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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Das Conststorium habe gar kein Recht, sich in die Sache einzumischen. In
den Fürstenschulen seien öfter Komödien ausgeführt worden, denen Leipziger
"membrÄ sencUus, alß sie in denselben studirens halber sich hiebevor auffge-
halten, auch beygewohnet" hätten; niemals aber werde dort die Einwilligung
des Consistoriums zuvor eingeholt. Ebenso sei es an den beiden Leipziger Stadt¬
schulen "über Menschen gedencken eingeführet, hergebracht, und gehalten worden".
Erst vor zwei Jahren hätte der Rath den Thomasschülern dergleichen exercitia
Ldwlastiei", verstattet, ohne daß es im Conststorium Jemandem eingefallen
wäre, Einspruch zu erheben, "bey solchem alten Herkommen undt odservsn^
wir billich unturbiret gelassen werden." Auch auf einen Präcedenzfall von
auswärts berief sich der Rath. Im Jahre 1628 hätte der Superintendent
in Chemnitz den dortigen Schülern plötzlich die Abhaltung ihres üblichen Gre-
gorianerfestes verbieten wollen und hätte sich bei dem Oberconsistorium be¬
schwert, weil es ohne seine Einwilligung trotzdem hätte gefeiert werden sollen.
Da sei er mit seiner Beschwerde abfällig beschieden und ihm bedeutet worden,
"das diese seine sorge unzeitig undt unnöhtig gewesen;" die Schüler möchten
nur ihr Fest in Gottes Namen feiern, wie bisher. Die exei-eitis, comica.
seien aber doch gewiß eben so "wichtig, nüzlich undt erbaulich", als das
?sstum errsgol-iÄNum. Endlich aber bringt der Rath den eigentlichen Haupt¬
punkt zur Sprache und schreibt wörtlich, wie folgt: "Wir wollen auch nicht
hoffen, daß wie es auß angeregten k'raeesxto sich ansehen lesset, einziger
unterscheid: zwischen Teutscher undt Lateinischer Ovmoeäie gemachet, undt jene
äeterioris eonciitionis, alß diese die Lateinische seyn solle, indem heutiges
Tages an einem schönen und geschickten deutschen fez^lo bey denen convörsa-
tionibus nominum je so viel alß am Lateinischen gelegen ist, zu deme hatt
die Schule billich neben der Lateinischen auch auff eine Deutsche eoinoech be¬
dacht seyn müssen, weilt sie dieses sxsroitium unter andern auch zu ehren der
Vornehmsten von der Bürgerschafft abgeleget, alß durch derer tägliche elg-rgitioriös
gude willige sPeisung auff der Schulen undt guthe gestiffte die Schüler unter¬
halten werden müssen . . . weilt aber die wenigsten unter Ihnen der Lateinischen
Mache kundig, kan nicht unförmlich gehandelt seyn, wan Ihnen neben der
Lateinischen mit einer Deutschen eomoech entgegen gegangen wirdt." Kurz,
der Rath erklärte, daß er die Verordnung des Consistoriums als eine "bloße
Zunöthigung" betrachten könne, darauf berechnet, den Rath in seinem "alten
Herkommen, guthen gebrauch wohlerhaltenen vhralten xrivilesio zukrencken
undt zu schimpffen", und bat schließlich die kurfürstliche Regierung, dem Const¬
storium "solch weit aussehendes Beginnen ernstlich zu verweisen".

Nach Verlauf von drittehalb Monaten traf auf diese Eingabe deS Rathes
endlich ein Bescheid des Dresdner Oberconsistoriums ein. der freilich auf alle
vorgebrachten Beschwerden des Rathes nicht mit einer Silbe einging, sondern


Das Conststorium habe gar kein Recht, sich in die Sache einzumischen. In
den Fürstenschulen seien öfter Komödien ausgeführt worden, denen Leipziger
„membrÄ sencUus, alß sie in denselben studirens halber sich hiebevor auffge-
halten, auch beygewohnet" hätten; niemals aber werde dort die Einwilligung
des Consistoriums zuvor eingeholt. Ebenso sei es an den beiden Leipziger Stadt¬
schulen „über Menschen gedencken eingeführet, hergebracht, und gehalten worden".
Erst vor zwei Jahren hätte der Rath den Thomasschülern dergleichen exercitia
Ldwlastiei», verstattet, ohne daß es im Conststorium Jemandem eingefallen
wäre, Einspruch zu erheben, „bey solchem alten Herkommen undt odservsn^
wir billich unturbiret gelassen werden." Auch auf einen Präcedenzfall von
auswärts berief sich der Rath. Im Jahre 1628 hätte der Superintendent
in Chemnitz den dortigen Schülern plötzlich die Abhaltung ihres üblichen Gre-
gorianerfestes verbieten wollen und hätte sich bei dem Oberconsistorium be¬
schwert, weil es ohne seine Einwilligung trotzdem hätte gefeiert werden sollen.
Da sei er mit seiner Beschwerde abfällig beschieden und ihm bedeutet worden,
„das diese seine sorge unzeitig undt unnöhtig gewesen;" die Schüler möchten
nur ihr Fest in Gottes Namen feiern, wie bisher. Die exei-eitis, comica.
seien aber doch gewiß eben so „wichtig, nüzlich undt erbaulich", als das
?sstum errsgol-iÄNum. Endlich aber bringt der Rath den eigentlichen Haupt¬
punkt zur Sprache und schreibt wörtlich, wie folgt: „Wir wollen auch nicht
hoffen, daß wie es auß angeregten k'raeesxto sich ansehen lesset, einziger
unterscheid: zwischen Teutscher undt Lateinischer Ovmoeäie gemachet, undt jene
äeterioris eonciitionis, alß diese die Lateinische seyn solle, indem heutiges
Tages an einem schönen und geschickten deutschen fez^lo bey denen convörsa-
tionibus nominum je so viel alß am Lateinischen gelegen ist, zu deme hatt
die Schule billich neben der Lateinischen auch auff eine Deutsche eoinoech be¬
dacht seyn müssen, weilt sie dieses sxsroitium unter andern auch zu ehren der
Vornehmsten von der Bürgerschafft abgeleget, alß durch derer tägliche elg-rgitioriös
gude willige sPeisung auff der Schulen undt guthe gestiffte die Schüler unter¬
halten werden müssen . . . weilt aber die wenigsten unter Ihnen der Lateinischen
Mache kundig, kan nicht unförmlich gehandelt seyn, wan Ihnen neben der
Lateinischen mit einer Deutschen eomoech entgegen gegangen wirdt." Kurz,
der Rath erklärte, daß er die Verordnung des Consistoriums als eine „bloße
Zunöthigung" betrachten könne, darauf berechnet, den Rath in seinem „alten
Herkommen, guthen gebrauch wohlerhaltenen vhralten xrivilesio zukrencken
undt zu schimpffen", und bat schließlich die kurfürstliche Regierung, dem Const¬
storium „solch weit aussehendes Beginnen ernstlich zu verweisen".

Nach Verlauf von drittehalb Monaten traf auf diese Eingabe deS Rathes
endlich ein Bescheid des Dresdner Oberconsistoriums ein. der freilich auf alle
vorgebrachten Beschwerden des Rathes nicht mit einer Silbe einging, sondern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/374>, abgerufen am 22.07.2024.