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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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(Den 30. Januar, auf dem Erfurter Weg gestürzt. Aerger über die
Pferdewirthschaft. Knebel krank, mit Reisebeschreibungen sich labend.)

sDen 1. Februar. Conseil. Dumme Luft drinne. Fataler Humor
von Fr.*) Der Herzog zu viel gesprochen. Das Thauwetter war mir in den
Gliedern und die Stube warm. Mit dem Herzog gegessen, nach Tisch einige
Erklärung über: zu viel Reden, fallen lassen, sich vergeben, seine Ausdrücke
mäßigen, Sachen in der Hitze zur Sprache bringen, die nicht geredt werden
sollten. Auch über die militairischen Macaroni's. Der Herzog steht noch
immer an der Form stille.**) Falsche Anwendung auf seinen Zustand, was
man bey andern gut und groß findet. Verblendung am äußerlichen Ueber¬
tünchen.) Ich habe eben die Fehler beim Bauwesen gemacht. Die Kriegs¬
kommission werde ich gut versehen, weil ich bey dem Geschäft gar keine Ima¬
gination habe; gar nichts hervor bringen will, nur das was da ist recht ken¬
nen und ordentlich haben will. So auch mit dem Wegbau.***) So-j-) schwer
ist der Punct: wenn einem ein Dritter etwas räth oder einen Mangel ent¬
deckt und die Mittel anzeigt, wo dieses gehoben werden könnte, weil so oft
der Eigennutz der Menschen ins Spiel kommt, die nur neue Etats machen
wollen, um bey der Gelegenheit sich und den Ihrigen eine Zulage zuzuschieben,
neue Einrichtungen, um sichs bequemer zu machen, Leute in Versorgung zu
schieben u. s. w. Durch diese wiederholten Erfahrungen wird man so mi߬
trauisch, daß man sich fast zuletzt scheut, den Staub abwischen zu lassen.
In keine Lässigkeit oder Unthätigkeit zu fallen, ist deswegen schwer.

sDen 2. Februar Brief von Kraft.)

IDen 14. Februar früh Iphigenia angefangen zu dictiren. Spazieren
in dem Thal. Nach Tische im Garten Bäume und Sträucher durchstört.)

Diese Zeit her hab ich meist gesucht mich in Geschäften aufrecht zu er¬
halten und bei allen Vorfällen fest zu seyn und ruhig.)

IDen 12. März. Von Allstedt ab mit Castrop nach Weimar. Stein¬
bruch, unterwegs gedacht.)

IDen 13. März. Alles durchgesehen, leidlich gefunden. Abends vorgelesen
die drei ersten Acte von Iphigenie. Der Herzog und Knebel bleiben da, essen.)

sDen 28. März früh Denstedt). Abends Iphigenie geendigt.

sDen 29. März ein toller Tag, aus einem ins andere, von früh für-






') v. Fritsch.
") Dieser Passus zwar bei Riemer benutzt, aber Riemer hütet sich wohl, diese Stelle für
Goethe's und des Herzogs Verhältnisse zu verwerthen. Riemer sagt daher lieber: daß man
noch immer an der Form still stehe!
Ueber Goethe's Thätigkeit für den Wegbau bedarf es noch einer besondern Darstellung.
5> Das folgende bei Riemer benutzt, aber wieder in eine ganz andere nicht zulässige Ver¬
bindung gebracht; denn alles dies bezieht sich eben speciell auf die Kriegs- und Wegbau¬
kommission.

(Den 30. Januar, auf dem Erfurter Weg gestürzt. Aerger über die
Pferdewirthschaft. Knebel krank, mit Reisebeschreibungen sich labend.)

sDen 1. Februar. Conseil. Dumme Luft drinne. Fataler Humor
von Fr.*) Der Herzog zu viel gesprochen. Das Thauwetter war mir in den
Gliedern und die Stube warm. Mit dem Herzog gegessen, nach Tisch einige
Erklärung über: zu viel Reden, fallen lassen, sich vergeben, seine Ausdrücke
mäßigen, Sachen in der Hitze zur Sprache bringen, die nicht geredt werden
sollten. Auch über die militairischen Macaroni's. Der Herzog steht noch
immer an der Form stille.**) Falsche Anwendung auf seinen Zustand, was
man bey andern gut und groß findet. Verblendung am äußerlichen Ueber¬
tünchen.) Ich habe eben die Fehler beim Bauwesen gemacht. Die Kriegs¬
kommission werde ich gut versehen, weil ich bey dem Geschäft gar keine Ima¬
gination habe; gar nichts hervor bringen will, nur das was da ist recht ken¬
nen und ordentlich haben will. So auch mit dem Wegbau.***) So-j-) schwer
ist der Punct: wenn einem ein Dritter etwas räth oder einen Mangel ent¬
deckt und die Mittel anzeigt, wo dieses gehoben werden könnte, weil so oft
der Eigennutz der Menschen ins Spiel kommt, die nur neue Etats machen
wollen, um bey der Gelegenheit sich und den Ihrigen eine Zulage zuzuschieben,
neue Einrichtungen, um sichs bequemer zu machen, Leute in Versorgung zu
schieben u. s. w. Durch diese wiederholten Erfahrungen wird man so mi߬
trauisch, daß man sich fast zuletzt scheut, den Staub abwischen zu lassen.
In keine Lässigkeit oder Unthätigkeit zu fallen, ist deswegen schwer.

sDen 2. Februar Brief von Kraft.)

IDen 14. Februar früh Iphigenia angefangen zu dictiren. Spazieren
in dem Thal. Nach Tische im Garten Bäume und Sträucher durchstört.)

Diese Zeit her hab ich meist gesucht mich in Geschäften aufrecht zu er¬
halten und bei allen Vorfällen fest zu seyn und ruhig.)

IDen 12. März. Von Allstedt ab mit Castrop nach Weimar. Stein¬
bruch, unterwegs gedacht.)

IDen 13. März. Alles durchgesehen, leidlich gefunden. Abends vorgelesen
die drei ersten Acte von Iphigenie. Der Herzog und Knebel bleiben da, essen.)

sDen 28. März früh Denstedt). Abends Iphigenie geendigt.

sDen 29. März ein toller Tag, aus einem ins andere, von früh für-






') v. Fritsch.
") Dieser Passus zwar bei Riemer benutzt, aber Riemer hütet sich wohl, diese Stelle für
Goethe's und des Herzogs Verhältnisse zu verwerthen. Riemer sagt daher lieber: daß man
noch immer an der Form still stehe!
Ueber Goethe's Thätigkeit für den Wegbau bedarf es noch einer besondern Darstellung.
5> Das folgende bei Riemer benutzt, aber wieder in eine ganz andere nicht zulässige Ver¬
bindung gebracht; denn alles dies bezieht sich eben speciell auf die Kriegs- und Wegbau¬
kommission.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/28>, abgerufen am 22.07.2024.