Werden Aepfelkerne bey mir gesät. Ging meinen Geschäf¬
ten nach. War Conseil, aß mit dem Herzog. Fingen an, in den.Jnstruc-
tionen zu lesen. Abends mit demselben im Kloster.

März 16. Mit dem Herzog spazieren. An Egmont geschrieben. Nach
Tiefurt. Mit Knebeln hereingeritten. Diese Tage her hatte ich schöne
Mannigfaltige Gedanken.

März 21. Morgens nach Belvedere zu Fuß. sAn Herzog Bernhards
Leben im Gehen viel gedacht. Was ich guts finde in Ueberlegung. Gedanken,
ja sogar im Ausdruck, kommt mir meist im Gehen. Sitzend bin ich zu nichts
aufgelegt.**^

März 26. Früh zu Fuß nach Tiefurt, ^mannigfaltige Gedanken und
Ueberlegungen^) das Leben ist so geknüpft und die Schicksale so unvermeidlich.
Wundersam ich habe so manches gethan, was ich jetzt nicht möchte gethan
haben und doch wenns nicht geschehen wäre, würde unentbehrliches Gute
U'ehe entstanden sehn. Es ist, als ob ein Genius oft unser ver¬
dunkelte damit wir zu unsrem und andrer Vortheile Fehler machen. War
^ngehüllt den ganzen Tag und konnte denen vielen Sachen, die auf mich
Zucker, weniger widerstehn. Ich muß den Cirkel, der sich in mir umdreht,
d°n guten und bösen Tagen näher bemerken, Leidenschaften, Anhänglichkeit,
Trieb, dies oder jenes zu thun, Erfindung, Ausführung, Ordnung, alles
wechselt und hält immer regelmäßigen Kreis. Heiterkeit, Trübe, Stärke,
Elastizität, Schwäche. Gelassenheit, Begier ebenso. Da ich sehr dial lebe, wird





") Riemer II. 112 -- 113.
") Riemer II. 114, der n"es den kleine" Zusatz Hai: darum das Dictircn weiter treiben.
L. c. II. 114 und 115.

Kohlen darunter liegen und es überall raucht, so schlägt denn doch endlich
die Flamme in einem Wind übers Ganze zusammen. Ich sprach davon mit
dem Herzog und er sagte, eine gute Idee. Die Sachen haben kein Detail,
sondern , jeder Mensch macht sich drinn sein eignes. Manche können's nicht
und die gehen vom Detail aus, die andern vom Ganzen. Wenn man diesem
Gedanken beistimmte, und ihm nachginge, eigentlich was er sagen will, nicht
was er sagt, beherzigte, würde es sehr fruchtbar seyn.1*)

März. Von Tag zu Tag die Geschäfte ordentlich besorgt und hernach
gezeichnet.

Bis den 11. war ich sehr still, alles der Reihe nach besorgt. Gute Stun¬
den mit <Z. Eine sehr schöne Erklärung mit dem Herzog. Abends im Kloster

März 12. Mit Batty im Amt Großrudestedt, seine Anstalten gut
befunden. Seine Handelsweise mit den Leuten unverbesserlich. Wenn wir
nachhalten, so wird's gut, aber freilich Jahre lang immer nachhalten.

März 14. Werden Aepfelkerne bey mir gesät. Ging meinen Geschäf¬
ten nach. War Conseil, aß mit dem Herzog. Fingen an, in den.Jnstruc-
tionen zu lesen. Abends mit demselben im Kloster.

März 16. Mit dem Herzog spazieren. An Egmont geschrieben. Nach
Tiefurt. Mit Knebeln hereingeritten. Diese Tage her hatte ich schöne
Mannigfaltige Gedanken.

