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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Namens de Marchis, welcher der höchst prosaischen Ansicht war, daß man
von den Revenüen eines Grafentitels eine Frau nicht anständig erhalten
könne. In diesen Stunden unsagbarer Schmerzen faßte der noch so jugend¬
liche Giovanni Angelo einen heldenmüthigen Entschluß -- er sagte dieser
Geliebten für immer Valet und wandte sich einer andern zu -- der Kirche.
Dem Glücksfälle, daß er in seinem Onkel, dem Auditor Bandi, einen viel¬
vermögenden Gönner besaß, verdankte der junge Mann die Beförderung zum
Auditor der päpstlichen Kanzlei, als er erst 27 Sommer zählte. Als Bandi
nach acht Jahren (1732) zum Bischof von Jmola ernannt wurde, drang er,
ehe er Besitz von seinem Bisthume nahm, in den alten Kardinal Ruffo,
dessen Diener er früher gewesen, und der ihm und seinem Neffen ein mächtiger
Patron geblieben. denWetztern dem damaligen Papste zu empfehlen, was
auch geschah. Es war nicht zu früh; denn im nächsten Jahre starb Ruffo,
und im darauffolgenden Benedikt's XIV. Geheimschreiber. Dieser Nachfolger
des Apostelfürsten war bekanntlich einer der gelehrtesten, die je auf dem
heil. Stuhle saßen, ein Mann, der in einem Augenblicke Bonmots und im
nächsten.Kirchendekrete zu diktiren liebte, der eines gewandten, einer recht
lesbaren Handschriftlich erfreuenden Sekretärs dringend bedürfte. Und diesen
Vorzug besaß Braschi in besonderem Grade, wie nicht minder den einer
schönen Gestalt. Beide Vortheile bestachen den Papst so sehr, daß er Ruffo's
Empfohlenen auf der Stelle zu seinem Geheimschreiber und schon im nächsten
Jahre (1753) zum Kanonikus der Petersktrche ernannte.

Damit war Giovanni Angelo auf den rechten Weg zum Glück geschleu¬
dert worden, wiewohl es nach dem Tode Benedikt's XIV. (3. Mai 1758) nicht
das Ansehen gewann, daß er noch sonderlich steigen werde. Denn in der Um¬
gebung seines Nachfolgers Clemens XIII. besaß er über ein Jahr lang nicht
einen Gönner, bis es ihm endlich gelang, an dem Kardinal-Kämmerling
Karl Rezzonico einen solchen zu gewinnen; dieser ernannte ihn (1759) zu seinem
Auditor. Damit trat er in nähere Beziehung zur Familie des regierenden
Papstes -- Clemens XIII. war nämlich ein Rezzonico aus Venedig. So
lange dieser lebte, erstrebten seine Verwandten so gut wie die seiner Vorgän¬
ger nichts eifriger, als Ausnützung ihrer Herrlichkeit zur Vermehrung der
ihnen unbedingt ergebenen Kreaturen. Da jene gewöhnlich mit dem Tode des
Statthalters Christi ihr Ende erreicht, suchten dessen Nepoten von jeher, so
lange dieselbe dauerte, besonders solche Individuen an sich zu ketten, welche
die Fähigkeit verriethen und Aussicht hatten, dereinst Carriere zu machen. Karl
Rezzonico. des dreizehnten Clemens einflußreichster Nepote, errieth richtig, daß
Braschi in ungewöhnlichem Grade das Zeug dazu habe. Darum empfahl er



") Wolf, Gesch. der römisch-kathol. Kirche unter Pius VI. I, 294 f. Zürich und Leipzig-
1793 -- 1802. 7 Bde.

Namens de Marchis, welcher der höchst prosaischen Ansicht war, daß man
von den Revenüen eines Grafentitels eine Frau nicht anständig erhalten
könne. In diesen Stunden unsagbarer Schmerzen faßte der noch so jugend¬
liche Giovanni Angelo einen heldenmüthigen Entschluß — er sagte dieser
Geliebten für immer Valet und wandte sich einer andern zu — der Kirche.
Dem Glücksfälle, daß er in seinem Onkel, dem Auditor Bandi, einen viel¬
vermögenden Gönner besaß, verdankte der junge Mann die Beförderung zum
Auditor der päpstlichen Kanzlei, als er erst 27 Sommer zählte. Als Bandi
nach acht Jahren (1732) zum Bischof von Jmola ernannt wurde, drang er,
ehe er Besitz von seinem Bisthume nahm, in den alten Kardinal Ruffo,
dessen Diener er früher gewesen, und der ihm und seinem Neffen ein mächtiger
Patron geblieben. denWetztern dem damaligen Papste zu empfehlen, was
auch geschah. Es war nicht zu früh; denn im nächsten Jahre starb Ruffo,
und im darauffolgenden Benedikt's XIV. Geheimschreiber. Dieser Nachfolger
des Apostelfürsten war bekanntlich einer der gelehrtesten, die je auf dem
heil. Stuhle saßen, ein Mann, der in einem Augenblicke Bonmots und im
nächsten.Kirchendekrete zu diktiren liebte, der eines gewandten, einer recht
lesbaren Handschriftlich erfreuenden Sekretärs dringend bedürfte. Und diesen
Vorzug besaß Braschi in besonderem Grade, wie nicht minder den einer
schönen Gestalt. Beide Vortheile bestachen den Papst so sehr, daß er Ruffo's
Empfohlenen auf der Stelle zu seinem Geheimschreiber und schon im nächsten
Jahre (1753) zum Kanonikus der Petersktrche ernannte.

Damit war Giovanni Angelo auf den rechten Weg zum Glück geschleu¬
dert worden, wiewohl es nach dem Tode Benedikt's XIV. (3. Mai 1758) nicht
das Ansehen gewann, daß er noch sonderlich steigen werde. Denn in der Um¬
gebung seines Nachfolgers Clemens XIII. besaß er über ein Jahr lang nicht
einen Gönner, bis es ihm endlich gelang, an dem Kardinal-Kämmerling
Karl Rezzonico einen solchen zu gewinnen; dieser ernannte ihn (1759) zu seinem
Auditor. Damit trat er in nähere Beziehung zur Familie des regierenden
Papstes — Clemens XIII. war nämlich ein Rezzonico aus Venedig. So
lange dieser lebte, erstrebten seine Verwandten so gut wie die seiner Vorgän¬
ger nichts eifriger, als Ausnützung ihrer Herrlichkeit zur Vermehrung der
ihnen unbedingt ergebenen Kreaturen. Da jene gewöhnlich mit dem Tode des
Statthalters Christi ihr Ende erreicht, suchten dessen Nepoten von jeher, so
lange dieselbe dauerte, besonders solche Individuen an sich zu ketten, welche
die Fähigkeit verriethen und Aussicht hatten, dereinst Carriere zu machen. Karl
Rezzonico. des dreizehnten Clemens einflußreichster Nepote, errieth richtig, daß
Braschi in ungewöhnlichem Grade das Zeug dazu habe. Darum empfahl er



") Wolf, Gesch. der römisch-kathol. Kirche unter Pius VI. I, 294 f. Zürich und Leipzig-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/387>, abgerufen am 22.07.2024.