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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Verbreitung gewonnen, daß nach einem Schicksalsbeschlusse um diese Zeit
Leute, welche von Judäa ihren Ausgang nähmen sich der Weltherrschaft be¬
mächtigen würden." (?"zr eroduerat Orient" toto vetus "t, eonswns opinio,
esse in latis, ut so tsinpore ^nclacza prokeeti rsi-um xotirentur).

Diese Weissagung, welche, so weit man das später aus dem Erfolge
sehen konnte, auf einen römischen Kaiser ging, bezogen die Juden auf sich
und erhoben sich gegen Rom und ermordeten den Landpfleger :c. -- Die
Prophezeiung war also von den damaligen Juden falsch ausgelegt und sie
mußten schwer dafür büßen, daß sie dieselbe auf ihren Messias bezogen, auf
den sie bis auf den heutigen Tag vergebens warten.

Aber mit der "Weltherrschaft" hat es seine Richtigkeit, denn: Geld
regiert die Welt, und Juden sind vorzugsweise Geldinhaber und "Börsen-'
könige", die Rothschild und Erlanger "die Beifus und die Dreifus :e."

In Frankreich aber bezieht man diese Prophezeiung auf die Christen,
welche ja aus dem Judenthum hervorgegangen seien. Ein paar hundert
Jahre nach Vespasian's Tode wurden sie allerdings Herren des römischen
Reiches, das ja als die Welt galt, orbis terra-rum, und die Kirche konnte
dann ungehindert nicht nur die Verfolgung der Heiden beginnen, sondern
die Christen mordeten Jahrhunderte lang untereinander über das, was recht'
gläubig sei und was nicht. Sie sind auch heute darüber noch nicht einig und
eine Prophezeiung darüber giebt es leider nicht.

Wem wäre der Name des großen Nostradamus unbekannt geblieben?
Er hatte Anno 1658 die französische Revolution voraus gesagt und prophe¬
zeiet, daß mit dem Jahre 1792 eine neue Aera beginnen werde: an
L6pe eens noncmte cloux, <zu"z 1'on euiäöi-a vers uns Innovation 6u Liöels.

Die Schandthaten der Pariser Commune, die Bestialitäten der Pariser
Mordbrenner sind von der Wahrsagerin und Kartenschlägerin Lenorm ant
buchstäblich vorausgesagt worden. In ihren "sibyllinischen Orakeln, Fort¬
setzung der prophetischen Erinnerungen", Paris 1817, S. 821, steht duch'
stäblich zu lesen: "Wenn wieder einmal wilde Anarchie unter uns ausbricht,
dann denke ich mit Schaudern an die entsetzlichen Dinge, welche unser un¬
glückliches Vaterland heimsuchen werden. Soldaten, Weiber, Kinder, Greise,
alle, alle werden mit dem Schwerte niedergehauen werden. Der Pariser selbst,
Wuth und Verzweiflung im Herzen und eingedenk der Lection. welche der
Moskowit uns gegeben hat, wird mit wüthender Hand (main tui'isusö) die
Anstrengungen der Barbaren fördern, welche Städte zertrümmern, brennende
Fackeln auf die Dächer schleudern. Ganz Paris wird ein großes Flammen¬
meer sein, die Brückenbogen werden einstürzen, selbst die Paläste unserer
Könige werden die Erde mit ihren Trümmern bedecken." Man sieht, es ist,
als ob die Lenormant das Programm für die Commune entworfen hätte.


Verbreitung gewonnen, daß nach einem Schicksalsbeschlusse um diese Zeit
Leute, welche von Judäa ihren Ausgang nähmen sich der Weltherrschaft be¬
mächtigen würden." (?«zr eroduerat Orient« toto vetus «t, eonswns opinio,
esse in latis, ut so tsinpore ^nclacza prokeeti rsi-um xotirentur).

Diese Weissagung, welche, so weit man das später aus dem Erfolge
sehen konnte, auf einen römischen Kaiser ging, bezogen die Juden auf sich
und erhoben sich gegen Rom und ermordeten den Landpfleger :c. — Die
Prophezeiung war also von den damaligen Juden falsch ausgelegt und sie
mußten schwer dafür büßen, daß sie dieselbe auf ihren Messias bezogen, auf
den sie bis auf den heutigen Tag vergebens warten.

Aber mit der „Weltherrschaft" hat es seine Richtigkeit, denn: Geld
regiert die Welt, und Juden sind vorzugsweise Geldinhaber und „Börsen-'
könige", die Rothschild und Erlanger „die Beifus und die Dreifus :e."

In Frankreich aber bezieht man diese Prophezeiung auf die Christen,
welche ja aus dem Judenthum hervorgegangen seien. Ein paar hundert
Jahre nach Vespasian's Tode wurden sie allerdings Herren des römischen
Reiches, das ja als die Welt galt, orbis terra-rum, und die Kirche konnte
dann ungehindert nicht nur die Verfolgung der Heiden beginnen, sondern
die Christen mordeten Jahrhunderte lang untereinander über das, was recht'
gläubig sei und was nicht. Sie sind auch heute darüber noch nicht einig und
eine Prophezeiung darüber giebt es leider nicht.

