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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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wärts angetroffen wurden, strömten dort, wie in einem gemeinsamen Focus
zusammen. Zu seinem Unglücke beging der Papst die Thorheit, von der
überaus antigallischen Mehrheit des heiligen Kollegiums zu einem argen
Mißgriffe sich verleiten zu lassen.*) Zu dem nämlich, den tüchtigen öster¬
reichischen General Provera, der bereits drei Mal Kriegsgefangener der Fran¬
zosen gewesen, zum Oberbefehlshaber seiner Truppen (September 1797) zu
ernennen und durch diesen Beweis feindlicher Absichten auch nach dem Friedens¬
schlüsse den pariser Machthabern den erwünschtesten Vorwand zu leihen, auch
ihrer Seits sich an denselben nicht länger zu kehren und besonders Napoleon's
Zorn zu reizen. Dieser befahl (14. December 1797) seinem Bruder Joseph,
dem Papste anzuzeigen, daß 3000 Mann neuer Truppen nach Ancona geschickt
worden seien, daß ihm der Krieg erklärt werden würde, wenn er binnen
24 Stunden nach Zustellung dieser Note Provera nicht entlasse; sollte aber
einer von den verhafteten Revolutionären hingerichtet werden, so werde er
sofort an den Cardinälen Repressalien nehmen. "Endlich benachrichtige ihn,
daß in dem Augenblicke Deiner Abreise aus Rom Ancona mit der cisalpini-
schen Republik vereinigt wird. Du wirst einsehen, daß die letzte Phrase nur
gesprochen, nicht geschrieben werden darf".**)

An der Spitze der römischen' Revolutionärs standen der berühmte Bild¬
hauer Ceracchi, derselbe, der nachmals (Oktober 1800) an einer Verschwörung
gegen Napoleon sich betheiligte und zu Paris auf dem Schaffst (31. Januar
1801) starb, und der Notar Agretti aus Perugia. Auf ihr Anstiften fanden
jetzt in allen Theilen der Siebenhügelstadt aufrührerische Versammlungen
statt, wurde eine Masse dreifarbiger Kokarden angefertigt; Deputationen von
Bürgern begaben sich öffentlich in das Hotel des französischen Gesandten mit
der Bitte, die Insurrektion zu unterstützen, worauf dieser in scheinbar ab¬
lehnenden, aber in der That ermunternden Wendungen antwortete. Was
nun folgte, hätte leicht verhütet werden können, wenn der päpstliche Staats¬
sekretär, Cardinal Joseph Doria, an Geist nicht eben so klein wie an Körper
gewesen wäre. Während der weit jüngere Vertreter Frankreichs den Schein
kluger Weise möglichst wahrte, dem Cardinal seine amtliche Unterstützung
zusicherte, um die Theilnahme der Franzosen an den Umwälzungsversuchen
zu verhüten, that Doria, nicht gewitzigt durch die bitteren Früchte, die
Basseville's Ermordung dem apostolischen Stuhle getragen, nicht das Mindeste,
um einer abermaligen, unter solchen Verhältnissen so leicht zu befürchtenden,
groben Verletzung des Völkerrechts durch die päpstlichen Behörden oder
Unterthanen vorzubeugen. Er schickte (28. December 1797) zur Unterdrückung




*) Du (ZASSV, Nvmoil'os et Lvrrssp. an roi it"8ki>K I, 67. 164 NIC-
") Vous ssntii'izi- gro cotes plirasiz etoit so clirs, vt von xas s'sol'irö. Du vasss
a. a, O. I, 174.

wärts angetroffen wurden, strömten dort, wie in einem gemeinsamen Focus
zusammen. Zu seinem Unglücke beging der Papst die Thorheit, von der
überaus antigallischen Mehrheit des heiligen Kollegiums zu einem argen
Mißgriffe sich verleiten zu lassen.*) Zu dem nämlich, den tüchtigen öster¬
reichischen General Provera, der bereits drei Mal Kriegsgefangener der Fran¬
zosen gewesen, zum Oberbefehlshaber seiner Truppen (September 1797) zu
ernennen und durch diesen Beweis feindlicher Absichten auch nach dem Friedens¬
schlüsse den pariser Machthabern den erwünschtesten Vorwand zu leihen, auch
ihrer Seits sich an denselben nicht länger zu kehren und besonders Napoleon's
Zorn zu reizen. Dieser befahl (14. December 1797) seinem Bruder Joseph,
dem Papste anzuzeigen, daß 3000 Mann neuer Truppen nach Ancona geschickt
worden seien, daß ihm der Krieg erklärt werden würde, wenn er binnen
24 Stunden nach Zustellung dieser Note Provera nicht entlasse; sollte aber
einer von den verhafteten Revolutionären hingerichtet werden, so werde er
sofort an den Cardinälen Repressalien nehmen. „Endlich benachrichtige ihn,
daß in dem Augenblicke Deiner Abreise aus Rom Ancona mit der cisalpini-
schen Republik vereinigt wird. Du wirst einsehen, daß die letzte Phrase nur
gesprochen, nicht geschrieben werden darf".**)

An der Spitze der römischen' Revolutionärs standen der berühmte Bild¬
hauer Ceracchi, derselbe, der nachmals (Oktober 1800) an einer Verschwörung
gegen Napoleon sich betheiligte und zu Paris auf dem Schaffst (31. Januar
1801) starb, und der Notar Agretti aus Perugia. Auf ihr Anstiften fanden
jetzt in allen Theilen der Siebenhügelstadt aufrührerische Versammlungen
statt, wurde eine Masse dreifarbiger Kokarden angefertigt; Deputationen von
Bürgern begaben sich öffentlich in das Hotel des französischen Gesandten mit
der Bitte, die Insurrektion zu unterstützen, worauf dieser in scheinbar ab¬
lehnenden, aber in der That ermunternden Wendungen antwortete. Was
nun folgte, hätte leicht verhütet werden können, wenn der päpstliche Staats¬
sekretär, Cardinal Joseph Doria, an Geist nicht eben so klein wie an Körper
gewesen wäre. Während der weit jüngere Vertreter Frankreichs den Schein
kluger Weise möglichst wahrte, dem Cardinal seine amtliche Unterstützung
zusicherte, um die Theilnahme der Franzosen an den Umwälzungsversuchen
zu verhüten, that Doria, nicht gewitzigt durch die bitteren Früchte, die
Basseville's Ermordung dem apostolischen Stuhle getragen, nicht das Mindeste,
um einer abermaligen, unter solchen Verhältnissen so leicht zu befürchtenden,
groben Verletzung des Völkerrechts durch die päpstlichen Behörden oder
Unterthanen vorzubeugen. Er schickte (28. December 1797) zur Unterdrückung




*) Du (ZASSV, Nvmoil'os et Lvrrssp. an roi it«8ki>K I, 67. 164 NIC-
") Vous ssntii'izi- gro cotes plirasiz etoit so clirs, vt von xas s'sol'irö. Du vasss
a. a, O. I, 174.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/428>, abgerufen am 22.07.2024.