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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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und einer Gliederung des Landes gewonnen, welche eine Auflösung desselben
in Jnselform nach Norden in den Bereich der Möglichkeit zieht. Man hatte
die geodätischen und geologischen Kenntnisse unseres (Lcdballs erweitert, impo¬
sante Gletscher gefunden, welche Peschel's Theorie über die Entstehung der
Fjords bestätigten; die Gewißheit erhalten, daß die Eskimos die Nordostküste
lange verlassen haben mußten, das Land mithin völlig unbewohnbar sei.
Endlich und hauptsächlich aber hatte man von dem sogenannten offenen Küsten-
Wasser gegen den Nordpol auch diesmal nichts bemerkt und wiederholt erfah¬
ren, daß die Möglichkeit eines offenen Fahrwassers nach Norden durchaus
von wechselnden localen Ursachen abhängt.

Es kann nicht die Absicht dieses Auszuges sein, über sämmtliche Schlit¬
tenreisen der Germaniamänner, namentlich so weit sie vornehmlich Höhen¬
messungen, meteorologischen, geologischen, geodätischen oder ethnologischen
zoologischen und botanischen Zwecken galten, mit der gleichen Ausführlichkeit
zu berichten. Die Hauptresultate dieser Forschungen werden ohnehin erst in
der zweiten Abtheilung des wissenschaftlichen Theils des Gesammtwerkes ge¬
geben und besprochen werden können. Hier interessirt uns vornehmlich ein
Ueberblick über die geographischen Resultate dieser Nordpolfahrt und die
Kenntniß der Hauptereignisse, welche die tapfere Mannschaft der Germania
erlebte, um diese Resultate zu erreichen. Aus diesem Grunde sollen auch die
beiden andern Schlittenreisen des spätern Frühjahrs, diejenige nach dem Ar-
dencaple-Inlet vom 8. bis 29. Mai, und die wesentlich geodätischen u. s. w.
vom April bis Juni 1870 nach Klein Pendulum und Hochstetters Vorland
hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Die Schwierigkeiten
dieser Schlittenreisen des späteren Frühjahrs und Sommers bestanden haupt¬
sächlich darin, daß der Schlitten durch die nunmehr fast allenthalben zu Schnee¬
sümpfen gewordenen Schneefelder gezogen werden mußte und hier mit aller
Mühe oft nur wenige hundert Schritt des Tages weiter zu bringen war;
sodann aber in der ungeheuren Hitze, welche die den ganzen Tag am Himmel
stehende Sonne ausstrahlte, und die zur Zeit, die wir Nacht nennen, nur
um einige Grade abminderte. Glücklicherweise war nun überall aus Schnee¬
schmelzlachen und frischen Gebirgsbächen Süßwasser im Ueberfluß zu haben
und reiche Jagdbeute überall sicher. Auch waren die Qualen des "Walrosses",
-- wie der Galgenhumor der armen Frühjahrsforscher den schwarzen Eispanzer
von Schlafsaal getauft hatte, ein überwundener Standpunkt. Man schlief
nun wieder auf einfachen Decken in wohliger Luft, in der selbst der einst so
gefürchtete Nordwind, der freilich nun fast ganz einlullte, als willkommener
Kühler der Tageshitze begrüßt wurde. Die größte Gefahr boten beiden spät
heimkehrenden Schlittenpartien die Überschwemmungen des Küsteneises durch
den Fluthgang und bezw. das stellenweise Verschwinden des Eises überhaupt.


und einer Gliederung des Landes gewonnen, welche eine Auflösung desselben
in Jnselform nach Norden in den Bereich der Möglichkeit zieht. Man hatte
die geodätischen und geologischen Kenntnisse unseres (Lcdballs erweitert, impo¬
sante Gletscher gefunden, welche Peschel's Theorie über die Entstehung der
Fjords bestätigten; die Gewißheit erhalten, daß die Eskimos die Nordostküste
lange verlassen haben mußten, das Land mithin völlig unbewohnbar sei.
Endlich und hauptsächlich aber hatte man von dem sogenannten offenen Küsten-
Wasser gegen den Nordpol auch diesmal nichts bemerkt und wiederholt erfah¬
ren, daß die Möglichkeit eines offenen Fahrwassers nach Norden durchaus
von wechselnden localen Ursachen abhängt.

