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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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selber im vollsten Maße ausgesetzten Kanal nach der Südseite der Shannon-
Insel zurückziehen müsse, um diese Insel wissenschaftlich zu untersuchen und
von ihren Hügeln aus eine günstige Chance zum Vordringen nach Norden
abzuwarten. Dieß geschah denn auch. Am 15. August ging man unter
Segel, am 16. Mittags konnte an der Ostseite des Kaps Philipp Brote an
der Küste von Shannon geankert werden. In den nun folgenden Tagen
wurde die Lage, Ausdehnung und der Charakter der Insel Shannon gründ¬
lich studirt. Man fand längst verlassene Eskimobauten und -Geräthe, eine
Fülle von Moosen und Kräutern, interessante Basaltsäulen, hatte von der
mit Mühe erstiegenen "Tellsplatte" einen prachtvollen Anblick auf die grönlän¬
dische Küste, hörte zum ersten Mal das klagende Singen des Eises, machte
die wichtigsten Erfahrungen über die Brauchbarkeit aller Geräthe und Ge¬
schirre, die man anführte, schoß einen Polarfuchs, Eisbären, ein Walroß
u. f. w.. erfreute sich des fröhlichen Vogellebens am Strande und entdeckte
und erlegte hier zum ersten Mal einen Moschusochsen.

Darüber heißt es: "Wir erstiegen eine Anhöhe von etwa 74 Meter und
waren eben beschäftigt, zur Firirung eines Beobachtungspunktes, einen Stein¬
mann zu bauen, als wir in der Ferne ein großes merkwürdig aussehendes
Thier bemerkten, welches weder Eisbär noch Rennthier sein konnte. An
Moschusochsen dachten wir nicht im Entferntesten, da von dem Vorkommen
solcher auf Ostgrönland in der einschlägigen Literatur nirgends die Rede war.
Es setzte uns daher in nicht geringe Verwunderung, als wir schließlich erkann¬
ten, welches Thier wir vor uns hatten. Das Thier wurde sofort gejagt und
von Peter Iversen mit einigen guten Schüssen getödtet. Alle, die entbehrt
werden konnten, gingen sofort hin. um das merkwürdige Geschöpf zu sehen.
Es war ein erwachsenes Männchen. Mit welchem Erstaunen betrachteten wir
die mächtigen Hörner und die wundervolle Bedeckung von Haar und Wolle,
so wohl geeignet, das Thier gegen die grimmige Kälte des Nordens- zu
schützen! Der charakteristische Moschusgeruch war nicht sehr auffallend, obgleich
sofort erkennbar. Das Fleisch dieses ersten erlegten Moschus ochsen war sehr
wohlschmeckend und labten wir uns einmal wieder an frischen Beefsteaks. In
der Folge entdeckten wir, daß die ganze Küste bis 77 Grad hinauf von diesen
Wiederkäuern belebt war. Oft wurden sie in Heerden bis zu 16 Stück in
den Niederungen und Thälern und an den Bergen angetroffen. Ja, es ver¬
dient bemerkt zu werden, daß die Moschusochsen bis 71 Grad hinauf zuzu¬
nehmen schienen, nach Süden dagegen sich ihre Zahl bedeutend verminderte.
Bei den Rennthieren scheint das umgekehrte Verhältniß obzuwalten. Nörd¬
lich von 75^ Grad haben wir kein einziges Rennthier mehr bemerkt." Es
sei hier, zur Vervollständigung der Charakteristik des merkwürdigen Thieres,
gleich einer Jagd erwähnt, welche am 13. September und die folgenden Tage


selber im vollsten Maße ausgesetzten Kanal nach der Südseite der Shannon-
Insel zurückziehen müsse, um diese Insel wissenschaftlich zu untersuchen und
von ihren Hügeln aus eine günstige Chance zum Vordringen nach Norden
abzuwarten. Dieß geschah denn auch. Am 15. August ging man unter
Segel, am 16. Mittags konnte an der Ostseite des Kaps Philipp Brote an
der Küste von Shannon geankert werden. In den nun folgenden Tagen
wurde die Lage, Ausdehnung und der Charakter der Insel Shannon gründ¬
lich studirt. Man fand längst verlassene Eskimobauten und -Geräthe, eine
Fülle von Moosen und Kräutern, interessante Basaltsäulen, hatte von der
mit Mühe erstiegenen „Tellsplatte" einen prachtvollen Anblick auf die grönlän¬
dische Küste, hörte zum ersten Mal das klagende Singen des Eises, machte
die wichtigsten Erfahrungen über die Brauchbarkeit aller Geräthe und Ge¬
schirre, die man anführte, schoß einen Polarfuchs, Eisbären, ein Walroß
u. f. w.. erfreute sich des fröhlichen Vogellebens am Strande und entdeckte
und erlegte hier zum ersten Mal einen Moschusochsen.

Darüber heißt es: „Wir erstiegen eine Anhöhe von etwa 74 Meter und
waren eben beschäftigt, zur Firirung eines Beobachtungspunktes, einen Stein¬
mann zu bauen, als wir in der Ferne ein großes merkwürdig aussehendes
Thier bemerkten, welches weder Eisbär noch Rennthier sein konnte. An
Moschusochsen dachten wir nicht im Entferntesten, da von dem Vorkommen
solcher auf Ostgrönland in der einschlägigen Literatur nirgends die Rede war.
Es setzte uns daher in nicht geringe Verwunderung, als wir schließlich erkann¬
ten, welches Thier wir vor uns hatten. Das Thier wurde sofort gejagt und
von Peter Iversen mit einigen guten Schüssen getödtet. Alle, die entbehrt
werden konnten, gingen sofort hin. um das merkwürdige Geschöpf zu sehen.
Es war ein erwachsenes Männchen. Mit welchem Erstaunen betrachteten wir
die mächtigen Hörner und die wundervolle Bedeckung von Haar und Wolle,
so wohl geeignet, das Thier gegen die grimmige Kälte des Nordens- zu
schützen! Der charakteristische Moschusgeruch war nicht sehr auffallend, obgleich
sofort erkennbar. Das Fleisch dieses ersten erlegten Moschus ochsen war sehr
wohlschmeckend und labten wir uns einmal wieder an frischen Beefsteaks. In
der Folge entdeckten wir, daß die ganze Küste bis 77 Grad hinauf von diesen
Wiederkäuern belebt war. Oft wurden sie in Heerden bis zu 16 Stück in
den Niederungen und Thälern und an den Bergen angetroffen. Ja, es ver¬
dient bemerkt zu werden, daß die Moschusochsen bis 71 Grad hinauf zuzu¬
nehmen schienen, nach Süden dagegen sich ihre Zahl bedeutend verminderte.
Bei den Rennthieren scheint das umgekehrte Verhältniß obzuwalten. Nörd¬
lich von 75^ Grad haben wir kein einziges Rennthier mehr bemerkt." Es
sei hier, zur Vervollständigung der Charakteristik des merkwürdigen Thieres,
gleich einer Jagd erwähnt, welche am 13. September und die folgenden Tage


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/268>, abgerufen am 22.07.2024.