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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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ihm sagen, daß sich unsere politischen Strohmänner aus besten Kräften in
die Hände arbeiten, oder besser, ihren Patronen und Brodgebern in die
Hände arbeiten. Sie haben sich einfach in die Rollen der Posse getheilt.
Herr Breisdorf spielt den Grobian und Polterer zum Verwundern; spricht
den Bauern, dem "Stimmvieh", ganz nach dem Munde; liest seinen Collegen,
den Herren Gottlieb und Joris den Text ex oatdeära, ersterem, dem die
liberale Rolle zugetheilt ist, am meisten; hetzt wider den "Preuß"; raisonnirt
auf den "Hund" Bismarck, und bewirft mit seinem Haß die hiesigen
Correspondenten der nationalen deutschen Presse. Was Herr Breisdorf den
Bauern, das ist Herr Joris der Kante voies, unsern Fransquillons. Diesen,
die kein Hochdeutsch verstehen, oder sich doch den Schein geben möchten, als
verstehen sie keins, kaut Herr Joris die ultramontanen Brocken des Herrn
Breisdorf auf Kauderwälsch, er freilich nennt's Französisch. Dann macht
auch Herr Joris die Reclame für unser französisches Theater, und spendet
den fremden französisch sprechenden und singenden Truppen reiches Lob, und
zwar so reich, daß diese sich dadurch schadlos gehalten finden, wenn -- unsere
Theaterdirektion ihre Rechnung nicht bei der Sache findet und Schulden über
Schulden macht, die doch am Ende die Stadt bezahlen muß. So wird hier
für die schönen Künste gewirkt und eingetreten. Herr Gottlieb, der Stroh¬
mann der "Luxemburger Zeitung", ist ein Deutscher vom Wirbel bis zur
Zehe, ein "geborner Preuß", wie wir sagen. Wie Schade, daß ihm hier die
Rolle des Gimpels im Busche geworden, und er nur nachsinge, was ihm
vorgepfiffen wird. Herr Gottlieb ist von den Patronen gedungen, den Leuten
liberalen Humbug vorzumachen, und sich dafür tagtäglich von Herrn Breis"
dorf und Herrn Joris, seinen guten Freunden und Collegen, die Leviten lesen
zu lassen. Früher, als wir noch nicht mit Deutschland liebäugelten, um ihm
insgeheim eine Nase zu drehen, schwatzte die "Luxemburger Zeitung" Fran-
zösisch und hieß ..Courrier". Um dem ..Wort für Wahrheit und Recht" Platz zu
machen im Lande, mußte der gute "Courrier" solch horrende liberalatheistische
Artikel bringen, daß er nothgedrungen von unserm hochwürdigen Herrn Bischof
in den Kirchenbann gethan werden mußte. So ging er ein, der gute "Cour¬
rier", das vielgelesene liberale Blatt! und machte dem "Preußenblatt" der
"Luremburger Zeitung" für Wahrheit und Recht Platz. Das "Wort" ge¬
wann bei dieser Gelegenheit vielleicht einige hundert Abonnenten, und die
Patrone und Leiter hinter der Scene rieben sich schmunzelnd die Hände. --

Es ist früher, nach 1848, mehrmals bei uns der Versuch gemacht worden,
ein wirklich deutsches, wirklich liberales Blatt ins Leben zu rufen. So
gründeten gleich nach 1848 verschiedene hiesige liberale Männer und Vaterlands¬
freunde den "Volksfreund", ein so liberales und unparteiisches Blatt, wie
noch keines bei uns erschienen. Diesem machte der "hochliberale französische


ihm sagen, daß sich unsere politischen Strohmänner aus besten Kräften in
die Hände arbeiten, oder besser, ihren Patronen und Brodgebern in die
Hände arbeiten. Sie haben sich einfach in die Rollen der Posse getheilt.
Herr Breisdorf spielt den Grobian und Polterer zum Verwundern; spricht
den Bauern, dem „Stimmvieh", ganz nach dem Munde; liest seinen Collegen,
den Herren Gottlieb und Joris den Text ex oatdeära, ersterem, dem die
liberale Rolle zugetheilt ist, am meisten; hetzt wider den „Preuß"; raisonnirt
auf den „Hund" Bismarck, und bewirft mit seinem Haß die hiesigen
Correspondenten der nationalen deutschen Presse. Was Herr Breisdorf den
Bauern, das ist Herr Joris der Kante voies, unsern Fransquillons. Diesen,
die kein Hochdeutsch verstehen, oder sich doch den Schein geben möchten, als
verstehen sie keins, kaut Herr Joris die ultramontanen Brocken des Herrn
Breisdorf auf Kauderwälsch, er freilich nennt's Französisch. Dann macht
auch Herr Joris die Reclame für unser französisches Theater, und spendet
den fremden französisch sprechenden und singenden Truppen reiches Lob, und
zwar so reich, daß diese sich dadurch schadlos gehalten finden, wenn — unsere
Theaterdirektion ihre Rechnung nicht bei der Sache findet und Schulden über
Schulden macht, die doch am Ende die Stadt bezahlen muß. So wird hier
für die schönen Künste gewirkt und eingetreten. Herr Gottlieb, der Stroh¬
mann der „Luxemburger Zeitung", ist ein Deutscher vom Wirbel bis zur
Zehe, ein „geborner Preuß", wie wir sagen. Wie Schade, daß ihm hier die
Rolle des Gimpels im Busche geworden, und er nur nachsinge, was ihm
vorgepfiffen wird. Herr Gottlieb ist von den Patronen gedungen, den Leuten
liberalen Humbug vorzumachen, und sich dafür tagtäglich von Herrn Breis«
dorf und Herrn Joris, seinen guten Freunden und Collegen, die Leviten lesen
zu lassen. Früher, als wir noch nicht mit Deutschland liebäugelten, um ihm
insgeheim eine Nase zu drehen, schwatzte die „Luxemburger Zeitung" Fran-
zösisch und hieß ..Courrier". Um dem ..Wort für Wahrheit und Recht" Platz zu
machen im Lande, mußte der gute „Courrier" solch horrende liberalatheistische
Artikel bringen, daß er nothgedrungen von unserm hochwürdigen Herrn Bischof
in den Kirchenbann gethan werden mußte. So ging er ein, der gute „Cour¬
rier", das vielgelesene liberale Blatt! und machte dem „Preußenblatt" der
„Luremburger Zeitung" für Wahrheit und Recht Platz. Das „Wort" ge¬
wann bei dieser Gelegenheit vielleicht einige hundert Abonnenten, und die
Patrone und Leiter hinter der Scene rieben sich schmunzelnd die Hände. —

Es ist früher, nach 1848, mehrmals bei uns der Versuch gemacht worden,
ein wirklich deutsches, wirklich liberales Blatt ins Leben zu rufen. So
gründeten gleich nach 1848 verschiedene hiesige liberale Männer und Vaterlands¬
freunde den „Volksfreund", ein so liberales und unparteiisches Blatt, wie
noch keines bei uns erschienen. Diesem machte der „hochliberale französische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/86>, abgerufen am 22.07.2024.