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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Die vier Thiere aber waren "die vier Reiche, so auf Erden kommen
werden". --

"Und siehe, das vierte Thier war gräulich und schrecklich und sehr
stark und hatte große eiserne Zähne, fraß um sich und zermalmete, und das
übrige zertrat es mit seinen Füßen. Es war auch viel anders denn die an¬
deren Thiere und hatte zehn Hörner. Da ich aber die Hörner schauete, siehe
da brach hervor zwischen denselbigen ein anderes kleines Horn, vor welchem
der vordersten Hörner drei auseinander gerissen wurden. Und siehe, dasselbige
Horn hatte Augen wie Menschenaugen und ein Maul, das redete große
Dinge. -- -- Aber die Heiligen des Höchsten werden das Reich ein"
nehmen und werden es immer und ewiglich besitzen. Und ich sahe dasselbige
Horn streiten wider die Heiligen und es behielt den Sieg wider sie, bis der
Alte kam und Gericht hielt für die Heiligen des Höchsten und die Zeit kam,
daß die Heiligen das Reich einnehmen." Daniel prophezeit dann weiter,
daß dieses vierte Thier das vierte Reich auf Erden und mächtiger sein werde
als alle anderen Reiche. "Es wird alle Lande fressen, zertreten und zermalmen,
Sein König wird den Höchsten lästern und die Heiligen des Höchsten ver-
stören. Und er wird sich unterstehen, Zeit und Gesetz zu ändern. Sie werden
aber in seine Hand gegeben werden eine Zeit und etliche Zeit und eine halbe
Zeit. Darnach wird das Gericht gehalten werden, da wird dann seine Gewalt
weggenommen werden, daß er zu Grunde vertilget und umgebracht werde."

Diese Phantasien des babylonischen Hoftraumdeuters werden gegenwärtig
von der schwarzen Internationale und bei den Franzosen mit Vorliebe betont
und verbreitet. Denn der Scharfsinn des einen wie des anderen weiß ja,
daß mit dem, welcher die Heiligen des Höchsten verstört, niemand anders ge'
meint sein könne als unser Kaiser Weißbart. Auch wissen sie ganz genau
und haben es auch gedruckt verkündigt, daß das von ihnen so bitter gehaßte
deutsche Reich spätestens im September 1874 zu Grunde gehen werde.

Nun schreiben wir diese Zeilen am 12. August; in sechs bis sieben
Wochen muß es also mit diesem Reiche zu Ende sein. Leider gehen aber
die Dinge auf dieser Erde nach wie vor und der Komet, den auch eine Rolle
bei der Vertilgung zugedacht war, hat sich in die ungemessenen Himmelsräuwe
begeben und weiter nichts verübt, als ein gutes Weinjahr, wofür ihm vadi"
canische und nichtvaticanische Winzer am Rhein und Main dankbar sein
werden.

Aber Zweifel an Daniels Gesichte sind unzulässig. Es kam nur darauf
an, den Traum richtig auszulegen und das hat der Witz und Scharfsinn
in Frankreich auch gethan. Das schreckliche, gräuliche Thier kann, selbst¬
verständlich, nur Deutschland sein. Aber die zehn Hörner? das ist auch
klar, Es sind damit die zehn protestantischen Fürsten gemeint, welche einst


Die vier Thiere aber waren „die vier Reiche, so auf Erden kommen
werden". —

„Und siehe, das vierte Thier war gräulich und schrecklich und sehr
stark und hatte große eiserne Zähne, fraß um sich und zermalmete, und das
übrige zertrat es mit seinen Füßen. Es war auch viel anders denn die an¬
deren Thiere und hatte zehn Hörner. Da ich aber die Hörner schauete, siehe
da brach hervor zwischen denselbigen ein anderes kleines Horn, vor welchem
der vordersten Hörner drei auseinander gerissen wurden. Und siehe, dasselbige
Horn hatte Augen wie Menschenaugen und ein Maul, das redete große
Dinge. — — Aber die Heiligen des Höchsten werden das Reich ein«
nehmen und werden es immer und ewiglich besitzen. Und ich sahe dasselbige
Horn streiten wider die Heiligen und es behielt den Sieg wider sie, bis der
Alte kam und Gericht hielt für die Heiligen des Höchsten und die Zeit kam,
daß die Heiligen das Reich einnehmen." Daniel prophezeit dann weiter,
daß dieses vierte Thier das vierte Reich auf Erden und mächtiger sein werde
als alle anderen Reiche. „Es wird alle Lande fressen, zertreten und zermalmen,
Sein König wird den Höchsten lästern und die Heiligen des Höchsten ver-
stören. Und er wird sich unterstehen, Zeit und Gesetz zu ändern. Sie werden
aber in seine Hand gegeben werden eine Zeit und etliche Zeit und eine halbe
Zeit. Darnach wird das Gericht gehalten werden, da wird dann seine Gewalt
weggenommen werden, daß er zu Grunde vertilget und umgebracht werde."