März 21. Morgens nach Belvedere zu Fuß. sAn Herzog Bernhards
Leben im Gehen viel gedacht. Was ich guts finde in Ueberlegung. Gedanken,
ja sogar im Ausdruck, kommt mir meist im Gehen. Sitzend bin ich zu nichts
aufgelegt.**^

März 26. Früh zu Fuß nach Tiefurt, ^mannigfaltige Gedanken und
Ueberlegungen^) das Leben ist so geknüpft und die Schicksale so unvermeidlich.
Wundersam ich habe so manches gethan, was ich jetzt nicht möchte gethan
haben und doch wenns nicht geschehen wäre, würde unentbehrliches Gute
U'ehe entstanden sehn. Es ist, als ob ein Genius oft unser ver¬
dunkelte damit wir zu unsrem und andrer Vortheile Fehler machen. War
^ngehüllt den ganzen Tag und konnte denen vielen Sachen, die auf mich
Zucker, weniger widerstehn. Ich muß den Cirkel, der sich in mir umdreht,
d°n guten und bösen Tagen näher bemerken, Leidenschaften, Anhänglichkeit,
Trieb, dies oder jenes zu thun, Erfindung, Ausführung, Ordnung, alles
wechselt und hält immer regelmäßigen Kreis. Heiterkeit, Trübe, Stärke,
Elastizität, Schwäche. Gelassenheit, Begier ebenso. Da ich sehr dial lebe, wird





") Riemer II. 112 — 113.
") Riemer II. 114, der n»es den kleine» Zusatz Hai: darum das Dictircn weiter treiben.
L. c. II. 114 und 115.
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[0127] Kohlen darunter liegen und es überall raucht, so schlägt denn doch endlich die Flamme in einem Wind übers Ganze zusammen. Ich sprach davon mit dem Herzog und er sagte, eine gute Idee. Die Sachen haben kein Detail, sondern , jeder Mensch macht sich drinn sein eignes. Manche können's nicht und die gehen vom Detail aus, die andern vom Ganzen. Wenn man diesem Gedanken beistimmte, und ihm nachginge, eigentlich was er sagen will, nicht was er sagt, beherzigte, würde es sehr fruchtbar seyn.1*) März. Von Tag zu Tag die Geschäfte ordentlich besorgt und hernach gezeichnet. Bis den 11. war ich sehr still, alles der Reihe nach besorgt. Gute Stun¬ den mit <Z. Eine sehr schöne Erklärung mit dem Herzog. Abends im Kloster März 12. Mit Batty im Amt Großrudestedt, seine Anstalten gut befunden. Seine Handelsweise mit den Leuten unverbesserlich. Wenn wir nachhalten, so wird's gut, aber freilich Jahre lang immer nachhalten. März 14. Werden Aepfelkerne bey mir gesät. Ging meinen Geschäf¬ ten nach. War Conseil, aß mit dem Herzog. Fingen an, in den.Jnstruc- tionen zu lesen. Abends mit demselben im Kloster. März 16. Mit dem Herzog spazieren. An Egmont geschrieben. Nach Tiefurt. Mit Knebeln hereingeritten. Diese Tage her hatte ich schöne Mannigfaltige Gedanken. März 21. Morgens nach Belvedere zu Fuß. sAn Herzog Bernhards Leben im Gehen viel gedacht. Was ich guts finde in Ueberlegung. Gedanken, ja sogar im Ausdruck, kommt mir meist im Gehen. Sitzend bin ich zu nichts aufgelegt.**^ März 26. Früh zu Fuß nach Tiefurt, ^mannigfaltige Gedanken und Ueberlegungen^) das Leben ist so geknüpft und die Schicksale so unvermeidlich. Wundersam ich habe so manches gethan, was ich jetzt nicht möchte gethan haben und doch wenns nicht geschehen wäre, würde unentbehrliches Gute U'ehe entstanden sehn. Es ist, als ob ein Genius oft unser ver¬ dunkelte damit wir zu unsrem und andrer Vortheile Fehler machen. War ^ngehüllt den ganzen Tag und konnte denen vielen Sachen, die auf mich Zucker, weniger widerstehn. Ich muß den Cirkel, der sich in mir umdreht, d°n guten und bösen Tagen näher bemerken, Leidenschaften, Anhänglichkeit, Trieb, dies oder jenes zu thun, Erfindung, Ausführung, Ordnung, alles wechselt und hält immer regelmäßigen Kreis. Heiterkeit, Trübe, Stärke, Elastizität, Schwäche. Gelassenheit, Begier ebenso. Da ich sehr dial lebe, wird ") Riemer II. 112 — 113. ") Riemer II. 114, der n»es den kleine» Zusatz Hai: darum das Dictircn weiter treiben. L. c. II. 114 und 115.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/127>, abgerufen am 27.07.2024.