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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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(Manuschaftszimmer), welches vorläufig nicht mehr Wärme bedürfte, als das
tägliche Kochen in der Kombüse hervorbrachte. Nun aber wurde die Kajüte
erweitert, ihre Breterwände belegte man von außen mit starkem Filz, von
innen mit dickem Wollstoff (eoating), den Fußboden mit einer Decke, mit Filz
und Segeltuch. Das Oberlicht (si^-ii^le.) wurde von außen und innen bedeckt,
so daß vom 9. October ab den ganzen Tag hindurch die Lampen brannten.
Der Ofen erzeugte bei 16 Grad Kälte eine behagliche andauernde Wärme mit
10 Pfd. Kohlen. Zur Abwendung der Feuchtigkeit, die sich erfahrungsmäßig im
arktischen Winter aus den Wasserdämpfen der Luft bildet, an allen relativ
kalten Gegenständen eisig niederschlägt, und dadurch nicht blos schwere Unan¬
nehmlichkeiten, sondern auch Krankheiten nach sich zieht, wurden zwei "Con-
densatoren", nach dem Vorgange von Roß aufgestellt. Es wurden nämlich
2 Zoll große Löcher durch das Deck gebohrt und über dieselben ein nachträglich
mit Schnee bedecktes großes eisernes Hohlgefäß gestellt. An der sehr kalten
Innenseite desselben setzt sich bald aus den condensirten, dorthin aus dem
Schiffsinnern aufsteigenden Wasserdämpfen der Luft eine Eiskruste ab, die dann
von Zeit zu Zeit entfernt wird.

Als Schneeschmelzapparate bei eintretendem Süßwassermangel leisteten
große Töpfe die besten Dienste, von denen einer auf die Kombüse, der andere
auf den Kajütofen gestellt wurde. Endlich wurde am 11. October dem
Schiffe das letzte Winterkleid angezogen. Es wurde nämlich mit einem Wall
von Eisblöcken umgeben. Eine Reihe solcher Blöcke wurde auch von dem
Heat des Schiffes aus in einer Linie nach der kleinen Brücke, die bei der
Sternwarte ans Land führte, aufgestellt, wo sie bald fest froren, und auf
denselben ein Tau bis aufs Land hingezogen. Bei den rasenden Stürmen
des Winters wurde dieses Tau längs der Eisblöcke der einzige Führer und
der unentbehrlichste Halt, um sich vom Land wieder aufs Schiff zu finden
und auch die Jolle wäre vom Sturm fortgerissen worden, wenn sie nicht hier
ein Hemmniß in ihrer wilden Fahrt gefunden hätte. So war man denn
auf der Germania gerüstet und fertig, den Winter zu empfangen, und auf
der trefflich eingerichteten astronomischen, meteorologischen und magnetischen
Station an Land auch während der ewigen arktischen Nacht des nächsten
Halbjahres wissenschaftlich beobachten zu können. Aber vorläufig ließ der
eigentlich nordische Winter mit seinen Stürmen und Schneetreiben noch lange
auf sich warten.

Den größten Theil des September hindurch, den ganzen October bis in
den November hinein erfreute die Seefahrer das schönste klarste Herbstwetter.
Nur je drei Sturmtage gab es im September und October. Das alte Para¬
doxon: "die Windstille ist der herrschende Wind in Ostgrönland", schien sich
auch hier zu bestätigen. Diese günstige Witterung wurde natürlich aufs


(Manuschaftszimmer), welches vorläufig nicht mehr Wärme bedürfte, als das
tägliche Kochen in der Kombüse hervorbrachte. Nun aber wurde die Kajüte
erweitert, ihre Breterwände belegte man von außen mit starkem Filz, von
innen mit dickem Wollstoff (eoating), den Fußboden mit einer Decke, mit Filz
und Segeltuch. Das Oberlicht (si^-ii^le.) wurde von außen und innen bedeckt,
so daß vom 9. October ab den ganzen Tag hindurch die Lampen brannten.
Der Ofen erzeugte bei 16 Grad Kälte eine behagliche andauernde Wärme mit
10 Pfd. Kohlen. Zur Abwendung der Feuchtigkeit, die sich erfahrungsmäßig im
arktischen Winter aus den Wasserdämpfen der Luft bildet, an allen relativ
kalten Gegenständen eisig niederschlägt, und dadurch nicht blos schwere Unan¬
nehmlichkeiten, sondern auch Krankheiten nach sich zieht, wurden zwei „Con-
densatoren", nach dem Vorgange von Roß aufgestellt. Es wurden nämlich
2 Zoll große Löcher durch das Deck gebohrt und über dieselben ein nachträglich
mit Schnee bedecktes großes eisernes Hohlgefäß gestellt. An der sehr kalten
Innenseite desselben setzt sich bald aus den condensirten, dorthin aus dem
Schiffsinnern aufsteigenden Wasserdämpfen der Luft eine Eiskruste ab, die dann
von Zeit zu Zeit entfernt wird.

