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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Frist von festen Plätzen Lila (Liste am Doubs), Mundi (Monbay), Grangij
(Granges), Blomont (Blamont). eine der stärksten Festungen, ferner Gramont,
Valard, Clerival u. a. in., im Ganzen 12 Schlösser und 3 Städte genommen.
Hierbei bewährte sich vorzüglich die bundesgenössische Artillerie, deren schwerste
Stücke der "Strauß" aus Straßburg, das "Kätterlein von Ensisheim", die
"Metze" der Berner und die "Reimerin", die schwere Tarraßbüchse der Basler
waren. -- Nach dieser Seite war der Bund gesichert. Von Süden her aber
drohte eine andere Gefahr. Herzog Karl hatte schon im Winter mit Galeazzo
von Mailand ein Schutz- und Trutzbündniß geschlossen. Daher die vielen
"Lamparter", die durch Savoyer Gebiet nach Burgund zogen. In Savoyen
gebot eine Schwester Ludwig's XI., die Herzogin Jolante, ihrem Bruder in
Ränken ähnlich. Ihr Schwager Jakob von Romont war Herr in der Waal
und burgundischer Statthalter; dessen Bruder Johann Ludwig Bischof von
Genf. Die beiden Romonts waren den Eidgenossen feindlich gesinnt, weshalb
diese sich durch ein (7. Sept. abgeschlossenes) Bündniß mit dem Bischof
zu Sitten, Walther auf der Fiuh, und den oberwalliser Gemeinden zu decken
suchten. Jakob von Romont schürte in der Waal gegen die Eidgenossen; da
schickten die Berner und Freiburger am 14. Oetober den Romonts die Ab¬
sage, nahmen an demselben Tage das wichtige Murren am gleichnamigen
See und außerdem im weiteren Verlauf des Feldzuges noch 16 Städte und
43 Schlösser in der Waal. Veit Weber verherrlicht die Thaten besonders der
Freiburger in einem vielleicht im Auftrage dieser Stadt gedichteten, schönen
Liede.

So war denn der große Bund im oberen Deutschland in allen vor¬
bereitenden Ereignissen durchweg glücklich gewesen. Speziell die Eidgenossen¬
schaft, das thätigste und militärisch bedeutendste Glied der Vereinigung,
hatte ihre Grenzen nach allen bedrohten Seiten hin auf das beste gesichert.
Aber der Hauptschlag stand noch bevor, und am großen politischen Horizont
zogen sich die Wolken immer drohender zusammen. Am 13. September schloß
Ludwig, der für den Dauphin auf die Hand der burgundischen Erbtochter
speculirte, zu Soleuvre mit dem Herzog einseitig Frieden. Der Kaiser, die
nationale Sache schmählich im Stich lassend, ging am 17. November mit den
Burgunden ein neues Bündniß ein, sogar mit dem Versprechen gegenseitiger
Hülfeleistung. Der obere Bund war völlig isolirt, während Karl zum Rache¬
kriege freie Hand und werthvolle Bündnisse gewonnen hatte. So rückte das
Jahr 1476 unter den bedrohlichsten Vorzeichen heran. --

Karl hatte sich zunächst gegen den Herzog Rene' von Lothringen ge¬
wandt, der zur oberen Vereinigung gehörte. In kurzer Zeit eroberte er das
ganze Land sammt der Hauptstadt Nanzig, wo er im November 1475 glän¬
zendes Hoflager hielt. Anfang Februar 1476 erschien er mit seiner Haupt-


Grenzboten til. 1874. 64

Frist von festen Plätzen Lila (Liste am Doubs), Mundi (Monbay), Grangij
(Granges), Blomont (Blamont). eine der stärksten Festungen, ferner Gramont,
Valard, Clerival u. a. in., im Ganzen 12 Schlösser und 3 Städte genommen.
Hierbei bewährte sich vorzüglich die bundesgenössische Artillerie, deren schwerste
Stücke der „Strauß" aus Straßburg, das „Kätterlein von Ensisheim", die
„Metze" der Berner und die „Reimerin", die schwere Tarraßbüchse der Basler
waren. — Nach dieser Seite war der Bund gesichert. Von Süden her aber
drohte eine andere Gefahr. Herzog Karl hatte schon im Winter mit Galeazzo
von Mailand ein Schutz- und Trutzbündniß geschlossen. Daher die vielen
„Lamparter", die durch Savoyer Gebiet nach Burgund zogen. In Savoyen
gebot eine Schwester Ludwig's XI., die Herzogin Jolante, ihrem Bruder in
Ränken ähnlich. Ihr Schwager Jakob von Romont war Herr in der Waal
und burgundischer Statthalter; dessen Bruder Johann Ludwig Bischof von
Genf. Die beiden Romonts waren den Eidgenossen feindlich gesinnt, weshalb
diese sich durch ein (7. Sept. abgeschlossenes) Bündniß mit dem Bischof
zu Sitten, Walther auf der Fiuh, und den oberwalliser Gemeinden zu decken
suchten. Jakob von Romont schürte in der Waal gegen die Eidgenossen; da
schickten die Berner und Freiburger am 14. Oetober den Romonts die Ab¬
sage, nahmen an demselben Tage das wichtige Murren am gleichnamigen
See und außerdem im weiteren Verlauf des Feldzuges noch 16 Städte und
43 Schlösser in der Waal. Veit Weber verherrlicht die Thaten besonders der
Freiburger in einem vielleicht im Auftrage dieser Stadt gedichteten, schönen
Liede.

