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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Vorgehen der Reichsregierung wohl einen nächsten äußeren Anstoß gab. Allein
die Ursache der Erscheinungen, welche jetzt die Budgets der Universitäten an¬
schwellen, lagen tiefer; so tief, daß nach Naturgesetz die Zeit kommen mußte,
wo endlich auch einmal die gelehrte Arbeit wenigstens einigermaßen ihren
Lohn beanspruchen darf.

Es ließe sich ein langes Kapitel darüber schreiben, in welch unwürdiger
Weise man Jahrzehnte hindurch die Thätigkeit an der Universität belohnt
hat. Abgesehen von einzelnen Ausnahmen war es Usus, die meisten Pro¬
fessoren bei Gehalten zu lassen, die ihnen recht deutlich zu Gemüthe führen
mochten, daß sie zu der Klasse der Schulmeister gehörten. Wir wollen nicht
daran erinnern, wie namentlich auch die Preußische Regierung verfuhr; und
gerade sie war bei der Anzahl der Preußischen Universitäten großentheils ton¬
angebend. Entweder, scheint es, war man der Meinung, daß knapp gehal¬
tene Professoren am besten lehren, oder man machte sich von Kolleggeldern,
Promotionsgebühren und Nebeneinnahmen eine Vorstellung, welche den Neid
selbst höherer Regierungsbeamten erregte und der Neigung, zum Ueberfluß
auch noch hohe Besoldungen zu bewilligen, entgegenarbeitete.

Wie falsch diese Maxime war, so lange als thunlich das Universitäts¬
lehramt möglichst wenig freigebig zu behandeln, bedarf keiner Darlegung.
Die begangenen Sünden haben sich gerächt und werden sich noch mehr rächen-
Niemand kann vernünftiger Weise verlangen, daß in idealem Streben oder
vielmehr in romantischem Taumel der Gelehrte und Lehrer der Wissenschaft
den Mammon verachten und lediglich von dem wissenschaftlichen Ruhme zehren
soll. Mit vollem Recht fordert auch der Gelehrte und Lehrer für seine Arbeit
den gebührenden Lohn und, wenn ihm dieser versagt bleibt, so ist die unaus¬
bleibliche Folge, daß die Lust, eine so wenig lohnende Laufbahn zu ergreifen,
zurückgeschreckt wird. Mühe und Arbeit, Ansprüche an Befähigung und
Wissen in einem Maaße, wie sonst nirgends, selbst pekuniäre Aufwendungen,
vielleicht Jahre des Noviziats hindurch und zur Beschaffung der oft kostspie¬
ligen Hülfsmittel, und dann die Aussicht auf materielle Erfolge von so be¬
scheidenem Maaße, daß ein Vergleich mit den Erfolgen, die in hundert
andern Berufszweigen zu erzielen, gar nicht angestellt werden durfte: will
man sich da noch über die geringe Anzahl von Aspiranten zum Lehramte
der Universitäten wundern. Auch jetzt, nachdem die Lage der Professoren an
den meisten Orten einige Besserung erfahren hat, erschallt von allen Seiten
der Nothschrei wegen mangelnden Nachwuchses und schwerlich wird mit der
Gratifikation, welche in Preußen zum Privatdocententhum anlocken soll, viel
ausgerichtet werden. Um zur akademischen Laufbahn anzuregen gibt es nur
das eine Mittel, das akademische Amt so zu stellen, daß es auch um des


Vorgehen der Reichsregierung wohl einen nächsten äußeren Anstoß gab. Allein
die Ursache der Erscheinungen, welche jetzt die Budgets der Universitäten an¬
schwellen, lagen tiefer; so tief, daß nach Naturgesetz die Zeit kommen mußte,
wo endlich auch einmal die gelehrte Arbeit wenigstens einigermaßen ihren
Lohn beanspruchen darf.

Es ließe sich ein langes Kapitel darüber schreiben, in welch unwürdiger
Weise man Jahrzehnte hindurch die Thätigkeit an der Universität belohnt
hat. Abgesehen von einzelnen Ausnahmen war es Usus, die meisten Pro¬
fessoren bei Gehalten zu lassen, die ihnen recht deutlich zu Gemüthe führen
mochten, daß sie zu der Klasse der Schulmeister gehörten. Wir wollen nicht
daran erinnern, wie namentlich auch die Preußische Regierung verfuhr; und
gerade sie war bei der Anzahl der Preußischen Universitäten großentheils ton¬
angebend. Entweder, scheint es, war man der Meinung, daß knapp gehal¬
tene Professoren am besten lehren, oder man machte sich von Kolleggeldern,
Promotionsgebühren und Nebeneinnahmen eine Vorstellung, welche den Neid
selbst höherer Regierungsbeamten erregte und der Neigung, zum Ueberfluß
auch noch hohe Besoldungen zu bewilligen, entgegenarbeitete.

