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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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zusammenfassen: "Sobald der Jäger die Thiere erblickt, hat er sich platt auf
den Bauch und eine Patrone neben sich zu legen, das Gewehr in Anschlag
zu bringen, sich völlig ruhig zu verhalten und erst dann zu schießen, wenn
diese neugierig herbeieilend in nächster Nähe sind. Sollte er demungeachtet
nichts treffen, so möge er das Bombardement immerhin fortsetzen, endlich
wird doch eins der Thiere fallen."

Wir schließen diese Auszüge über die arktische Fauna mit folgenden Be¬
merkungen über das Walroß. "Wenn irgend einem Thiere, so gebührt
dem Walroß der Name Ungeheuer. Es ist ein 3--5 Meter langes, 20 Centner
schweres, fettes von einer 20 Ca. dicken Haut, also einer Art Panzerplatte,
umspanntes Massiv, mit einem Kopfe von unendlicher Häßlichkeit, ziemlich
großen Augen und bis 30 Zoll langen Zähnen (eine Art Elfenbein), welche
dem Thiere dazu dienen, seine Nahrung, hauptsächlich Muscheln, am Meeres¬
boden zu suchen, und mit deren und der Brustflossen Hülfe es die ihm als
Ruheplätze dienenden Eisflösse erklimmt. Seinen Rachen umgeben katzenartig
lange Borsten von der Stärke großer Stopfnadeln. So wahrhaft dämonisch
wie sein Aussehen ist auch seine Stimme -- ein stoßweises kaum nachahm¬
bares Schreien, Bellen. Brüllen und Pusten, welches er oft wiederholt und
in dem er sich zu gefallen scheint. -- Die Tauchzeit ist unsicher bestimmt,
wird aber, glaube ich, hauptsächlich bedingt durch die Zeit, welche das Thier
gehabt hat, sich auf das Tauchen vorzubereiten. Jagt man ein aus dem
Schlaf plötzlich erschrecktes Walroß ins Wasser, so muß es sofort wieder zur
Oberfläche kommen. Jetzt holt es tief Athem! Jagt man es sofort wieder
unter, so kommt es gleich noch einmal zum Borschein. Wiederholt sich dies
etwa fünf bis sechs Mal, so scheint das Walroß sich mit einem Vorrath von
Sauerstoff versehen zu haben; denn jetzt taucht es in wahrem Ernst, und
man sieht es gewöhnlich nicht wieder. -- Die Jagd auf Walrosse ist ein
gefährliches Unternehmen, denn dieselben vermögen bis sechs Zoll dickes Eis
durch ihr wüthendes Emportauchen prasselnd zu durchbrechen. Es ist daher
nothwendig, wenn man ihnen auf nicht ganz solidem alten Eise begegnet,
beständig und rasch den Platz zu wechseln, denn die Walrosse, als Säuge¬
thiere gezwungen ungefähr alle zehn Minuten durch Spalten oder Eislöcher,
welche sie zu diesem Zwecke offen erhalten, an die Oberfläche zu kommen, u>n
Athem zu schöpfen, beachten genau die Richtung und Entfernung ihrer Feinde
und verstehen es, wieder emportauchend, genau die Stelle, wo sie dieselben
zuletzt erblickt, zu treffen und zu zersplittern. Wir hatten öfter Gelegenheit,
uns davon zu überzeugen, so auf der Rückkehr von der Schlittenreise nach
dem Tiroler Fjord. -- Im Sommer 1869 entging eine Bootexcursion nach
dem Kap Wynn mit Mühe der Zertrümmerung ihres Fahrzeuges durch Wal¬
rosse. Ein anderes Mal wurde ein solches, dem es gelang, von einer Heerde


zusammenfassen: „Sobald der Jäger die Thiere erblickt, hat er sich platt auf
den Bauch und eine Patrone neben sich zu legen, das Gewehr in Anschlag
zu bringen, sich völlig ruhig zu verhalten und erst dann zu schießen, wenn
diese neugierig herbeieilend in nächster Nähe sind. Sollte er demungeachtet
nichts treffen, so möge er das Bombardement immerhin fortsetzen, endlich
wird doch eins der Thiere fallen."

Wir schließen diese Auszüge über die arktische Fauna mit folgenden Be¬
merkungen über das Walroß. „Wenn irgend einem Thiere, so gebührt
dem Walroß der Name Ungeheuer. Es ist ein 3—5 Meter langes, 20 Centner
schweres, fettes von einer 20 Ca. dicken Haut, also einer Art Panzerplatte,
umspanntes Massiv, mit einem Kopfe von unendlicher Häßlichkeit, ziemlich
großen Augen und bis 30 Zoll langen Zähnen (eine Art Elfenbein), welche
dem Thiere dazu dienen, seine Nahrung, hauptsächlich Muscheln, am Meeres¬
boden zu suchen, und mit deren und der Brustflossen Hülfe es die ihm als
Ruheplätze dienenden Eisflösse erklimmt. Seinen Rachen umgeben katzenartig
lange Borsten von der Stärke großer Stopfnadeln. So wahrhaft dämonisch
wie sein Aussehen ist auch seine Stimme — ein stoßweises kaum nachahm¬
bares Schreien, Bellen. Brüllen und Pusten, welches er oft wiederholt und
in dem er sich zu gefallen scheint. — Die Tauchzeit ist unsicher bestimmt,
wird aber, glaube ich, hauptsächlich bedingt durch die Zeit, welche das Thier
gehabt hat, sich auf das Tauchen vorzubereiten. Jagt man ein aus dem
Schlaf plötzlich erschrecktes Walroß ins Wasser, so muß es sofort wieder zur
Oberfläche kommen. Jetzt holt es tief Athem! Jagt man es sofort wieder
unter, so kommt es gleich noch einmal zum Borschein. Wiederholt sich dies
etwa fünf bis sechs Mal, so scheint das Walroß sich mit einem Vorrath von
Sauerstoff versehen zu haben; denn jetzt taucht es in wahrem Ernst, und
man sieht es gewöhnlich nicht wieder. — Die Jagd auf Walrosse ist ein
gefährliches Unternehmen, denn dieselben vermögen bis sechs Zoll dickes Eis
durch ihr wüthendes Emportauchen prasselnd zu durchbrechen. Es ist daher
nothwendig, wenn man ihnen auf nicht ganz solidem alten Eise begegnet,
beständig und rasch den Platz zu wechseln, denn die Walrosse, als Säuge¬
thiere gezwungen ungefähr alle zehn Minuten durch Spalten oder Eislöcher,
welche sie zu diesem Zwecke offen erhalten, an die Oberfläche zu kommen, u>n
Athem zu schöpfen, beachten genau die Richtung und Entfernung ihrer Feinde
und verstehen es, wieder emportauchend, genau die Stelle, wo sie dieselben
zuletzt erblickt, zu treffen und zu zersplittern. Wir hatten öfter Gelegenheit,
uns davon zu überzeugen, so auf der Rückkehr von der Schlittenreise nach
dem Tiroler Fjord. — Im Sommer 1869 entging eine Bootexcursion nach
dem Kap Wynn mit Mühe der Zertrümmerung ihres Fahrzeuges durch Wal¬
rosse. Ein anderes Mal wurde ein solches, dem es gelang, von einer Heerde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/354>, abgerufen am 26.06.2024.