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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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"Courrier", mit dem ultramontanen "Wort" im geheimen Bunde, bald den
Garaus. Wider zwei Gegner wie diese, die in jenen Tagen allmächtig hier
waren, war nicht auszukommen. -- Später wurde ein zweiter Versuch ge¬
macht. Dieselben liberalen Männer und Vaterlandsfreunde gründeten den
"Patriot". Aber auch dieser durfte nicht leben. Er erlag sehr bald den
vereinten Angriffen und Kräften der dunklen Gegner. -- Seitdem ist kein
weiterer Versuch gemacht worden. Wozu auch? Unsere Dunkelmänner waren
und blieben allmächtig, wenn auch nicht immer in der Regierung, so doch in
der Kammer und im Lande. Hier wuchs ihre Macht mit jedem Tage, Dank
den unablässigen Bemühungen unserer Jesuiten und unserer Pastöre, ihrer
Creaturen. -- Daß die Helfershelfer unter den liberalen Masken es an kräf¬
tiger und nachhaltiger Unterstützung nicht fehlen ließen, weiß der Leser der
"Grenzboten" bereits. -- Und so begreift er denn auch, daß unter solchen
Verhältnissen eine wirklich liberale, unabhängige, wahrhaft patriotische Zeitung
hier nicht aufkommen, nicht gedeihen konnte. Die Jesuiten hatten das
Monopol, und so ward es ihnen immer leichter, dasselbe zu behaupten.
Das "Wort", insgeheim von der ganzen Sippe gestützt und gehoben, ward
endlich zum gelesensten Blatt, zur Hauptzeitung des Landes. Das Ziel, das
man hartnäckig Jahre und Jahre hindurch verfolgte, war erreicht. Das
Volk, die großen Massen, wie der höhere Pöbel, der immer mehr zu Kreuze
kroch vor der allmächtigen "Wort"-Partei, gehörten durch die Presse dem
Jesuitismus, und steuerten im ultramontanen Fahrwasser lustig und sorglos
dahin. Und warum auch nicht? Das Verdienst, das bei den Jesuiten belohnt,
und allein belobt wird, ist blinde Unterwürfigkeit und unbedingter Gehorsam.
Nicht Würde, wohl aber Würden, nicht Ehre, nur Ehren, nicht streben, nur
genießen -- das sind die Prinzipien, die hier maßgebend sind, und denen ge¬
huldigt wird. -- Wohin diese Grundsätze ein Volk bringen können, wissen
wir aus bitterer Erfahrung. Zur Versumpfung und Verdumpfung, zum
blanken Kretinismus, wie weiland das "Avenir", das Organ der Ostbahn¬
gesellschaft, (d. h. Frankreichs) uns vordocirte, wobei es freilich verstand, wenn
wir nicht bald an ein anderes, großes, intelligentes Land kämen, worunter
natürlich Frankreich, die "große Nation", zu verstehen war. Daß das
"Avenir" hochliberal war. und dabei journg.1 eatkoliqu" par exceUenss, ver¬
steht sich von selbst. Das gute Blatt kannte nämlich nur ein en Hirten, den
Chef des Ultramontanismus, nur eine Heerde, die katholische Christenheit,
und nur einen Schafstall, Frankreich. Auch wir gehörten zu der Herde des
"Avenir" und sollten in seinen Schafstall hinein. Darauf arbeitete das hoch¬
liberale katholische Blatt aus allen Kräften und mit allen Mitteln, die
Frankreich zu Gebote standen, hin. Wir sollten um jeden Preis heraus aus
unserer Versumpfung und Verdumpfung und unserem heillosen Kretinismus.


„Courrier", mit dem ultramontanen „Wort" im geheimen Bunde, bald den
Garaus. Wider zwei Gegner wie diese, die in jenen Tagen allmächtig hier
waren, war nicht auszukommen. — Später wurde ein zweiter Versuch ge¬
macht. Dieselben liberalen Männer und Vaterlandsfreunde gründeten den
„Patriot". Aber auch dieser durfte nicht leben. Er erlag sehr bald den
vereinten Angriffen und Kräften der dunklen Gegner. — Seitdem ist kein
weiterer Versuch gemacht worden. Wozu auch? Unsere Dunkelmänner waren
und blieben allmächtig, wenn auch nicht immer in der Regierung, so doch in
der Kammer und im Lande. Hier wuchs ihre Macht mit jedem Tage, Dank
den unablässigen Bemühungen unserer Jesuiten und unserer Pastöre, ihrer
Creaturen. — Daß die Helfershelfer unter den liberalen Masken es an kräf¬
tiger und nachhaltiger Unterstützung nicht fehlen ließen, weiß der Leser der
„Grenzboten" bereits. — Und so begreift er denn auch, daß unter solchen
Verhältnissen eine wirklich liberale, unabhängige, wahrhaft patriotische Zeitung
hier nicht aufkommen, nicht gedeihen konnte. Die Jesuiten hatten das
Monopol, und so ward es ihnen immer leichter, dasselbe zu behaupten.
Das „Wort", insgeheim von der ganzen Sippe gestützt und gehoben, ward
endlich zum gelesensten Blatt, zur Hauptzeitung des Landes. Das Ziel, das
man hartnäckig Jahre und Jahre hindurch verfolgte, war erreicht. Das
Volk, die großen Massen, wie der höhere Pöbel, der immer mehr zu Kreuze
kroch vor der allmächtigen „Wort"-Partei, gehörten durch die Presse dem
Jesuitismus, und steuerten im ultramontanen Fahrwasser lustig und sorglos
dahin. Und warum auch nicht? Das Verdienst, das bei den Jesuiten belohnt,
und allein belobt wird, ist blinde Unterwürfigkeit und unbedingter Gehorsam.
Nicht Würde, wohl aber Würden, nicht Ehre, nur Ehren, nicht streben, nur
genießen — das sind die Prinzipien, die hier maßgebend sind, und denen ge¬
huldigt wird. — Wohin diese Grundsätze ein Volk bringen können, wissen
wir aus bitterer Erfahrung. Zur Versumpfung und Verdumpfung, zum
blanken Kretinismus, wie weiland das „Avenir", das Organ der Ostbahn¬
gesellschaft, (d. h. Frankreichs) uns vordocirte, wobei es freilich verstand, wenn
wir nicht bald an ein anderes, großes, intelligentes Land kämen, worunter
natürlich Frankreich, die „große Nation", zu verstehen war. Daß das
„Avenir" hochliberal war. und dabei journg.1 eatkoliqu« par exceUenss, ver¬
steht sich von selbst. Das gute Blatt kannte nämlich nur ein en Hirten, den
Chef des Ultramontanismus, nur eine Heerde, die katholische Christenheit,
und nur einen Schafstall, Frankreich. Auch wir gehörten zu der Herde des
„Avenir" und sollten in seinen Schafstall hinein. Darauf arbeitete das hoch¬
liberale katholische Blatt aus allen Kräften und mit allen Mitteln, die
Frankreich zu Gebote standen, hin. Wir sollten um jeden Preis heraus aus
unserer Versumpfung und Verdumpfung und unserem heillosen Kretinismus.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/87>, abgerufen am 22.07.2024.