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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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materiellen Erfolges willen des Strebens nicht unwerth ist. Davon aber sind
wir noch weit entfernt.

Was namentlich die Preußische Negierung seit 1870 zu Gunsten der
Universitätslehrer gethan hat, ist anerkennenswert!), aber immer erst eine
Abschlagszahlung. Der flüchtigste Blick auf die Gestaltung der Lebensverhält¬
nisse in den letzten Jahren lehrte die Unmöglichkeit, es beim Alten zu belassen.
Geld genug war vorhanden und so war endlich die Zeit gekommen. wo in
einer den Universitäten günstigen Stimmung der Negierung von dem Ueber-
flusse der Finanzen auch einmal Etwas auf die Professoren fallen konnte.
Nachdem dies in Preußen geschehen, ist das Signal allgemeinhin gegeben.
So wenig man sich in der Dotirung der Gehalte der Gymnasiallehrer dem
Einfluß des Normalgehaltes, der in dem größten deutschen Staate angenom¬
men worden ist, zu entziehen vermag, ebenso wenig dem Einfluß des gewiß
von Niemandem übertrieben zu befindenden Durchschnittssatzes der Professoren¬
gehalte an den preußischen Universitäten. Wir dürfen im Durchschnitt an¬
nehmen, daß der Gehalt eines ordentlichen Professors dort wenigstens 1500
bis 1600 Thaler beträgt, ausschließlich der nicht unbeträchtlichen Wohnungs¬
vergütung von 200 -- 300 Thalern. Unsrer Ueberzeugung nach wird es da¬
bei keineswegs sein Bewenden haben. Wenn nur leidlich die Ebenmäßigkeit
gegenüber den praktischen Staatsbeamten gewahrt werden soll, wird man noch
erheblich hinaufgehen müssen.

Für Jena aber wollen wir die Aussichten auf weitere Erhöhungen in die
Zukunft hierin gar nicht in Anschlag bringen. Schon die Vergleichung mit
dem, was jetzt ringsumher ist. genügt. Daß auch in Jena "die Preis¬
steigerung aller Lebensbedürfnisse und das Sinken des Geldwerthes", womit
die Gehaltsaufbesserungen aller anderen Beamtenklassen motivirt zu werden
Pflegt, nicht spurlos vorübergegangen, begreift sich. Die Billigkeit Jenas ist
längst ein Mythus geworden. Und in demselben Jena, das in Bezug auf
die Preise vieler Dinge selbst den Vergleich mit großen Städten nicht zu
scheuen braucht, ist 1872 kaum ein halbes Dutzend ordentlicher Professoren
erster Klasse, welche den Preußischen Minimalgehalt, eine Minorität, welche
eben den auch für Weimar angenommenen Durchschnittsgehalt der Gymnasial¬
lehrer erreicht, während die größere Anzahl nicht einmal einen Gehalt von
1000 Thalern bezieht! Unter den außerordentlichen Professoren steht es erst
recht so, daß kaum der älteste so dotirt erscheint, wie zur Zeit an preußischen
Universitäten Anfänger des akademischen Berufs nach zwei oder drei Jahren
honorirt werden.

Die Folgen sind handgreiflich. Bei Neuberufungen sind die alten Sätze
in keiner Weise mehr aufrecht zu erhalten. An Berufung hervorragender
akademischer Namen ist gar nicht zu denken! Einzelne Versuche dazu sind


materiellen Erfolges willen des Strebens nicht unwerth ist. Davon aber sind
wir noch weit entfernt.

Was namentlich die Preußische Negierung seit 1870 zu Gunsten der
Universitätslehrer gethan hat, ist anerkennenswert!), aber immer erst eine
Abschlagszahlung. Der flüchtigste Blick auf die Gestaltung der Lebensverhält¬
nisse in den letzten Jahren lehrte die Unmöglichkeit, es beim Alten zu belassen.
Geld genug war vorhanden und so war endlich die Zeit gekommen. wo in
einer den Universitäten günstigen Stimmung der Negierung von dem Ueber-
flusse der Finanzen auch einmal Etwas auf die Professoren fallen konnte.
Nachdem dies in Preußen geschehen, ist das Signal allgemeinhin gegeben.
So wenig man sich in der Dotirung der Gehalte der Gymnasiallehrer dem
Einfluß des Normalgehaltes, der in dem größten deutschen Staate angenom¬
men worden ist, zu entziehen vermag, ebenso wenig dem Einfluß des gewiß
von Niemandem übertrieben zu befindenden Durchschnittssatzes der Professoren¬
gehalte an den preußischen Universitäten. Wir dürfen im Durchschnitt an¬
nehmen, daß der Gehalt eines ordentlichen Professors dort wenigstens 1500
bis 1600 Thaler beträgt, ausschließlich der nicht unbeträchtlichen Wohnungs¬
vergütung von 200 — 300 Thalern. Unsrer Ueberzeugung nach wird es da¬
bei keineswegs sein Bewenden haben. Wenn nur leidlich die Ebenmäßigkeit
gegenüber den praktischen Staatsbeamten gewahrt werden soll, wird man noch
erheblich hinaufgehen müssen.

Für Jena aber wollen wir die Aussichten auf weitere Erhöhungen in die
Zukunft hierin gar nicht in Anschlag bringen. Schon die Vergleichung mit
dem, was jetzt ringsumher ist. genügt. Daß auch in Jena „die Preis¬
steigerung aller Lebensbedürfnisse und das Sinken des Geldwerthes", womit
die Gehaltsaufbesserungen aller anderen Beamtenklassen motivirt zu werden
Pflegt, nicht spurlos vorübergegangen, begreift sich. Die Billigkeit Jenas ist
längst ein Mythus geworden. Und in demselben Jena, das in Bezug auf
die Preise vieler Dinge selbst den Vergleich mit großen Städten nicht zu
scheuen braucht, ist 1872 kaum ein halbes Dutzend ordentlicher Professoren
erster Klasse, welche den Preußischen Minimalgehalt, eine Minorität, welche
eben den auch für Weimar angenommenen Durchschnittsgehalt der Gymnasial¬
lehrer erreicht, während die größere Anzahl nicht einmal einen Gehalt von
1000 Thalern bezieht! Unter den außerordentlichen Professoren steht es erst
recht so, daß kaum der älteste so dotirt erscheint, wie zur Zeit an preußischen
Universitäten Anfänger des akademischen Berufs nach zwei oder drei Jahren
honorirt werden.

Die Folgen sind handgreiflich. Bei Neuberufungen sind die alten Sätze
in keiner Weise mehr aufrecht zu erhalten. An Berufung hervorragender
akademischer Namen ist gar nicht zu denken! Einzelne Versuche dazu sind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/303>, abgerufen am 22.07.2024.