Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.Hast. Nicht das Sein sondern das Haben ist hier die Losung, nicht die Nicht weit vom Rialto liegt auch die älteste Kirche Venedigs, S. Giacomo, In einer riesigen hoch überwölbten Säulennische, von Adlern getragen, Von den übrigen Kirchen nennen wir San Rocco mit seiner berühmten Hast. Nicht das Sein sondern das Haben ist hier die Losung, nicht die Nicht weit vom Rialto liegt auch die älteste Kirche Venedigs, S. Giacomo, In einer riesigen hoch überwölbten Säulennische, von Adlern getragen, Von den übrigen Kirchen nennen wir San Rocco mit seiner berühmten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288428"/> <p xml:id="ID_238" prev="#ID_237"> Hast. Nicht das Sein sondern das Haben ist hier die Losung, nicht die<lb/> Würde, sondern die Klugheit der alten Venezianer waltet hier. Es ist ja<lb/> bekannt genug, daß die Ideen des großen Geldverkehrs aus Italien ihren<lb/> Ursprung nahmen, wie dieß noch heute die Namen sagen, aber auch hier war<lb/> Venedig allen übrigen voraus. Es hatte die älteste Bank in Europa, die<lb/> bis in die Zeiten Barbarossa's zurückreicht und deren Entwicklung in den<lb/> Gesetzen der Stadt einen wichtigen Faktor bildet; alle Verfügungen, welche<lb/> auf sie Bezug nahmen, wurden von den Stufen des Rialto verkündet. Hier<lb/> war die Börse, hier ward der große Handel über die Schätze des Orients<lb/> gepflogen; hier tauschte Venedig den Reichthum seiner Industrie gegen den<lb/> Reichthum der Natur, ehe England und Holland seines Handels Meister<lb/> wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_239"> Nicht weit vom Rialto liegt auch die älteste Kirche Venedigs, S. Giacomo,<lb/> deren Erbauung in das VI. Jahrhundert fällt, wenn wir einer Inschrift über<lb/> der Thüre Glauben schenken. Fast die sämmtlichen Kirchen Venedigs (und<lb/> man zählt deren 102) sind reich an Schätzen der Kunst, wenn es uns hier<lb/> auch nur vergönnt ist, wenige derselben hervorzuheben. Schon durch den<lb/> weiten herrlichen Raum, der sie umgiebt, und durch ihre mächtigen Di¬<lb/> mensionen wirkt die Kirche äei ?rari bedeutend; ihr Inneres aber birgt das<lb/> stolze Grabmal des Tizian und die imposante Pyramide, unter der Canova<lb/> ruht. Der Orden, dem sie gehört, sind die Frcmziscaner. Den Dominikanern<lb/> war die Kirche S. Giovanni e Paolo (oder wie sie im Volke genannt wird<lb/> Zanipolo) geweiht, auch sie hat wie S. Marco und Frari einen officiellen<lb/> Charakter. Denn der Sieg, den Venedig gegen Cypern gewonnen, wurde<lb/> alljährlich hier gefeiert, für alle Dogen ward hier die Todtenmesse gehalten<lb/> und manche wählten die Kirche selbst zu ihrer letzten Ruhestatt. Wir erinnern<lb/> an Morosini und Mocenigo, an Giustiniani und Coredan, am herrlichsten<lb/> von allen aber prangt das Grabmal des Andrea Vendramin.</p><lb/> <p xml:id="ID_240"> In einer riesigen hoch überwölbten Säulennische, von Adlern getragen,<lb/> erhebt sich der Sarkophag, schlafend ruht hier das steinerne Bild des gewal¬<lb/> tigen Dogen und die Tugenden deren Gestalten ihn umgeben, wie sie im<lb/> Leben ihn umgaben, beschirmen seinen ewigen Frieden.