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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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der revolutionären Zusammenrottungen starke Kavallerie- und Infanterie-
Abtheilungen, ohne ihren Führern einzuschärfen, dabei jede Verletzung des
Gesandtschafts-Hotels oder seiner Bewohner sorglichst zu meiden. So kam
es, daß jenes -- der Palast Corsini -- von den päpstlichen Truppen, um
die dorthin geflüchteten Insurgenten zu fangen, nicht nur förmlich blokirt
wurde, sondern daß auch ein Kavallerie-Piquet, ohne Joseph Bonaparte's
Erlaubniß, in den Hof desselben eindrang und unter die Aufrührer feuerte.
Der hierüber empörte heißblutige General Duphot stürzte in Begleitung
einiger französischer Offiziere und des Gesandten selbst die Treppe hinab und
stellte sich mit gezogenem Degen an die Spitze von etwa 150 römischen De¬
mokraten , von welchen aber nur einige mit Pistolen und Stilets versehen
waren, diesmal jedoch in keiner anderen Absicht*), als um weiterem Zusammen¬
stoße zwischen letzteren und dem gut bewaffneten päpstlichen Militär und fernerer
Verletzung des Völkerrechts vorzubeugen. Aber die päpstliche Infanterie er¬
öffnete ein Pelotonfeuer auf die Nahenden; Duphot, tödtlich getroffen, ver¬
schied nach einigen Stunden; Joseph Bonaparte selbst rettete sich nur mit
Mühe durch ein anstoßendes Gäßchen in seine Wohnung und verließ, als
von Seiten des römischen Hofes Niemand behufs der nöthigen Satisfaction
erschien, am nächsten Morgen (29. December) mit seinem Gefolge die ewige
Stadt, sich nach Florenz begebend.

Gierig benutzten die französischen Machthaber den willkommenen Vor¬
wand zum Sturze eines Gouvernements, welches innerhalb einiger Jahre
zwei Mal solch flagranter Verletzung des Völkerrechts sich schuldig gemacht,
welchem sie längst den Untergang geschworen. General Berthier wurde sofort
mit 18,000 Mann und der charakteristischen Instruktion nach Rom gesendet,
sich dieser Stadt so geheim und so schnell wie möglich zu bemächtigen, um
zu verhüten, daß Neapels König, den er durch Versicherungen wahrscheinlicher
Großmuth seiner Regierung Hinhalten solle, dem Papste zu Hülfe komme.
Letzterem und seinen Ministern solle Berthier, sobald er nur noch zwei Tage¬
marsche von Rom entfernt sei, solchen Schrecken einjagen, daß sie die Flucht
ergriffen, und sogleich nach seiner Ankunft in Rom dort .eine römische
Republik etabliren. Ohne Schwertschlag und unter dumpfer Betäubung
des Volkes zogen die Franzosen (10. Februar 1798) in Rom ein. Obwohl
ihr Befehlshaber dem heiligen Vater Sicherheit der Person und seiner
Herrschaft versprach, unterließ er doch nichts, um dieser bald ein Ende zu
machen, nur wollte er, nach den Weisungen des Direktoriums, einen von



*) Nach der Versicherung Eugen Beauharnais', des sehr glaubwürdigen Theilnehmers
dieses Auftritts tNsmoir, se oorr. I, 37), mit dessen Bericht der amtliche Joseph Bonaparte's
an Talleyrnnd und der Botta's im Wesentlichen übereinstimmen.

der revolutionären Zusammenrottungen starke Kavallerie- und Infanterie-
Abtheilungen, ohne ihren Führern einzuschärfen, dabei jede Verletzung des
Gesandtschafts-Hotels oder seiner Bewohner sorglichst zu meiden. So kam
es, daß jenes — der Palast Corsini — von den päpstlichen Truppen, um
die dorthin geflüchteten Insurgenten zu fangen, nicht nur förmlich blokirt
wurde, sondern daß auch ein Kavallerie-Piquet, ohne Joseph Bonaparte's
Erlaubniß, in den Hof desselben eindrang und unter die Aufrührer feuerte.
Der hierüber empörte heißblutige General Duphot stürzte in Begleitung
einiger französischer Offiziere und des Gesandten selbst die Treppe hinab und
stellte sich mit gezogenem Degen an die Spitze von etwa 150 römischen De¬
mokraten , von welchen aber nur einige mit Pistolen und Stilets versehen
waren, diesmal jedoch in keiner anderen Absicht*), als um weiterem Zusammen¬
stoße zwischen letzteren und dem gut bewaffneten päpstlichen Militär und fernerer
Verletzung des Völkerrechts vorzubeugen. Aber die päpstliche Infanterie er¬
öffnete ein Pelotonfeuer auf die Nahenden; Duphot, tödtlich getroffen, ver¬
schied nach einigen Stunden; Joseph Bonaparte selbst rettete sich nur mit
Mühe durch ein anstoßendes Gäßchen in seine Wohnung und verließ, als
von Seiten des römischen Hofes Niemand behufs der nöthigen Satisfaction
erschien, am nächsten Morgen (29. December) mit seinem Gefolge die ewige
Stadt, sich nach Florenz begebend.

