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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Bei den nothwendigen Ingenieur-Arbeiten kamen den Deutschen zuweilen
ihre bergmännischen Fertigkeiten zu Gute. Carpesanus schreibt das Sprengen
einer Brücke den "Vermanis, inZemosis viris" zu, und Jägius rühmt beson¬
ders den Hauptmann Glürn, der dieselbe "instrumentis körreis mirabili arte
ni meäio rsseiuäit." *)

Aber leider bot das Leben der Besatzung keineswegs nur erfreuliche Seiten
dar. Es war nicht nur das äußere Elend, der selten strenge Winter, der bis
zur Hungersnoth gesteigerte Mangel**); schlimmer war der nationale Gegen¬
satz zwischen den Besatzungstruppen. -- Jenes treuherzige Landsknechtslied
meldet freilich nichts von den tiefen Spaltungen, welche innerhalb der Gar¬
nison, namentlich zwischen Leyva und Hohenzollern bestanden. Der Spanier
war Kommandant, aber die weitüberwiegende Truppenmacht stand unter dem
deutschen Obersten. Wie nun Geldmangel, ansteckende Krankheiten und
Hungersnoth immer drängender auftraten und Plünderung und Kirchenraub
täglich im Gefolge hatten, da verschärften sich Eifersucht und Meinungsver¬
schiedenheit zum furchtbarsten Haß, dem Graf Eitelfritz endlich zum Opfer
fiel. Allerdings brachen unter den Deutschen Meutereien aus, welche nur
mit Mühe durch die Hauptleute beschwichtigt wurden; ja es sollen sogar An¬
schläge entdeckt worden sein, um dem Feinde die Thore zu öffnen, und diese
Umstände benutzte Don Antonio, um den verhaßten Eitel Friedrich zu ver¬
derben. Er streute die Verläumdung aus, der Graf habe um jene Verrätherei
gewußt und hielt sich nun zur heimtückischen Gewaltthat für berechtigt. Der
Spanier Sandoval in seiner Geschichte Karl's V. versichert, der Hohenzoller
sei von Leyva an dessen eigener Tafel vergiftet worden; Leyva behauptete,
der Graf habe sich todtgetrunken. Vielleicht war das Gift ein grimmiger
Aerger, der durch nachfolgendes Zechen tödtlich wurde. Wie dem auch sei,
gewiß ist, daß die Zustände in Pavia während der viermonatlicher Belagerung
durch Entbehrung und Zwiespalt gleich furchtbar wurden und daß die zähe
Energie des spanischen Kommandanten wie die schlagfertige Tüchtigkeit der
deutschen Besatzung gleich respectabel sind. Leyva rühmte besonders den jungen
Caspar Frundsberg, der sich hier zum Hauptmann aufschwang; der habe ihn
selbst guten Muths erhalten. -- Wiederholte Ausfälle hielten die Garnison
frisch. So überraschte Leyva die in der westlichen Vorstadt lagernden Schwei¬
zer, die den Sicherheitsdienst nachlässig versahen. Sie wurden überrumpelt,
in die Flucht getrieben und ein Theil derselben gefangen. Ebenso erging es
bald daraus den Graubündnern, die sogar 2 Kanonen, alle ihre Fahnen und
ihr ganzes Gepäck verloren. -- Auch das Heer bei Lodi gab Ende November




") ^asgius: Oe ovsiaiao Fivvnsis. ?Api" 1525.
Ein El galt 20 Kreuzer, ein Huhn 3 Ducaten, ein Pfund Pferde- oder Eselfleisch 7
Kreuzer, ein Pfund Schmalz 1 Ducaten.
Grenzboten III. 1874. Z

Bei den nothwendigen Ingenieur-Arbeiten kamen den Deutschen zuweilen
ihre bergmännischen Fertigkeiten zu Gute. Carpesanus schreibt das Sprengen
einer Brücke den «Vermanis, inZemosis viris" zu, und Jägius rühmt beson¬
ders den Hauptmann Glürn, der dieselbe «instrumentis körreis mirabili arte
ni meäio rsseiuäit." *)

Aber leider bot das Leben der Besatzung keineswegs nur erfreuliche Seiten
dar. Es war nicht nur das äußere Elend, der selten strenge Winter, der bis
zur Hungersnoth gesteigerte Mangel**); schlimmer war der nationale Gegen¬
satz zwischen den Besatzungstruppen. — Jenes treuherzige Landsknechtslied
meldet freilich nichts von den tiefen Spaltungen, welche innerhalb der Gar¬
nison, namentlich zwischen Leyva und Hohenzollern bestanden. Der Spanier
war Kommandant, aber die weitüberwiegende Truppenmacht stand unter dem
deutschen Obersten. Wie nun Geldmangel, ansteckende Krankheiten und
Hungersnoth immer drängender auftraten und Plünderung und Kirchenraub
täglich im Gefolge hatten, da verschärften sich Eifersucht und Meinungsver¬
schiedenheit zum furchtbarsten Haß, dem Graf Eitelfritz endlich zum Opfer
fiel. Allerdings brachen unter den Deutschen Meutereien aus, welche nur
mit Mühe durch die Hauptleute beschwichtigt wurden; ja es sollen sogar An¬
schläge entdeckt worden sein, um dem Feinde die Thore zu öffnen, und diese
Umstände benutzte Don Antonio, um den verhaßten Eitel Friedrich zu ver¬
derben. Er streute die Verläumdung aus, der Graf habe um jene Verrätherei
gewußt und hielt sich nun zur heimtückischen Gewaltthat für berechtigt. Der
Spanier Sandoval in seiner Geschichte Karl's V. versichert, der Hohenzoller
sei von Leyva an dessen eigener Tafel vergiftet worden; Leyva behauptete,
der Graf habe sich todtgetrunken. Vielleicht war das Gift ein grimmiger
Aerger, der durch nachfolgendes Zechen tödtlich wurde. Wie dem auch sei,
gewiß ist, daß die Zustände in Pavia während der viermonatlicher Belagerung
durch Entbehrung und Zwiespalt gleich furchtbar wurden und daß die zähe
Energie des spanischen Kommandanten wie die schlagfertige Tüchtigkeit der
deutschen Besatzung gleich respectabel sind. Leyva rühmte besonders den jungen
Caspar Frundsberg, der sich hier zum Hauptmann aufschwang; der habe ihn
selbst guten Muths erhalten. — Wiederholte Ausfälle hielten die Garnison
frisch. So überraschte Leyva die in der westlichen Vorstadt lagernden Schwei¬
zer, die den Sicherheitsdienst nachlässig versahen. Sie wurden überrumpelt,
in die Flucht getrieben und ein Theil derselben gefangen. Ebenso erging es
bald daraus den Graubündnern, die sogar 2 Kanonen, alle ihre Fahnen und
ihr ganzes Gepäck verloren. — Auch das Heer bei Lodi gab Ende November




") ^asgius: Oe ovsiaiao Fivvnsis. ?Api» 1525.
Ein El galt 20 Kreuzer, ein Huhn 3 Ducaten, ein Pfund Pferde- oder Eselfleisch 7
Kreuzer, ein Pfund Schmalz 1 Ducaten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/25>, abgerufen am 24.08.2024.