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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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mungslos erdrückt worden. So wurde denn das Schiff am 24. September
an die ihm angewiesene Stelle geschafft, 300 Schritt von der westlichen Land¬
spitze entfernt. Zum letzten Male ertönte am Morgen das jedem Seefahrer
so eigenthümlich klingende Kommando "N(Zg.ve ^raker" und das darauf folgende
taktmäßige Klappern der Ankerwinde. Die Anker wurden, da sie jetzt keinen
Nutzen mehr hatten, ganz an Bord genommen. Das Schiff mußte, um an
die vorbeschriebene Stelle gebracht zu werden, von dem nun schon 3 Zoll
dicken Eise losgehauen werden. Die Eissägen und der Gesang der das Schiff
fortziehenden Matrosen tönten munter in den schönen Wintermorgen hinein
und vor Mittag schon war die Arbeit beendet. Bis zum sicheren Einfrieren
wurde das Schiff mit einigen Tauen am Eise und dem nächsten Felsen fest¬
gemacht. Dann lag die Germania für 290 Tage zur Unthätigkeit verdammt,
den Bug gegen Nord-Nord-West gerichtet, um so die Macht der Stürme
möglichst abzuschwächen.

Dann wurde das Schiff bis auf die kahlen Untermasten und Warten
vollständig abgetackelt, Stangen und Raaen, Segel und Tauwerk, das große
Boot, und alle Fässer und Kisten an Land gebracht, ebenso auch Alles, was
an Proviant und anderen Sachen für die Winterszeit nicht gebraucht wurde,
natürlich mit Ausnahme des Bedarfs der Mannschaft für das nächste Halb¬
jahr. Dadurch wurde das Schiff einerseits etwas entlastet, andererseits aber
auf Deck und im Raume bedeutend an Platz gewonnen. Von dem Proviant
wurde auf halber Höhe der Sternwartenhalbinsel ein großes "Depot" errichtet,
auf einer Unterlage von Holz, überdeckt mit Segeln, deren Ränder mit
schweren Steinen gegen die Angriffe der Stürme und Bären gesichert wurden.
Am 26. September war fast alles am Lande. Die Muße nach dem Tagewerk
wurde in heiterster Laune von der Mannschaft mit Schlittschuhlaufen ver¬
bracht. In der letzten September- und ersten Octoberwoche wurden die Vor¬
bereitungen für die Ueberwinterungen vollendet. Um Schnee und Wind vom
Schiff abzuhalten und auch dadurch zur Erwärmung desselben beizutragen
wurde schon jetzt ein Zelt aus starkem Segeltuch über das Schiff ausgespannt
und eine drei Zoll dicke Moosschicht über Deck gelegt. Den Fuß des Zelt¬
daches bildeten der horizontal gelegte große Baum und Schunerbaum. Vom
Vormast senkte sich der Dachfirst zum Fockstag und mit demselben zum Vor¬
dersteven hinab, während über dem Heat das Zelt mit einem mehr senkrechten
Giebel abschloß. An Backbordseite, den an Land errichteten Observatorien
zunächst, befand sich der Ausgang aus dem Zelte, eine kleine verschließbare
Klappe; eine hölzerne Treppe von fünf Stufen führte von da auf das Eis
hinab. Endlich wurde das Schiff noch getheert.

Auch im Innern wurde das Schiff für den Winter hergerichtet. Die
Kajüte befand sich von Anfang an der Wärme halber gleich hinter dem Logis


mungslos erdrückt worden. So wurde denn das Schiff am 24. September
an die ihm angewiesene Stelle geschafft, 300 Schritt von der westlichen Land¬
spitze entfernt. Zum letzten Male ertönte am Morgen das jedem Seefahrer
so eigenthümlich klingende Kommando „N(Zg.ve ^raker" und das darauf folgende
taktmäßige Klappern der Ankerwinde. Die Anker wurden, da sie jetzt keinen
Nutzen mehr hatten, ganz an Bord genommen. Das Schiff mußte, um an
die vorbeschriebene Stelle gebracht zu werden, von dem nun schon 3 Zoll
dicken Eise losgehauen werden. Die Eissägen und der Gesang der das Schiff
fortziehenden Matrosen tönten munter in den schönen Wintermorgen hinein
und vor Mittag schon war die Arbeit beendet. Bis zum sicheren Einfrieren
wurde das Schiff mit einigen Tauen am Eise und dem nächsten Felsen fest¬
gemacht. Dann lag die Germania für 290 Tage zur Unthätigkeit verdammt,
den Bug gegen Nord-Nord-West gerichtet, um so die Macht der Stürme
möglichst abzuschwächen.

