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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Mannigfaltigkeit ihres architektonischen Schmuckes prangen die beiden Homann'-
schen Häuser, das eine, in der Petersstraße (1726 gebaut), noch heut den
Namen seines Erbauers tragend, das andere, am Markt (schon 1709 ent¬
standen), jetzt unter dem Namen des Aeckerlein'schen bekannt; dann Kochs
Hof (1737), Quandts Hof (1748), das "Kloster" (1740), der "Kurprinz"
(1710 begonnen, aber erst 1734 ausgebaut), der "Silberne Bär" (1764), die
beiden schönen Häuser rechts und links von der Mündung des Böttcher-
gäßchens in die Katharinenstraße (beide aus den 80er Jahren), u. a. in.

Alle diese Gebäude zeichnen sich aus durch einen mehr oder minder reichen
Decorationsschmuck von Säulen und Mahlern, Laubgewinden oder Muschel¬
werk, allegorischen Figuren, Vasen u. tgi., meist in gefälligen Formen und
in. harmonischer Gliederung und Verbindung unter sich und mit dem Gebäude
selbst. Viel weniger ist dies der Fall bei späteren Bauarten in ähnlichem
Styl, z, B. dem 1793 entstandenen ?Iaos Ah repos. Hier erscheint das
decorative Element vielmehr nur äußerlich angeflickt und sie gemahnen fast
wie herausgeputzte Parvenus gegenüber dem soliden Wohlstande eines Mannes,
welcher diesen in behäbiger und geschmackvoller Weise zur Schau trägt.

Die Lust an heitrer Pracht und durch Geschmack veredelten Lebensgenuß,
die sich damals in Leipzig regte -- die natürliche Folge eines durch rührigen
Erwerb entstandenen und stetig wachsenden Wohlstandes -- fand sich indeß
durch die eleganten Häuser und deren ebenmäßig glanzvolle innere Aus¬
stattung innerhalb der Stadt nicht begnügt: es drängte sie auch hinaus aus
der Straßen quetschender Enge, aus dem düstern Bann der Lust und Licht
absperrenden Festungsmauern. Um dieselbe Zeit, wo Leipzig sich innerhalb
seiner Wälle mit schönen Bauwerken schmückte, entstanden auch rings um die
innere Stadt eine ganze Reihe von Gärten, in denen Kunst und Natur
einander die Hand reichten. Die letztere freilich meist nach dem damals herr¬
schenden französischen Geschmack zur Unnatur verkünstelt in steifen Hecken,
langen, gradlinigen Gängen, verschnörkelten Boskets u. tgi. in>, dazwischen
Statuen nach antiken Mustern, gewöhnlich von sehr mäßigem Kunstwerth,
aber auch Treib- und Gewächshäuser mit manchen seltenen Pflanzen und
fremden Baumarten, daneben wohl noch Kunst- und Naturaliensammlungen,
als Anzeichen des regen Kunst- und Natursinnes, wie er gerade den Trägern
eifrigen materiellen Erwerbes, den vielgescholtenen "Geldprotzen", erfreulicher
Weise so häufig eigen zu sein pflegt.

Alle diese Gärten, die seitdem lange Zeit in weitem Gürtel einen großen
Theil der innern Stadt umspannten, ihr den Zugang der freien Luft sicherten
und, da sie großentheils mit dankenswerther Liberalität auch unbekannten
Besuchern offenstanden, der Bevölkerung die angenehme Abwechselung des
Anblicks eines Stückchens frischer Natur gewährten -- alle diese Gärten, von


M'enzl'oder III. 1874. S

Mannigfaltigkeit ihres architektonischen Schmuckes prangen die beiden Homann'-
schen Häuser, das eine, in der Petersstraße (1726 gebaut), noch heut den
Namen seines Erbauers tragend, das andere, am Markt (schon 1709 ent¬
standen), jetzt unter dem Namen des Aeckerlein'schen bekannt; dann Kochs
Hof (1737), Quandts Hof (1748), das „Kloster" (1740), der „Kurprinz"
(1710 begonnen, aber erst 1734 ausgebaut), der „Silberne Bär" (1764), die
beiden schönen Häuser rechts und links von der Mündung des Böttcher-
gäßchens in die Katharinenstraße (beide aus den 80er Jahren), u. a. in.

Alle diese Gebäude zeichnen sich aus durch einen mehr oder minder reichen
Decorationsschmuck von Säulen und Mahlern, Laubgewinden oder Muschel¬
werk, allegorischen Figuren, Vasen u. tgi., meist in gefälligen Formen und
in. harmonischer Gliederung und Verbindung unter sich und mit dem Gebäude
selbst. Viel weniger ist dies der Fall bei späteren Bauarten in ähnlichem
Styl, z, B. dem 1793 entstandenen ?Iaos Ah repos. Hier erscheint das
decorative Element vielmehr nur äußerlich angeflickt und sie gemahnen fast
wie herausgeputzte Parvenus gegenüber dem soliden Wohlstande eines Mannes,
welcher diesen in behäbiger und geschmackvoller Weise zur Schau trägt.

Die Lust an heitrer Pracht und durch Geschmack veredelten Lebensgenuß,
die sich damals in Leipzig regte — die natürliche Folge eines durch rührigen
Erwerb entstandenen und stetig wachsenden Wohlstandes — fand sich indeß
durch die eleganten Häuser und deren ebenmäßig glanzvolle innere Aus¬
stattung innerhalb der Stadt nicht begnügt: es drängte sie auch hinaus aus
der Straßen quetschender Enge, aus dem düstern Bann der Lust und Licht
absperrenden Festungsmauern. Um dieselbe Zeit, wo Leipzig sich innerhalb
seiner Wälle mit schönen Bauwerken schmückte, entstanden auch rings um die
innere Stadt eine ganze Reihe von Gärten, in denen Kunst und Natur
einander die Hand reichten. Die letztere freilich meist nach dem damals herr¬
schenden französischen Geschmack zur Unnatur verkünstelt in steifen Hecken,
langen, gradlinigen Gängen, verschnörkelten Boskets u. tgi. in>, dazwischen
Statuen nach antiken Mustern, gewöhnlich von sehr mäßigem Kunstwerth,
aber auch Treib- und Gewächshäuser mit manchen seltenen Pflanzen und
fremden Baumarten, daneben wohl noch Kunst- und Naturaliensammlungen,
als Anzeichen des regen Kunst- und Natursinnes, wie er gerade den Trägern
eifrigen materiellen Erwerbes, den vielgescholtenen „Geldprotzen", erfreulicher
Weise so häufig eigen zu sein pflegt.

Alle diese Gärten, die seitdem lange Zeit in weitem Gürtel einen großen
Theil der innern Stadt umspannten, ihr den Zugang der freien Luft sicherten
und, da sie großentheils mit dankenswerther Liberalität auch unbekannten
Besuchern offenstanden, der Bevölkerung die angenehme Abwechselung des
Anblicks eines Stückchens frischer Natur gewährten — alle diese Gärten, von


M'enzl'oder III. 1874. S
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/41>, abgerufen am 24.08.2024.