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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Problems ist überaus mühevoll; denn es handelt sich dabei um Beseitigung
unendlicher Schwierigkeiten, nicht blos solcher, welche bereits die Natur ge¬
schaffen (z. B. Trennung der Welttheile durch den Ocean), sondern auch der¬
jenigen, welche die Verschiedenartigkeit der Sitten, Gebräuche und
Sprachen der Völker des Erdballs nothwendig im Gefolge hat und die
einer Verständigung über allgemein giltige Normen sehr hinderlich ist.
Und doch müssen die letzteren, sollen sie wirksam sein, einem lebensvollen
Organismus gleichen, der alle Organe, Räder und Federn, seien sie auch
Tausende von Meilen von einander entfernt, zwingt "nach einem festen
Systeme zu dem gemeinschaftlichen Endziel pünktlich und einträchtig zusammen
zu wirken." Den großen Plan, die äisjsotg, mkinbrs, des Weltpostverkehrs
zusammenzufügen, sie nach einem festen Systeme zu ordnen und sich nach
einer allgemein giltigen Form bewegen zu lassen, hat der Chef der deutschen
Reichspost, G eneral-Postdi reel or Stephan gefaßt und gedenkt ihn
dem Congresse von Delegirten aller PostVerwaltungen der Erde vorzulegen,
welcher am 16. September 1874 in Bern zusammentreten soll. Verschmelzung
wenigstens der Mehrzahl aller PostVerwaltungen zu einem Gebiete, soweit
der internationale Verkehr in Betracht kommt, Verwischung der postalischen
Grenzen, Befreiung von jeder Transitgebühr, Feststellung eines mäßigen
Einheitsportos, ungehinderte, völlig freie Bewegung der Korrespondenz, endlich
Erfindung und Herstellung einer neuen Beförderungsmechanik: Das sind die
Grundlinien des Stephan'schen Riesen Plans, der, wenn seine Durchführung
gelingt, dem Weltpostverkehr neue Bahnen vorzeichnen, der Kulturentwickelung
neue Impulse verleihen und die Wirksamkeit des Postwesens weit über die
aller übrigen Anstalten zur Vermittelung des Austausches von Ideen, Nach¬
richten u. s. w. heben wird.

Sehen wir zu, in welcher Weise dieser Plan, der durchaus frei von
utopistischer Leerheit ist, sondern auf völlig realer Basis ruht, verwirklicht
werden soll. Es bedarf wohl nicht der Hervorhebung, daß der Briefaustausch
zwischen zwei souverainen Staaten nur auf Grund von Verträgen er¬
folgen kann, in welchen die speciellen Bedingungen für die Korrespondenz-
bewegung festgesetzt werden. Diese Verträge beruhen meist auf der Basis der
Reciprocität. Da indessen jedem Staate volle Freiheit des Pactirens zusteht,
so unterliegt der Abschluß dieser Verträge und die Vereinbarung ihres In¬
halts mehr oder weniger den Umständen, der Geschicklichkeit der Unterhändler,
richtet sich nach der Stellung des betreffenden Staats in der politischen Macht¬
sphäre oder erfolgt unter dem Einflüsse anderer zufällig wirkenden Factoren.
Die Zahl dieser Verträge im internationalen Postverkehr war und ist Legion;
beispielsweise sei erwähnt, daß Oesterreich noch im Jahre 1847 mit den ver¬
schiedenen Kantonen der Schweiz 17 PostVerträge abgeschlossen hatte, die erst


Problems ist überaus mühevoll; denn es handelt sich dabei um Beseitigung
unendlicher Schwierigkeiten, nicht blos solcher, welche bereits die Natur ge¬
schaffen (z. B. Trennung der Welttheile durch den Ocean), sondern auch der¬
jenigen, welche die Verschiedenartigkeit der Sitten, Gebräuche und
Sprachen der Völker des Erdballs nothwendig im Gefolge hat und die
einer Verständigung über allgemein giltige Normen sehr hinderlich ist.
Und doch müssen die letzteren, sollen sie wirksam sein, einem lebensvollen
Organismus gleichen, der alle Organe, Räder und Federn, seien sie auch
Tausende von Meilen von einander entfernt, zwingt „nach einem festen
Systeme zu dem gemeinschaftlichen Endziel pünktlich und einträchtig zusammen
zu wirken." Den großen Plan, die äisjsotg, mkinbrs, des Weltpostverkehrs
zusammenzufügen, sie nach einem festen Systeme zu ordnen und sich nach
einer allgemein giltigen Form bewegen zu lassen, hat der Chef der deutschen
Reichspost, G eneral-Postdi reel or Stephan gefaßt und gedenkt ihn
dem Congresse von Delegirten aller PostVerwaltungen der Erde vorzulegen,
welcher am 16. September 1874 in Bern zusammentreten soll. Verschmelzung
wenigstens der Mehrzahl aller PostVerwaltungen zu einem Gebiete, soweit
der internationale Verkehr in Betracht kommt, Verwischung der postalischen
Grenzen, Befreiung von jeder Transitgebühr, Feststellung eines mäßigen
Einheitsportos, ungehinderte, völlig freie Bewegung der Korrespondenz, endlich
Erfindung und Herstellung einer neuen Beförderungsmechanik: Das sind die
Grundlinien des Stephan'schen Riesen Plans, der, wenn seine Durchführung
gelingt, dem Weltpostverkehr neue Bahnen vorzeichnen, der Kulturentwickelung
neue Impulse verleihen und die Wirksamkeit des Postwesens weit über die
aller übrigen Anstalten zur Vermittelung des Austausches von Ideen, Nach¬
richten u. s. w. heben wird.

Sehen wir zu, in welcher Weise dieser Plan, der durchaus frei von
utopistischer Leerheit ist, sondern auf völlig realer Basis ruht, verwirklicht
werden soll. Es bedarf wohl nicht der Hervorhebung, daß der Briefaustausch
zwischen zwei souverainen Staaten nur auf Grund von Verträgen er¬
folgen kann, in welchen die speciellen Bedingungen für die Korrespondenz-
bewegung festgesetzt werden. Diese Verträge beruhen meist auf der Basis der
Reciprocität. Da indessen jedem Staate volle Freiheit des Pactirens zusteht,
so unterliegt der Abschluß dieser Verträge und die Vereinbarung ihres In¬
halts mehr oder weniger den Umständen, der Geschicklichkeit der Unterhändler,
richtet sich nach der Stellung des betreffenden Staats in der politischen Macht¬
sphäre oder erfolgt unter dem Einflüsse anderer zufällig wirkenden Factoren.
Die Zahl dieser Verträge im internationalen Postverkehr war und ist Legion;
beispielsweise sei erwähnt, daß Oesterreich noch im Jahre 1847 mit den ver¬
schiedenen Kantonen der Schweiz 17 PostVerträge abgeschlossen hatte, die erst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/284>, abgerufen am 22.07.2024.