Wie falsch diese Maxime war, so lange als thunlich das Universitäts¬
lehramt möglichst wenig freigebig zu behandeln, bedarf keiner Darlegung.
Die begangenen Sünden haben sich gerächt und werden sich noch mehr rächen-
Niemand kann vernünftiger Weise verlangen, daß in idealem Streben oder
vielmehr in romantischem Taumel der Gelehrte und Lehrer der Wissenschaft
den Mammon verachten und lediglich von dem wissenschaftlichen Ruhme zehren
soll. Mit vollem Recht fordert auch der Gelehrte und Lehrer für seine Arbeit
den gebührenden Lohn und, wenn ihm dieser versagt bleibt, so ist die unaus¬
bleibliche Folge, daß die Lust, eine so wenig lohnende Laufbahn zu ergreifen,
zurückgeschreckt wird. Mühe und Arbeit, Ansprüche an Befähigung und
Wissen in einem Maaße, wie sonst nirgends, selbst pekuniäre Aufwendungen,
vielleicht Jahre des Noviziats hindurch und zur Beschaffung der oft kostspie¬
ligen Hülfsmittel, und dann die Aussicht auf materielle Erfolge von so be¬
scheidenem Maaße, daß ein Vergleich mit den Erfolgen, die in hundert
andern Berufszweigen zu erzielen, gar nicht angestellt werden durfte: will
man sich da noch über die geringe Anzahl von Aspiranten zum Lehramte
der Universitäten wundern. Auch jetzt, nachdem die Lage der Professoren an
den meisten Orten einige Besserung erfahren hat, erschallt von allen Seiten
der Nothschrei wegen mangelnden Nachwuchses und schwerlich wird mit der
Gratifikation, welche in Preußen zum Privatdocententhum anlocken soll, viel
ausgerichtet werden. Um zur akademischen Laufbahn anzuregen gibt es nur
das eine Mittel, das akademische Amt so zu stellen, daß es auch um des


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[0302] Vorgehen der Reichsregierung wohl einen nächsten äußeren Anstoß gab. Allein die Ursache der Erscheinungen, welche jetzt die Budgets der Universitäten an¬ schwellen, lagen tiefer; so tief, daß nach Naturgesetz die Zeit kommen mußte, wo endlich auch einmal die gelehrte Arbeit wenigstens einigermaßen ihren Lohn beanspruchen darf. Es ließe sich ein langes Kapitel darüber schreiben, in welch unwürdiger Weise man Jahrzehnte hindurch die Thätigkeit an der Universität belohnt hat. Abgesehen von einzelnen Ausnahmen war es Usus, die meisten Pro¬ fessoren bei Gehalten zu lassen, die ihnen recht deutlich zu Gemüthe führen mochten, daß sie zu der Klasse der Schulmeister gehörten. Wir wollen nicht daran erinnern, wie namentlich auch die Preußische Regierung verfuhr; und gerade sie war bei der Anzahl der Preußischen Universitäten großentheils ton¬ angebend. Entweder, scheint es, war man der Meinung, daß knapp gehal¬ tene Professoren am besten lehren, oder man machte sich von Kolleggeldern, Promotionsgebühren und Nebeneinnahmen eine Vorstellung, welche den Neid selbst höherer Regierungsbeamten erregte und der Neigung, zum Ueberfluß auch noch hohe Besoldungen zu bewilligen, entgegenarbeitete. Wie falsch diese Maxime war, so lange als thunlich das Universitäts¬ lehramt möglichst wenig freigebig zu behandeln, bedarf keiner Darlegung. Die begangenen Sünden haben sich gerächt und werden sich noch mehr rächen- Niemand kann vernünftiger Weise verlangen, daß in idealem Streben oder vielmehr in romantischem Taumel der Gelehrte und Lehrer der Wissenschaft den Mammon verachten und lediglich von dem wissenschaftlichen Ruhme zehren soll. Mit vollem Recht fordert auch der Gelehrte und Lehrer für seine Arbeit den gebührenden Lohn und, wenn ihm dieser versagt bleibt, so ist die unaus¬ bleibliche Folge, daß die Lust, eine so wenig lohnende Laufbahn zu ergreifen, zurückgeschreckt wird. Mühe und Arbeit, Ansprüche an Befähigung und Wissen in einem Maaße, wie sonst nirgends, selbst pekuniäre Aufwendungen, vielleicht Jahre des Noviziats hindurch und zur Beschaffung der oft kostspie¬ ligen Hülfsmittel, und dann die Aussicht auf materielle Erfolge von so be¬ scheidenem Maaße, daß ein Vergleich mit den Erfolgen, die in hundert andern Berufszweigen zu erzielen, gar nicht angestellt werden durfte: will man sich da noch über die geringe Anzahl von Aspiranten zum Lehramte der Universitäten wundern. Auch jetzt, nachdem die Lage der Professoren an den meisten Orten einige Besserung erfahren hat, erschallt von allen Seiten der Nothschrei wegen mangelnden Nachwuchses und schwerlich wird mit der Gratifikation, welche in Preußen zum Privatdocententhum anlocken soll, viel ausgerichtet werden. Um zur akademischen Laufbahn anzuregen gibt es nur das eine Mittel, das akademische Amt so zu stellen, daß es auch um des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/302>, abgerufen am 22.07.2024.