So war denn der große Bund im oberen Deutschland in allen vor¬
bereitenden Ereignissen durchweg glücklich gewesen. Speziell die Eidgenossen¬
schaft, das thätigste und militärisch bedeutendste Glied der Vereinigung,
hatte ihre Grenzen nach allen bedrohten Seiten hin auf das beste gesichert.
Aber der Hauptschlag stand noch bevor, und am großen politischen Horizont
zogen sich die Wolken immer drohender zusammen. Am 13. September schloß
Ludwig, der für den Dauphin auf die Hand der burgundischen Erbtochter
speculirte, zu Soleuvre mit dem Herzog einseitig Frieden. Der Kaiser, die
nationale Sache schmählich im Stich lassend, ging am 17. November mit den
Burgunden ein neues Bündniß ein, sogar mit dem Versprechen gegenseitiger
Hülfeleistung. Der obere Bund war völlig isolirt, während Karl zum Rache¬
kriege freie Hand und werthvolle Bündnisse gewonnen hatte. So rückte das
Jahr 1476 unter den bedrohlichsten Vorzeichen heran. —

Karl hatte sich zunächst gegen den Herzog Rene' von Lothringen ge¬
wandt, der zur oberen Vereinigung gehörte. In kurzer Zeit eroberte er das
ganze Land sammt der Hauptstadt Nanzig, wo er im November 1475 glän¬
zendes Hoflager hielt. Anfang Februar 1476 erschien er mit seiner Haupt-


Grenzboten til. 1874. 64
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[0513] Frist von festen Plätzen Lila (Liste am Doubs), Mundi (Monbay), Grangij (Granges), Blomont (Blamont). eine der stärksten Festungen, ferner Gramont, Valard, Clerival u. a. in., im Ganzen 12 Schlösser und 3 Städte genommen. Hierbei bewährte sich vorzüglich die bundesgenössische Artillerie, deren schwerste Stücke der „Strauß" aus Straßburg, das „Kätterlein von Ensisheim", die „Metze" der Berner und die „Reimerin", die schwere Tarraßbüchse der Basler waren. — Nach dieser Seite war der Bund gesichert. Von Süden her aber drohte eine andere Gefahr. Herzog Karl hatte schon im Winter mit Galeazzo von Mailand ein Schutz- und Trutzbündniß geschlossen. Daher die vielen „Lamparter", die durch Savoyer Gebiet nach Burgund zogen. In Savoyen gebot eine Schwester Ludwig's XI., die Herzogin Jolante, ihrem Bruder in Ränken ähnlich. Ihr Schwager Jakob von Romont war Herr in der Waal und burgundischer Statthalter; dessen Bruder Johann Ludwig Bischof von Genf. Die beiden Romonts waren den Eidgenossen feindlich gesinnt, weshalb diese sich durch ein (7. Sept. abgeschlossenes) Bündniß mit dem Bischof zu Sitten, Walther auf der Fiuh, und den oberwalliser Gemeinden zu decken suchten. Jakob von Romont schürte in der Waal gegen die Eidgenossen; da schickten die Berner und Freiburger am 14. Oetober den Romonts die Ab¬ sage, nahmen an demselben Tage das wichtige Murren am gleichnamigen See und außerdem im weiteren Verlauf des Feldzuges noch 16 Städte und 43 Schlösser in der Waal. Veit Weber verherrlicht die Thaten besonders der Freiburger in einem vielleicht im Auftrage dieser Stadt gedichteten, schönen Liede. So war denn der große Bund im oberen Deutschland in allen vor¬ bereitenden Ereignissen durchweg glücklich gewesen. Speziell die Eidgenossen¬ schaft, das thätigste und militärisch bedeutendste Glied der Vereinigung, hatte ihre Grenzen nach allen bedrohten Seiten hin auf das beste gesichert. Aber der Hauptschlag stand noch bevor, und am großen politischen Horizont zogen sich die Wolken immer drohender zusammen. Am 13. September schloß Ludwig, der für den Dauphin auf die Hand der burgundischen Erbtochter speculirte, zu Soleuvre mit dem Herzog einseitig Frieden. Der Kaiser, die nationale Sache schmählich im Stich lassend, ging am 17. November mit den Burgunden ein neues Bündniß ein, sogar mit dem Versprechen gegenseitiger Hülfeleistung. Der obere Bund war völlig isolirt, während Karl zum Rache¬ kriege freie Hand und werthvolle Bündnisse gewonnen hatte. So rückte das Jahr 1476 unter den bedrohlichsten Vorzeichen heran. — Karl hatte sich zunächst gegen den Herzog Rene' von Lothringen ge¬ wandt, der zur oberen Vereinigung gehörte. In kurzer Zeit eroberte er das ganze Land sammt der Hauptstadt Nanzig, wo er im November 1475 glän¬ zendes Hoflager hielt. Anfang Februar 1476 erschien er mit seiner Haupt- Grenzboten til. 1874. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/513>, abgerufen am 22.07.2024.