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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Justitiar über das Rittergut D. gewesen war. -- von der hohen Gro߬
herzoglichen Justiz-Canzlei mit einem Commifsorium betrauet. Derselbe ward
aufgefordert, sich von dem bisherigen Justitiar des Patrimonialgerichts zu
D. die meine Angelegenheit betreffenden Acten aushändigen zu lassen und
fördersamst mit Uebernahme dieses Commissorii die weiter nöthigen Schritte
zu thun. Es durfte also nunmehr der Herr Justitiar X. in Dingskirchen
das betreffende Bündel Acten in die Hände nehmen, sich vor den Spiegel
stellen und unter einer schicklichen Verbeugung an sich die folgende Anrede
halten: "Mein lieber Herr Stadtrichter! Ich habe hiermit die Ehre, in
Folge des Commissorii hoher Großherzoglicher Justizkanzlei und in ergebenster
Erwiderung auf Ihr an mich gerichtetes Anschreiben, Ihnen die in Sachen
so und so erwachsenen Acten in Numeris 1--50 dienstergebenst zu überreichen."
auf welche Anrede dann der Herr Stadtrichter X. die Acten von dem Herrn
Justitiar X. wiederum mit einer schicklichen Verbeugung entgegennimmt und
nun über die Sache sich instruirt. die er zwar als Justitiar bisher geleitet,
von welcher er aber als Stadtrichter bis zur Stunde noch keine Ahnung
gehabt hat.

Jetzt kommt Feuer in die Sache! Mein Exeeutionsantrag ist inzwischen
von mir von Neuem eingesendet; diesmal habe ich ihn nicht als unbestellbar
zurückerhalten. Es ergeht auf das Schleunigste von Seiten des Stadtrichters
X. eine Decretur auf meinen Exeeutionsantrag. Die drohenden Gewitter¬
wolken, welche meine Ernte zu vernichten drohten, haben sich verzogen;
heiterer Sonnenschein spielt über den Acten, denn auf den Auctionserlös, den
der Pächter des Gutes D. aus dem verkauften Inventarium gewonnen, ist
gerichtlicher Arrest wegen der Forderung meines Auftraggebers ausgebracht.
Es liegt also kein Hinderniß mehr im Wege, soweit das Auge reicht; ich
werde die Früchte meiner Ernte sicher unter Dach und Fach bringen. Und
ich habe diese Früchte glücklich gewonnen. Auch ist dieser Gewinn nicht
verkümmert worden dadurch, daß ich inzwischen von der Großherzoglichen
Justiz-Canzlei in Abschrift die Anzeige mitgetheilt erhielt, welche der neue
Justitiar über das Rittergut D. an diese Behörde eingesendet hatte. Dieser
neue Justitiar war nämlich eben der alte Justitiar, Stadtrtchter und Bürger¬
meister X. von Dingskirchen. Derselbe machte der Justiz-Canzlei nämlich die
ehrerbietigst gehorsamste Mittheilung, daß er mit dem Gutsbesitzer S. auf
D. sich verständigt und daß er darnach das Justitiariat am Patrimonial-
gericht über das Rittergut D. wieder übernommen habe. Hierauf erging von
hoher Großherzoglicher Justiz-Canzlei das Mandat an den Stadtrichter X. zu
Dingskirchen, nunmehr, nachdem der Justitiar des Patrimonialgerichts über
D. die betreffende Anzeige gemacht habe, an denselben zur Fortführung der
Sache die Acten zu retradiren.


Justitiar über das Rittergut D. gewesen war. — von der hohen Gro߬
herzoglichen Justiz-Canzlei mit einem Commifsorium betrauet. Derselbe ward
aufgefordert, sich von dem bisherigen Justitiar des Patrimonialgerichts zu
D. die meine Angelegenheit betreffenden Acten aushändigen zu lassen und
fördersamst mit Uebernahme dieses Commissorii die weiter nöthigen Schritte
zu thun. Es durfte also nunmehr der Herr Justitiar X. in Dingskirchen
das betreffende Bündel Acten in die Hände nehmen, sich vor den Spiegel
stellen und unter einer schicklichen Verbeugung an sich die folgende Anrede
halten: „Mein lieber Herr Stadtrichter! Ich habe hiermit die Ehre, in
Folge des Commissorii hoher Großherzoglicher Justizkanzlei und in ergebenster
Erwiderung auf Ihr an mich gerichtetes Anschreiben, Ihnen die in Sachen
so und so erwachsenen Acten in Numeris 1—50 dienstergebenst zu überreichen."
auf welche Anrede dann der Herr Stadtrichter X. die Acten von dem Herrn
Justitiar X. wiederum mit einer schicklichen Verbeugung entgegennimmt und
nun über die Sache sich instruirt. die er zwar als Justitiar bisher geleitet,
von welcher er aber als Stadtrichter bis zur Stunde noch keine Ahnung
gehabt hat.

Jetzt kommt Feuer in die Sache! Mein Exeeutionsantrag ist inzwischen
von mir von Neuem eingesendet; diesmal habe ich ihn nicht als unbestellbar
zurückerhalten. Es ergeht auf das Schleunigste von Seiten des Stadtrichters
X. eine Decretur auf meinen Exeeutionsantrag. Die drohenden Gewitter¬
wolken, welche meine Ernte zu vernichten drohten, haben sich verzogen;
heiterer Sonnenschein spielt über den Acten, denn auf den Auctionserlös, den
der Pächter des Gutes D. aus dem verkauften Inventarium gewonnen, ist
gerichtlicher Arrest wegen der Forderung meines Auftraggebers ausgebracht.
Es liegt also kein Hinderniß mehr im Wege, soweit das Auge reicht; ich
werde die Früchte meiner Ernte sicher unter Dach und Fach bringen. Und
ich habe diese Früchte glücklich gewonnen. Auch ist dieser Gewinn nicht
verkümmert worden dadurch, daß ich inzwischen von der Großherzoglichen
Justiz-Canzlei in Abschrift die Anzeige mitgetheilt erhielt, welche der neue
Justitiar über das Rittergut D. an diese Behörde eingesendet hatte. Dieser
neue Justitiar war nämlich eben der alte Justitiar, Stadtrtchter und Bürger¬
meister X. von Dingskirchen. Derselbe machte der Justiz-Canzlei nämlich die
ehrerbietigst gehorsamste Mittheilung, daß er mit dem Gutsbesitzer S. auf
D. sich verständigt und daß er darnach das Justitiariat am Patrimonial-
gericht über das Rittergut D. wieder übernommen habe. Hierauf erging von
hoher Großherzoglicher Justiz-Canzlei das Mandat an den Stadtrichter X. zu
Dingskirchen, nunmehr, nachdem der Justitiar des Patrimonialgerichts über
D. die betreffende Anzeige gemacht habe, an denselben zur Fortführung der
Sache die Acten zu retradiren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/482>, abgerufen am 22.07.2024.