</p><lb/> <p xml:id="ID_241" next="#ID_242"> Von den übrigen Kirchen nennen wir San Rocco mit seiner berühmten<lb/> Schule, auf der Giadecca steht it 6oclMtorö ein Meisterwerk Palludio's und<lb/> derselbe hat auch S. Giorgio Maggiore gebaut. Wo es möglich ist, umgibt<lb/> die Kirchen ein freier Platz, andere aber stehen mitten im engsten Gewinkel<lb/> der Gassen, ja hinter Scalzi dehnt sich sogar der Ghetto aus. Es mögen<lb/> wohl 700 Jahre sein, seit er mit seinen jetzigen Bewohnern bevölkert ward'<lb/> denn früher waren sämmtliche Juden auf die Insel Giudecca verbannt und<lb/> noch zu Zeiten Karl's V- wurden sie genöthigt sich durch ein rothes Abzeichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
Hast. Nicht das Sein sondern das Haben ist hier die Losung, nicht die
Würde, sondern die Klugheit der alten Venezianer waltet hier. Es ist ja
bekannt genug, daß die Ideen des großen Geldverkehrs aus Italien ihren
Ursprung nahmen, wie dieß noch heute die Namen sagen, aber auch hier war
Venedig allen übrigen voraus. Es hatte die älteste Bank in Europa, die
bis in die Zeiten Barbarossa's zurückreicht und deren Entwicklung in den
Gesetzen der Stadt einen wichtigen Faktor bildet; alle Verfügungen, welche
auf sie Bezug nahmen, wurden von den Stufen des Rialto verkündet. Hier
war die Börse, hier ward der große Handel über die Schätze des Orients
gepflogen; hier tauschte Venedig den Reichthum seiner Industrie gegen den
Reichthum der Natur, ehe England und Holland seines Handels Meister
wurden.
Nicht weit vom Rialto liegt auch die älteste Kirche Venedigs, S. Giacomo,
deren Erbauung in das VI. Jahrhundert fällt, wenn wir einer Inschrift über
der Thüre Glauben schenken. Fast die sämmtlichen Kirchen Venedigs (und
man zählt deren 102) sind reich an Schätzen der Kunst, wenn es uns hier
auch nur vergönnt ist, wenige derselben hervorzuheben. Schon durch den
weiten herrlichen Raum, der sie umgiebt, und durch ihre mächtigen Di¬
mensionen wirkt die Kirche äei ?rari bedeutend; ihr Inneres aber birgt das
stolze Grabmal des Tizian und die imposante Pyramide, unter der Canova
ruht. Der Orden, dem sie gehört, sind die Frcmziscaner. Den Dominikanern
war die Kirche S. Giovanni e Paolo (oder wie sie im Volke genannt wird
Zanipolo) geweiht, auch sie hat wie S. Marco und Frari einen officiellen
Charakter. Denn der Sieg, den Venedig gegen Cypern gewonnen, wurde
alljährlich hier gefeiert, für alle Dogen ward hier die Todtenmesse gehalten
und manche wählten die Kirche selbst zu ihrer letzten Ruhestatt. Wir erinnern
an Morosini und Mocenigo, an Giustiniani und Coredan, am herrlichsten
von allen aber prangt das Grabmal des Andrea Vendramin.
In einer riesigen hoch überwölbten Säulennische, von Adlern getragen,
erhebt sich der Sarkophag, schlafend ruht hier das steinerne Bild des gewal¬
tigen Dogen und die Tugenden deren Gestalten ihn umgeben, wie sie im
Leben ihn umgaben, beschirmen seinen ewigen Frieden.
Von den übrigen Kirchen nennen wir San Rocco mit seiner berühmten
Schule, auf der Giadecca steht it 6oclMtorö ein Meisterwerk Palludio's und
derselbe hat auch S. Giorgio Maggiore gebaut. Wo es möglich ist, umgibt
die Kirchen ein freier Platz, andere aber stehen mitten im engsten Gewinkel
der Gassen, ja hinter Scalzi dehnt sich sogar der Ghetto aus. Es mögen
wohl 700 Jahre sein, seit er mit seinen jetzigen Bewohnern bevölkert ward'
denn früher waren sämmtliche Juden auf die Insel Giudecca verbannt und
noch zu Zeiten Karl's V- wurden sie genöthigt sich durch ein rothes Abzeichen
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