Diese Phantasien des babylonischen Hoftraumdeuters werden gegenwärtig
von der schwarzen Internationale und bei den Franzosen mit Vorliebe betont
und verbreitet. Denn der Scharfsinn des einen wie des anderen weiß ja,
daß mit dem, welcher die Heiligen des Höchsten verstört, niemand anders ge'
meint sein könne als unser Kaiser Weißbart. Auch wissen sie ganz genau
und haben es auch gedruckt verkündigt, daß das von ihnen so bitter gehaßte
deutsche Reich spätestens im September 1874 zu Grunde gehen werde.

Nun schreiben wir diese Zeilen am 12. August; in sechs bis sieben
Wochen muß es also mit diesem Reiche zu Ende sein. Leider gehen aber
die Dinge auf dieser Erde nach wie vor und der Komet, den auch eine Rolle
bei der Vertilgung zugedacht war, hat sich in die ungemessenen Himmelsräuwe
begeben und weiter nichts verübt, als ein gutes Weinjahr, wofür ihm vadi"
canische und nichtvaticanische Winzer am Rhein und Main dankbar sein
werden.

Aber Zweifel an Daniels Gesichte sind unzulässig. Es kam nur darauf
an, den Traum richtig auszulegen und das hat der Witz und Scharfsinn
in Frankreich auch gethan. Das schreckliche, gräuliche Thier kann, selbst¬
verständlich, nur Deutschland sein. Aber die zehn Hörner? das ist auch
klar, Es sind damit die zehn protestantischen Fürsten gemeint, welche einst


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[0358] Die vier Thiere aber waren „die vier Reiche, so auf Erden kommen werden". — „Und siehe, das vierte Thier war gräulich und schrecklich und sehr stark und hatte große eiserne Zähne, fraß um sich und zermalmete, und das übrige zertrat es mit seinen Füßen. Es war auch viel anders denn die an¬ deren Thiere und hatte zehn Hörner. Da ich aber die Hörner schauete, siehe da brach hervor zwischen denselbigen ein anderes kleines Horn, vor welchem der vordersten Hörner drei auseinander gerissen wurden. Und siehe, dasselbige Horn hatte Augen wie Menschenaugen und ein Maul, das redete große Dinge. — — Aber die Heiligen des Höchsten werden das Reich ein« nehmen und werden es immer und ewiglich besitzen. Und ich sahe dasselbige Horn streiten wider die Heiligen und es behielt den Sieg wider sie, bis der Alte kam und Gericht hielt für die Heiligen des Höchsten und die Zeit kam, daß die Heiligen das Reich einnehmen." Daniel prophezeit dann weiter, daß dieses vierte Thier das vierte Reich auf Erden und mächtiger sein werde als alle anderen Reiche. „Es wird alle Lande fressen, zertreten und zermalmen, Sein König wird den Höchsten lästern und die Heiligen des Höchsten ver- stören. Und er wird sich unterstehen, Zeit und Gesetz zu ändern. Sie werden aber in seine Hand gegeben werden eine Zeit und etliche Zeit und eine halbe Zeit. Darnach wird das Gericht gehalten werden, da wird dann seine Gewalt weggenommen werden, daß er zu Grunde vertilget und umgebracht werde." Diese Phantasien des babylonischen Hoftraumdeuters werden gegenwärtig von der schwarzen Internationale und bei den Franzosen mit Vorliebe betont und verbreitet. Denn der Scharfsinn des einen wie des anderen weiß ja, daß mit dem, welcher die Heiligen des Höchsten verstört, niemand anders ge' meint sein könne als unser Kaiser Weißbart. Auch wissen sie ganz genau und haben es auch gedruckt verkündigt, daß das von ihnen so bitter gehaßte deutsche Reich spätestens im September 1874 zu Grunde gehen werde. Nun schreiben wir diese Zeilen am 12. August; in sechs bis sieben Wochen muß es also mit diesem Reiche zu Ende sein. Leider gehen aber die Dinge auf dieser Erde nach wie vor und der Komet, den auch eine Rolle bei der Vertilgung zugedacht war, hat sich in die ungemessenen Himmelsräuwe begeben und weiter nichts verübt, als ein gutes Weinjahr, wofür ihm vadi" canische und nichtvaticanische Winzer am Rhein und Main dankbar sein werden. Aber Zweifel an Daniels Gesichte sind unzulässig. Es kam nur darauf an, den Traum richtig auszulegen und das hat der Witz und Scharfsinn in Frankreich auch gethan. Das schreckliche, gräuliche Thier kann, selbst¬ verständlich, nur Deutschland sein. Aber die zehn Hörner? das ist auch klar, Es sind damit die zehn protestantischen Fürsten gemeint, welche einst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/358>, abgerufen am 28.09.2024.