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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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des Rathes zuwiderzuhandeln. Ferner sei es nichts ungewöhnliches, daß das
Theater in der Schule selbst errichtet werde, wie denn z. B. vor 28 Jahren
in der Schule "eine lateinische Comödien, 6s vz^evils aus dem Ikrentio
LiKristiavo" (von Cornelius Schonoeus, Cöln 1620) aufgeführt worden sei,
wobei der Rath, der damalige Superintendent und "etliche von der Universitet"
zugegen gewesen; diese Komödie sei übrigens damals auf Wunsch des Rathes
von den Schülern auch ins Deutsche übersetzt, von Cramer selbst corrigirt
und dann nochmals "xublies, weil der Orth in der Schul zu eng gewesen,
auff H. D. Johann Böhmens sel. Saal gespieln worden". Das Geld
Härten die Knaben zur Bestreitung des Aufwandes, den er ihnen übrigens zu
machen nicht geheißen habe, nöthig gebraucht. Außerdem könne er sich auf
die "Augusteische Schulordnung" (vom Jahr 1673) berufen, worin es von der
Unterstützung der armen Schüler ausdrücklich heiße: "Besonders, wenn sie
des Jahres einmahl oder mehr eine Comoediam lerentianain oder?lÄUtina,in
spielen, sol ihnen jeder Zeit der halbe Theil von der Verehrung gegeben, der
ander Theil aber dem Schulmeister vnd seinen (üvliiidoratvribus folgen."
Daß er endlich der Aufführung persönlich beigewohnt, darin könne er keinen
Verstoß erblicken, da es der Rath gewesen, der sie angeordnet habe, und Raths¬
mitglieder selbst zugegen gewesen seien. Schließlich wurde der Rector sammt
den Collegen von Schacher aufgefordert, binnen acht Tagen sich schriftlich
oder mündlich darüber zu erklären, ob sie bei der angekündigten Appellation
bleiben wollten oder nicht. ob sie vom Conststorium ^.xostoli, rkverentiales
oder rekutÄtorii haben wollten -- was eher wie eine Drohung als wie eine
Frage klingt --. und drittens, ob sie die Verantwortung für das, was sie
gethan, dem Rathe zuschieben wollten.

Fünf Tage darauf gab das Thomascollegium die geforderte schriftliche
Erklärung ab, worin es die bereits mündlich vorgebrachten Gründe im Wesent¬
lichen wiederholte, nochmals "fleißig" bat, daß man sie "arme Schulldienere
mit der dictirten straffe verschonen" wolle, und für diesen Fall auf die Appel¬
lation verzichten zu wollen erklärte; im entgegengesetzten Falle werde es von
dem ihm zustehenden Rechte der Appellation Gebrauch machen und um ^po-
Ltoli reveröntialvs bitten.

Die Strafe wurde nicht erlassen, und so würden die Lehrer zu der ange¬
kündigten Appellation haben verfahrenen müssen, wenn nicht der Rath inzwi¬
schen die Sache zur seinigen gemacht und bereits am 2. Mai ein umfängliches
Schreiben direct an den Kurfürsten Johann Georg nach Dresden gerichtet
hätte. Hier berichtete der Rath eingehend über den ganzen Vorfall und be¬
klagte sich bitter darüber, was für Eingriffe in seine Rechte sich das Consi-
storium erlaubt habe. "Dergleichen geschwinde Verordnung", wie sie das
Conststorium gethan, gereiche dem Rathe "zu nicht geringer Beschimpfung".


des Rathes zuwiderzuhandeln. Ferner sei es nichts ungewöhnliches, daß das
Theater in der Schule selbst errichtet werde, wie denn z. B. vor 28 Jahren
in der Schule „eine lateinische Comödien, 6s vz^evils aus dem Ikrentio
LiKristiavo" (von Cornelius Schonoeus, Cöln 1620) aufgeführt worden sei,
wobei der Rath, der damalige Superintendent und „etliche von der Universitet"
zugegen gewesen; diese Komödie sei übrigens damals auf Wunsch des Rathes
von den Schülern auch ins Deutsche übersetzt, von Cramer selbst corrigirt
und dann nochmals „xublies, weil der Orth in der Schul zu eng gewesen,
auff H. D. Johann Böhmens sel. Saal gespieln worden". Das Geld
Härten die Knaben zur Bestreitung des Aufwandes, den er ihnen übrigens zu
machen nicht geheißen habe, nöthig gebraucht. Außerdem könne er sich auf
die „Augusteische Schulordnung" (vom Jahr 1673) berufen, worin es von der
Unterstützung der armen Schüler ausdrücklich heiße: „Besonders, wenn sie
des Jahres einmahl oder mehr eine Comoediam lerentianain oder?lÄUtina,in
spielen, sol ihnen jeder Zeit der halbe Theil von der Verehrung gegeben, der
ander Theil aber dem Schulmeister vnd seinen (üvliiidoratvribus folgen."
Daß er endlich der Aufführung persönlich beigewohnt, darin könne er keinen
Verstoß erblicken, da es der Rath gewesen, der sie angeordnet habe, und Raths¬
mitglieder selbst zugegen gewesen seien. Schließlich wurde der Rector sammt
den Collegen von Schacher aufgefordert, binnen acht Tagen sich schriftlich
oder mündlich darüber zu erklären, ob sie bei der angekündigten Appellation
bleiben wollten oder nicht. ob sie vom Conststorium ^.xostoli, rkverentiales
oder rekutÄtorii haben wollten — was eher wie eine Drohung als wie eine
Frage klingt —. und drittens, ob sie die Verantwortung für das, was sie
gethan, dem Rathe zuschieben wollten.