Als Schneeschmelzapparate bei eintretendem Süßwassermangel leisteten
große Töpfe die besten Dienste, von denen einer auf die Kombüse, der andere
auf den Kajütofen gestellt wurde. Endlich wurde am 11. October dem
Schiffe das letzte Winterkleid angezogen. Es wurde nämlich mit einem Wall
von Eisblöcken umgeben. Eine Reihe solcher Blöcke wurde auch von dem
Heat des Schiffes aus in einer Linie nach der kleinen Brücke, die bei der
Sternwarte ans Land führte, aufgestellt, wo sie bald fest froren, und auf
denselben ein Tau bis aufs Land hingezogen. Bei den rasenden Stürmen
des Winters wurde dieses Tau längs der Eisblöcke der einzige Führer und
der unentbehrlichste Halt, um sich vom Land wieder aufs Schiff zu finden
und auch die Jolle wäre vom Sturm fortgerissen worden, wenn sie nicht hier
ein Hemmniß in ihrer wilden Fahrt gefunden hätte. So war man denn
auf der Germania gerüstet und fertig, den Winter zu empfangen, und auf
der trefflich eingerichteten astronomischen, meteorologischen und magnetischen
Station an Land auch während der ewigen arktischen Nacht des nächsten
Halbjahres wissenschaftlich beobachten zu können. Aber vorläufig ließ der
eigentlich nordische Winter mit seinen Stürmen und Schneetreiben noch lange
auf sich warten.

Den größten Theil des September hindurch, den ganzen October bis in
den November hinein erfreute die Seefahrer das schönste klarste Herbstwetter.
Nur je drei Sturmtage gab es im September und October. Das alte Para¬
doxon: „die Windstille ist der herrschende Wind in Ostgrönland", schien sich
auch hier zu bestätigen. Diese günstige Witterung wurde natürlich aufs


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[0309] (Manuschaftszimmer), welches vorläufig nicht mehr Wärme bedürfte, als das tägliche Kochen in der Kombüse hervorbrachte. Nun aber wurde die Kajüte erweitert, ihre Breterwände belegte man von außen mit starkem Filz, von innen mit dickem Wollstoff (eoating), den Fußboden mit einer Decke, mit Filz und Segeltuch. Das Oberlicht (si^-ii^le.) wurde von außen und innen bedeckt, so daß vom 9. October ab den ganzen Tag hindurch die Lampen brannten. Der Ofen erzeugte bei 16 Grad Kälte eine behagliche andauernde Wärme mit 10 Pfd. Kohlen. Zur Abwendung der Feuchtigkeit, die sich erfahrungsmäßig im arktischen Winter aus den Wasserdämpfen der Luft bildet, an allen relativ kalten Gegenständen eisig niederschlägt, und dadurch nicht blos schwere Unan¬ nehmlichkeiten, sondern auch Krankheiten nach sich zieht, wurden zwei „Con- densatoren", nach dem Vorgange von Roß aufgestellt. Es wurden nämlich 2 Zoll große Löcher durch das Deck gebohrt und über dieselben ein nachträglich mit Schnee bedecktes großes eisernes Hohlgefäß gestellt. An der sehr kalten Innenseite desselben setzt sich bald aus den condensirten, dorthin aus dem Schiffsinnern aufsteigenden Wasserdämpfen der Luft eine Eiskruste ab, die dann von Zeit zu Zeit entfernt wird. Als Schneeschmelzapparate bei eintretendem Süßwassermangel leisteten große Töpfe die besten Dienste, von denen einer auf die Kombüse, der andere auf den Kajütofen gestellt wurde. Endlich wurde am 11. October dem Schiffe das letzte Winterkleid angezogen. Es wurde nämlich mit einem Wall von Eisblöcken umgeben. Eine Reihe solcher Blöcke wurde auch von dem Heat des Schiffes aus in einer Linie nach der kleinen Brücke, die bei der Sternwarte ans Land führte, aufgestellt, wo sie bald fest froren, und auf denselben ein Tau bis aufs Land hingezogen. Bei den rasenden Stürmen des Winters wurde dieses Tau längs der Eisblöcke der einzige Führer und der unentbehrlichste Halt, um sich vom Land wieder aufs Schiff zu finden und auch die Jolle wäre vom Sturm fortgerissen worden, wenn sie nicht hier ein Hemmniß in ihrer wilden Fahrt gefunden hätte. So war man denn auf der Germania gerüstet und fertig, den Winter zu empfangen, und auf der trefflich eingerichteten astronomischen, meteorologischen und magnetischen Station an Land auch während der ewigen arktischen Nacht des nächsten Halbjahres wissenschaftlich beobachten zu können. Aber vorläufig ließ der eigentlich nordische Winter mit seinen Stürmen und Schneetreiben noch lange auf sich warten. Den größten Theil des September hindurch, den ganzen October bis in den November hinein erfreute die Seefahrer das schönste klarste Herbstwetter. Nur je drei Sturmtage gab es im September und October. Das alte Para¬ doxon: „die Windstille ist der herrschende Wind in Ostgrönland", schien sich auch hier zu bestätigen. Diese günstige Witterung wurde natürlich aufs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/309>, abgerufen am 22.07.2024.