Es kann nicht die Absicht dieses Auszuges sein, über sämmtliche Schlit¬
tenreisen der Germaniamänner, namentlich so weit sie vornehmlich Höhen¬
messungen, meteorologischen, geologischen, geodätischen oder ethnologischen
zoologischen und botanischen Zwecken galten, mit der gleichen Ausführlichkeit
zu berichten. Die Hauptresultate dieser Forschungen werden ohnehin erst in
der zweiten Abtheilung des wissenschaftlichen Theils des Gesammtwerkes ge¬
geben und besprochen werden können. Hier interessirt uns vornehmlich ein
Ueberblick über die geographischen Resultate dieser Nordpolfahrt und die
Kenntniß der Hauptereignisse, welche die tapfere Mannschaft der Germania
erlebte, um diese Resultate zu erreichen. Aus diesem Grunde sollen auch die
beiden andern Schlittenreisen des spätern Frühjahrs, diejenige nach dem Ar-
dencaple-Inlet vom 8. bis 29. Mai, und die wesentlich geodätischen u. s. w.
vom April bis Juni 1870 nach Klein Pendulum und Hochstetters Vorland
hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Die Schwierigkeiten
dieser Schlittenreisen des späteren Frühjahrs und Sommers bestanden haupt¬
sächlich darin, daß der Schlitten durch die nunmehr fast allenthalben zu Schnee¬
sümpfen gewordenen Schneefelder gezogen werden mußte und hier mit aller
Mühe oft nur wenige hundert Schritt des Tages weiter zu bringen war;
sodann aber in der ungeheuren Hitze, welche die den ganzen Tag am Himmel
stehende Sonne ausstrahlte, und die zur Zeit, die wir Nacht nennen, nur
um einige Grade abminderte. Glücklicherweise war nun überall aus Schnee¬
schmelzlachen und frischen Gebirgsbächen Süßwasser im Ueberfluß zu haben
und reiche Jagdbeute überall sicher. Auch waren die Qualen des „Walrosses",
— wie der Galgenhumor der armen Frühjahrsforscher den schwarzen Eispanzer
von Schlafsaal getauft hatte, ein überwundener Standpunkt. Man schlief
nun wieder auf einfachen Decken in wohliger Luft, in der selbst der einst so
gefürchtete Nordwind, der freilich nun fast ganz einlullte, als willkommener
Kühler der Tageshitze begrüßt wurde. Die größte Gefahr boten beiden spät
heimkehrenden Schlittenpartien die Überschwemmungen des Küsteneises durch
den Fluthgang und bezw. das stellenweise Verschwinden des Eises überhaupt.


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[0346] und einer Gliederung des Landes gewonnen, welche eine Auflösung desselben in Jnselform nach Norden in den Bereich der Möglichkeit zieht. Man hatte die geodätischen und geologischen Kenntnisse unseres (Lcdballs erweitert, impo¬ sante Gletscher gefunden, welche Peschel's Theorie über die Entstehung der Fjords bestätigten; die Gewißheit erhalten, daß die Eskimos die Nordostküste lange verlassen haben mußten, das Land mithin völlig unbewohnbar sei. Endlich und hauptsächlich aber hatte man von dem sogenannten offenen Küsten- Wasser gegen den Nordpol auch diesmal nichts bemerkt und wiederholt erfah¬ ren, daß die Möglichkeit eines offenen Fahrwassers nach Norden durchaus von wechselnden localen Ursachen abhängt. Es kann nicht die Absicht dieses Auszuges sein, über sämmtliche Schlit¬ tenreisen der Germaniamänner, namentlich so weit sie vornehmlich Höhen¬ messungen, meteorologischen, geologischen, geodätischen oder ethnologischen zoologischen und botanischen Zwecken galten, mit der gleichen Ausführlichkeit zu berichten. Die Hauptresultate dieser Forschungen werden ohnehin erst in der zweiten Abtheilung des wissenschaftlichen Theils des Gesammtwerkes ge¬ geben und besprochen werden können. Hier interessirt uns vornehmlich ein Ueberblick über die geographischen Resultate dieser Nordpolfahrt und die Kenntniß der Hauptereignisse, welche die tapfere Mannschaft der Germania erlebte, um diese Resultate zu erreichen. Aus diesem Grunde sollen auch die beiden andern Schlittenreisen des spätern Frühjahrs, diejenige nach dem Ar- dencaple-Inlet vom 8. bis 29. Mai, und die wesentlich geodätischen u. s. w. vom April bis Juni 1870 nach Klein Pendulum und Hochstetters Vorland hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Die Schwierigkeiten dieser Schlittenreisen des späteren Frühjahrs und Sommers bestanden haupt¬ sächlich darin, daß der Schlitten durch die nunmehr fast allenthalben zu Schnee¬ sümpfen gewordenen Schneefelder gezogen werden mußte und hier mit aller Mühe oft nur wenige hundert Schritt des Tages weiter zu bringen war; sodann aber in der ungeheuren Hitze, welche die den ganzen Tag am Himmel stehende Sonne ausstrahlte, und die zur Zeit, die wir Nacht nennen, nur um einige Grade abminderte. Glücklicherweise war nun überall aus Schnee¬ schmelzlachen und frischen Gebirgsbächen Süßwasser im Ueberfluß zu haben und reiche Jagdbeute überall sicher. Auch waren die Qualen des „Walrosses", — wie der Galgenhumor der armen Frühjahrsforscher den schwarzen Eispanzer von Schlafsaal getauft hatte, ein überwundener Standpunkt. Man schlief nun wieder auf einfachen Decken in wohliger Luft, in der selbst der einst so gefürchtete Nordwind, der freilich nun fast ganz einlullte, als willkommener Kühler der Tageshitze begrüßt wurde. Die größte Gefahr boten beiden spät heimkehrenden Schlittenpartien die Überschwemmungen des Küsteneises durch den Fluthgang und bezw. das stellenweise Verschwinden des Eises überhaupt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/346>, abgerufen am 26.06.2024.