Gierig benutzten die französischen Machthaber den willkommenen Vor¬
wand zum Sturze eines Gouvernements, welches innerhalb einiger Jahre
zwei Mal solch flagranter Verletzung des Völkerrechts sich schuldig gemacht,
welchem sie längst den Untergang geschworen. General Berthier wurde sofort
mit 18,000 Mann und der charakteristischen Instruktion nach Rom gesendet,
sich dieser Stadt so geheim und so schnell wie möglich zu bemächtigen, um
zu verhüten, daß Neapels König, den er durch Versicherungen wahrscheinlicher
Großmuth seiner Regierung Hinhalten solle, dem Papste zu Hülfe komme.
Letzterem und seinen Ministern solle Berthier, sobald er nur noch zwei Tage¬
marsche von Rom entfernt sei, solchen Schrecken einjagen, daß sie die Flucht
ergriffen, und sogleich nach seiner Ankunft in Rom dort .eine römische
Republik etabliren. Ohne Schwertschlag und unter dumpfer Betäubung
des Volkes zogen die Franzosen (10. Februar 1798) in Rom ein. Obwohl
ihr Befehlshaber dem heiligen Vater Sicherheit der Person und seiner
Herrschaft versprach, unterließ er doch nichts, um dieser bald ein Ende zu
machen, nur wollte er, nach den Weisungen des Direktoriums, einen von



*) Nach der Versicherung Eugen Beauharnais', des sehr glaubwürdigen Theilnehmers
dieses Auftritts tNsmoir, se oorr. I, 37), mit dessen Bericht der amtliche Joseph Bonaparte's
an Talleyrnnd und der Botta's im Wesentlichen übereinstimmen.
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[0429] der revolutionären Zusammenrottungen starke Kavallerie- und Infanterie- Abtheilungen, ohne ihren Führern einzuschärfen, dabei jede Verletzung des Gesandtschafts-Hotels oder seiner Bewohner sorglichst zu meiden. So kam es, daß jenes — der Palast Corsini — von den päpstlichen Truppen, um die dorthin geflüchteten Insurgenten zu fangen, nicht nur förmlich blokirt wurde, sondern daß auch ein Kavallerie-Piquet, ohne Joseph Bonaparte's Erlaubniß, in den Hof desselben eindrang und unter die Aufrührer feuerte. Der hierüber empörte heißblutige General Duphot stürzte in Begleitung einiger französischer Offiziere und des Gesandten selbst die Treppe hinab und stellte sich mit gezogenem Degen an die Spitze von etwa 150 römischen De¬ mokraten , von welchen aber nur einige mit Pistolen und Stilets versehen waren, diesmal jedoch in keiner anderen Absicht*), als um weiterem Zusammen¬ stoße zwischen letzteren und dem gut bewaffneten päpstlichen Militär und fernerer Verletzung des Völkerrechts vorzubeugen. Aber die päpstliche Infanterie er¬ öffnete ein Pelotonfeuer auf die Nahenden; Duphot, tödtlich getroffen, ver¬ schied nach einigen Stunden; Joseph Bonaparte selbst rettete sich nur mit Mühe durch ein anstoßendes Gäßchen in seine Wohnung und verließ, als von Seiten des römischen Hofes Niemand behufs der nöthigen Satisfaction erschien, am nächsten Morgen (29. December) mit seinem Gefolge die ewige Stadt, sich nach Florenz begebend. Gierig benutzten die französischen Machthaber den willkommenen Vor¬ wand zum Sturze eines Gouvernements, welches innerhalb einiger Jahre zwei Mal solch flagranter Verletzung des Völkerrechts sich schuldig gemacht, welchem sie längst den Untergang geschworen. General Berthier wurde sofort mit 18,000 Mann und der charakteristischen Instruktion nach Rom gesendet, sich dieser Stadt so geheim und so schnell wie möglich zu bemächtigen, um zu verhüten, daß Neapels König, den er durch Versicherungen wahrscheinlicher Großmuth seiner Regierung Hinhalten solle, dem Papste zu Hülfe komme. Letzterem und seinen Ministern solle Berthier, sobald er nur noch zwei Tage¬ marsche von Rom entfernt sei, solchen Schrecken einjagen, daß sie die Flucht ergriffen, und sogleich nach seiner Ankunft in Rom dort .eine römische Republik etabliren. Ohne Schwertschlag und unter dumpfer Betäubung des Volkes zogen die Franzosen (10. Februar 1798) in Rom ein. Obwohl ihr Befehlshaber dem heiligen Vater Sicherheit der Person und seiner Herrschaft versprach, unterließ er doch nichts, um dieser bald ein Ende zu machen, nur wollte er, nach den Weisungen des Direktoriums, einen von *) Nach der Versicherung Eugen Beauharnais', des sehr glaubwürdigen Theilnehmers dieses Auftritts tNsmoir, se oorr. I, 37), mit dessen Bericht der amtliche Joseph Bonaparte's an Talleyrnnd und der Botta's im Wesentlichen übereinstimmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/429>, abgerufen am 22.07.2024.