Fünf Tage darauf gab das Thomascollegium die geforderte schriftliche
Erklärung ab, worin es die bereits mündlich vorgebrachten Gründe im Wesent¬
lichen wiederholte, nochmals „fleißig" bat, daß man sie „arme Schulldienere
mit der dictirten straffe verschonen" wolle, und für diesen Fall auf die Appel¬
lation verzichten zu wollen erklärte; im entgegengesetzten Falle werde es von
dem ihm zustehenden Rechte der Appellation Gebrauch machen und um ^po-
Ltoli reveröntialvs bitten.

Die Strafe wurde nicht erlassen, und so würden die Lehrer zu der ange¬
kündigten Appellation haben verfahrenen müssen, wenn nicht der Rath inzwi¬
schen die Sache zur seinigen gemacht und bereits am 2. Mai ein umfängliches
Schreiben direct an den Kurfürsten Johann Georg nach Dresden gerichtet
hätte. Hier berichtete der Rath eingehend über den ganzen Vorfall und be¬
klagte sich bitter darüber, was für Eingriffe in seine Rechte sich das Consi-
storium erlaubt habe. „Dergleichen geschwinde Verordnung", wie sie das
Conststorium gethan, gereiche dem Rathe „zu nicht geringer Beschimpfung".


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[0373] des Rathes zuwiderzuhandeln. Ferner sei es nichts ungewöhnliches, daß das Theater in der Schule selbst errichtet werde, wie denn z. B. vor 28 Jahren in der Schule „eine lateinische Comödien, 6s vz^evils aus dem Ikrentio LiKristiavo" (von Cornelius Schonoeus, Cöln 1620) aufgeführt worden sei, wobei der Rath, der damalige Superintendent und „etliche von der Universitet" zugegen gewesen; diese Komödie sei übrigens damals auf Wunsch des Rathes von den Schülern auch ins Deutsche übersetzt, von Cramer selbst corrigirt und dann nochmals „xublies, weil der Orth in der Schul zu eng gewesen, auff H. D. Johann Böhmens sel. Saal gespieln worden". Das Geld Härten die Knaben zur Bestreitung des Aufwandes, den er ihnen übrigens zu machen nicht geheißen habe, nöthig gebraucht. Außerdem könne er sich auf die „Augusteische Schulordnung" (vom Jahr 1673) berufen, worin es von der Unterstützung der armen Schüler ausdrücklich heiße: „Besonders, wenn sie des Jahres einmahl oder mehr eine Comoediam lerentianain oder?lÄUtina,in spielen, sol ihnen jeder Zeit der halbe Theil von der Verehrung gegeben, der ander Theil aber dem Schulmeister vnd seinen (üvliiidoratvribus folgen." Daß er endlich der Aufführung persönlich beigewohnt, darin könne er keinen Verstoß erblicken, da es der Rath gewesen, der sie angeordnet habe, und Raths¬ mitglieder selbst zugegen gewesen seien. Schließlich wurde der Rector sammt den Collegen von Schacher aufgefordert, binnen acht Tagen sich schriftlich oder mündlich darüber zu erklären, ob sie bei der angekündigten Appellation bleiben wollten oder nicht. ob sie vom Conststorium ^.xostoli, rkverentiales oder rekutÄtorii haben wollten — was eher wie eine Drohung als wie eine Frage klingt —. und drittens, ob sie die Verantwortung für das, was sie gethan, dem Rathe zuschieben wollten. Fünf Tage darauf gab das Thomascollegium die geforderte schriftliche Erklärung ab, worin es die bereits mündlich vorgebrachten Gründe im Wesent¬ lichen wiederholte, nochmals „fleißig" bat, daß man sie „arme Schulldienere mit der dictirten straffe verschonen" wolle, und für diesen Fall auf die Appel¬ lation verzichten zu wollen erklärte; im entgegengesetzten Falle werde es von dem ihm zustehenden Rechte der Appellation Gebrauch machen und um ^po- Ltoli reveröntialvs bitten. Die Strafe wurde nicht erlassen, und so würden die Lehrer zu der ange¬ kündigten Appellation haben verfahrenen müssen, wenn nicht der Rath inzwi¬ schen die Sache zur seinigen gemacht und bereits am 2. Mai ein umfängliches Schreiben direct an den Kurfürsten Johann Georg nach Dresden gerichtet hätte. Hier berichtete der Rath eingehend über den ganzen Vorfall und be¬ klagte sich bitter darüber, was für Eingriffe in seine Rechte sich das Consi- storium erlaubt habe. „Dergleichen geschwinde Verordnung", wie sie das Conststorium gethan, gereiche dem Rathe „zu nicht geringer Beschimpfung".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/373>, abgerufen am 22.07.2024.