Wem wäre der Name des großen Nostradamus unbekannt geblieben?
Er hatte Anno 1658 die französische Revolution voraus gesagt und prophe¬
zeiet, daß mit dem Jahre 1792 eine neue Aera beginnen werde: an
L6pe eens noncmte cloux, <zu«z 1'on euiäöi-a vers uns Innovation 6u Liöels.

Die Schandthaten der Pariser Commune, die Bestialitäten der Pariser
Mordbrenner sind von der Wahrsagerin und Kartenschlägerin Lenorm ant
buchstäblich vorausgesagt worden. In ihren „sibyllinischen Orakeln, Fort¬
setzung der prophetischen Erinnerungen", Paris 1817, S. 821, steht duch'
stäblich zu lesen: „Wenn wieder einmal wilde Anarchie unter uns ausbricht,
dann denke ich mit Schaudern an die entsetzlichen Dinge, welche unser un¬
glückliches Vaterland heimsuchen werden. Soldaten, Weiber, Kinder, Greise,
alle, alle werden mit dem Schwerte niedergehauen werden. Der Pariser selbst,
Wuth und Verzweiflung im Herzen und eingedenk der Lection. welche der
Moskowit uns gegeben hat, wird mit wüthender Hand (main tui'isusö) die
Anstrengungen der Barbaren fördern, welche Städte zertrümmern, brennende
Fackeln auf die Dächer schleudern. Ganz Paris wird ein großes Flammen¬
meer sein, die Brückenbogen werden einstürzen, selbst die Paläste unserer
Könige werden die Erde mit ihren Trümmern bedecken." Man sieht, es ist,
als ob die Lenormant das Programm für die Commune entworfen hätte.


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[0360] Verbreitung gewonnen, daß nach einem Schicksalsbeschlusse um diese Zeit Leute, welche von Judäa ihren Ausgang nähmen sich der Weltherrschaft be¬ mächtigen würden." (?«zr eroduerat Orient« toto vetus «t, eonswns opinio, esse in latis, ut so tsinpore ^nclacza prokeeti rsi-um xotirentur). Diese Weissagung, welche, so weit man das später aus dem Erfolge sehen konnte, auf einen römischen Kaiser ging, bezogen die Juden auf sich und erhoben sich gegen Rom und ermordeten den Landpfleger :c. — Die Prophezeiung war also von den damaligen Juden falsch ausgelegt und sie mußten schwer dafür büßen, daß sie dieselbe auf ihren Messias bezogen, auf den sie bis auf den heutigen Tag vergebens warten. Aber mit der „Weltherrschaft" hat es seine Richtigkeit, denn: Geld regiert die Welt, und Juden sind vorzugsweise Geldinhaber und „Börsen-' könige", die Rothschild und Erlanger „die Beifus und die Dreifus :e." In Frankreich aber bezieht man diese Prophezeiung auf die Christen, welche ja aus dem Judenthum hervorgegangen seien. Ein paar hundert Jahre nach Vespasian's Tode wurden sie allerdings Herren des römischen Reiches, das ja als die Welt galt, orbis terra-rum, und die Kirche konnte dann ungehindert nicht nur die Verfolgung der Heiden beginnen, sondern die Christen mordeten Jahrhunderte lang untereinander über das, was recht' gläubig sei und was nicht. Sie sind auch heute darüber noch nicht einig und eine Prophezeiung darüber giebt es leider nicht. Wem wäre der Name des großen Nostradamus unbekannt geblieben? Er hatte Anno 1658 die französische Revolution voraus gesagt und prophe¬ zeiet, daß mit dem Jahre 1792 eine neue Aera beginnen werde: an L6pe eens noncmte cloux, <zu«z 1'on euiäöi-a vers uns Innovation 6u Liöels. Die Schandthaten der Pariser Commune, die Bestialitäten der Pariser Mordbrenner sind von der Wahrsagerin und Kartenschlägerin Lenorm ant buchstäblich vorausgesagt worden. In ihren „sibyllinischen Orakeln, Fort¬ setzung der prophetischen Erinnerungen", Paris 1817, S. 821, steht duch' stäblich zu lesen: „Wenn wieder einmal wilde Anarchie unter uns ausbricht, dann denke ich mit Schaudern an die entsetzlichen Dinge, welche unser un¬ glückliches Vaterland heimsuchen werden. Soldaten, Weiber, Kinder, Greise, alle, alle werden mit dem Schwerte niedergehauen werden. Der Pariser selbst, Wuth und Verzweiflung im Herzen und eingedenk der Lection. welche der Moskowit uns gegeben hat, wird mit wüthender Hand (main tui'isusö) die Anstrengungen der Barbaren fördern, welche Städte zertrümmern, brennende Fackeln auf die Dächer schleudern. Ganz Paris wird ein großes Flammen¬ meer sein, die Brückenbogen werden einstürzen, selbst die Paläste unserer Könige werden die Erde mit ihren Trümmern bedecken." Man sieht, es ist, als ob die Lenormant das Programm für die Commune entworfen hätte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/360>, abgerufen am 22.07.2024.