Dann wurde das Schiff bis auf die kahlen Untermasten und Warten
vollständig abgetackelt, Stangen und Raaen, Segel und Tauwerk, das große
Boot, und alle Fässer und Kisten an Land gebracht, ebenso auch Alles, was
an Proviant und anderen Sachen für die Winterszeit nicht gebraucht wurde,
natürlich mit Ausnahme des Bedarfs der Mannschaft für das nächste Halb¬
jahr. Dadurch wurde das Schiff einerseits etwas entlastet, andererseits aber
auf Deck und im Raume bedeutend an Platz gewonnen. Von dem Proviant
wurde auf halber Höhe der Sternwartenhalbinsel ein großes „Depot" errichtet,
auf einer Unterlage von Holz, überdeckt mit Segeln, deren Ränder mit
schweren Steinen gegen die Angriffe der Stürme und Bären gesichert wurden.
Am 26. September war fast alles am Lande. Die Muße nach dem Tagewerk
wurde in heiterster Laune von der Mannschaft mit Schlittschuhlaufen ver¬
bracht. In der letzten September- und ersten Octoberwoche wurden die Vor¬
bereitungen für die Ueberwinterungen vollendet. Um Schnee und Wind vom
Schiff abzuhalten und auch dadurch zur Erwärmung desselben beizutragen
wurde schon jetzt ein Zelt aus starkem Segeltuch über das Schiff ausgespannt
und eine drei Zoll dicke Moosschicht über Deck gelegt. Den Fuß des Zelt¬
daches bildeten der horizontal gelegte große Baum und Schunerbaum. Vom
Vormast senkte sich der Dachfirst zum Fockstag und mit demselben zum Vor¬
dersteven hinab, während über dem Heat das Zelt mit einem mehr senkrechten
Giebel abschloß. An Backbordseite, den an Land errichteten Observatorien
zunächst, befand sich der Ausgang aus dem Zelte, eine kleine verschließbare
Klappe; eine hölzerne Treppe von fünf Stufen führte von da auf das Eis
hinab. Endlich wurde das Schiff noch getheert.

Auch im Innern wurde das Schiff für den Winter hergerichtet. Die
Kajüte befand sich von Anfang an der Wärme halber gleich hinter dem Logis


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[0308] mungslos erdrückt worden. So wurde denn das Schiff am 24. September an die ihm angewiesene Stelle geschafft, 300 Schritt von der westlichen Land¬ spitze entfernt. Zum letzten Male ertönte am Morgen das jedem Seefahrer so eigenthümlich klingende Kommando „N(Zg.ve ^raker" und das darauf folgende taktmäßige Klappern der Ankerwinde. Die Anker wurden, da sie jetzt keinen Nutzen mehr hatten, ganz an Bord genommen. Das Schiff mußte, um an die vorbeschriebene Stelle gebracht zu werden, von dem nun schon 3 Zoll dicken Eise losgehauen werden. Die Eissägen und der Gesang der das Schiff fortziehenden Matrosen tönten munter in den schönen Wintermorgen hinein und vor Mittag schon war die Arbeit beendet. Bis zum sicheren Einfrieren wurde das Schiff mit einigen Tauen am Eise und dem nächsten Felsen fest¬ gemacht. Dann lag die Germania für 290 Tage zur Unthätigkeit verdammt, den Bug gegen Nord-Nord-West gerichtet, um so die Macht der Stürme möglichst abzuschwächen. Dann wurde das Schiff bis auf die kahlen Untermasten und Warten vollständig abgetackelt, Stangen und Raaen, Segel und Tauwerk, das große Boot, und alle Fässer und Kisten an Land gebracht, ebenso auch Alles, was an Proviant und anderen Sachen für die Winterszeit nicht gebraucht wurde, natürlich mit Ausnahme des Bedarfs der Mannschaft für das nächste Halb¬ jahr. Dadurch wurde das Schiff einerseits etwas entlastet, andererseits aber auf Deck und im Raume bedeutend an Platz gewonnen. Von dem Proviant wurde auf halber Höhe der Sternwartenhalbinsel ein großes „Depot" errichtet, auf einer Unterlage von Holz, überdeckt mit Segeln, deren Ränder mit schweren Steinen gegen die Angriffe der Stürme und Bären gesichert wurden. Am 26. September war fast alles am Lande. Die Muße nach dem Tagewerk wurde in heiterster Laune von der Mannschaft mit Schlittschuhlaufen ver¬ bracht. In der letzten September- und ersten Octoberwoche wurden die Vor¬ bereitungen für die Ueberwinterungen vollendet. Um Schnee und Wind vom Schiff abzuhalten und auch dadurch zur Erwärmung desselben beizutragen wurde schon jetzt ein Zelt aus starkem Segeltuch über das Schiff ausgespannt und eine drei Zoll dicke Moosschicht über Deck gelegt. Den Fuß des Zelt¬ daches bildeten der horizontal gelegte große Baum und Schunerbaum. Vom Vormast senkte sich der Dachfirst zum Fockstag und mit demselben zum Vor¬ dersteven hinab, während über dem Heat das Zelt mit einem mehr senkrechten Giebel abschloß. An Backbordseite, den an Land errichteten Observatorien zunächst, befand sich der Ausgang aus dem Zelte, eine kleine verschließbare Klappe; eine hölzerne Treppe von fünf Stufen führte von da auf das Eis hinab. Endlich wurde das Schiff noch getheert. Auch im Innern wurde das Schiff für den Winter hergerichtet. Die Kajüte befand sich von Anfang an der Wärme halber gleich hinter dem Logis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/308>, abgerufen am 22.07.2024.