Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einzelnen Abschnittes nachdem er jedesmal eine vortrefflich geschriebene all¬
gemeine Charakteristik der betreffenden Bauperiode vorausgeschickt hat, die
historische Darstellungsweise mit der topographischen zu verweben gewußt,
wobei er die erstere natürlich in der Regel an die Geschichte der Bauunter¬
nehmer -- Kaiser, Fürsten, Bischöfe, Klöster --, die letztere an die erhaltenen
Denkmäler selbst anknüpft. Zum ersten Male hat er übrigens, und hierin
liegt ein ganz besonderer Werth des Buches, neben den kirchlichen auch die
Profanbauten der romanischen Zeit -- Städtebefestigungen, Burgen, Wohn¬
gebäude, Heerstraßen, Brücken- und Wasserbauten -- eingehend im Zusammen¬
hange behandelt.

Für die Darstellung ist es ausschlaggebend gewesen, daß Otte von jeher
mehr auf dem Standpunkte des Alterthumsforschers als dem des Kunst¬
historikers gestanden hat. Daher die strenge und einigermaßen kühle Objec-
tivität, mit der das ganze Werk geschrieben ist. Otte verschmäht es durchaus
nicht, auf die Schönheit und künstlerische Bedeutung eines Bauwerkes oder
irgend eines einzelnen constructiver oder ornamentalen Baugliedes durch ein
charakteristisches Epitheton aufmerksam zu machen; aber für gewöhnlich begnügt
er sich damit, klar und einfach die Thatsachen zu verzeichnen und diese That¬
sachen selber reden zu lassen. Dadurch büßt die Darstellung gewiß nicht das
geringste an wirklichem Interesse ein, im Gegentheil, diese selbstlose Objec-
tivität muß vielleicht, streng genommen, als ein Vorzug gelten; sie gewinnt
aber auch nicht jenen begeisternden und unwillkürlich mit fortreißenden
Zug, welcher Lübke's Geschichte der deutschen Renaissance bei all ihrer Ge¬
lehrsamkeit doch zu einem so liebenswürdigen Buche macht. Auch Otte würde
es von niemand verübelt werden, wenn er ein wenig mehr durchblicken ließe,
wie er doch mit ganzem Herzen und voller Begeisterung hinter seiner Sache
steht. -- Die Verlagshandlung hat das Werk, wie es nicht anders zu er¬
warten, mit solidester Eleganz ausgestattet. Ueber dreihundert zum größten
Theil vortreffliche Holzschnitte, klar und kräftig gedruckt, illustriren den Text;
außerdem sind zwei Kupfertafeln mit architektonischen Details, eine litho¬
graphische Nachbildung des erhaltenen Bauplanes von Se. Gallen aus dem
9. Jahrhundert und eine Terrainzeichnung des ältesten Berlin beigegeben.

An dieses Capitalwerk reihen wir einen kleinen Beitrag zur Dürer¬
litteratur: "Untersuchungen über Albrecht Dürer" von Alfred
v. Sattel. (Berlin, Weidmann.) Das höchst splendid ausgestattete
Schriftchen enthält vier verschiedene Aufsätze, von denen die drei letzten
Bemerkungen zu Dürer's Kupferstichen und Holzschnitten; die Medaillen
Dürer's; Vasari über Dürer -- nur für den Kunstwissenschafter und Sammler
bestimmt sind, während dagegen der erste auch das Interesse weiterer Kreise
beanspruchen darf. Sattel versucht es nämlich darin, nochmals eine Lanze


einzelnen Abschnittes nachdem er jedesmal eine vortrefflich geschriebene all¬
gemeine Charakteristik der betreffenden Bauperiode vorausgeschickt hat, die
historische Darstellungsweise mit der topographischen zu verweben gewußt,
wobei er die erstere natürlich in der Regel an die Geschichte der Bauunter¬
nehmer — Kaiser, Fürsten, Bischöfe, Klöster —, die letztere an die erhaltenen
Denkmäler selbst anknüpft. Zum ersten Male hat er übrigens, und hierin
liegt ein ganz besonderer Werth des Buches, neben den kirchlichen auch die
Profanbauten der romanischen Zeit — Städtebefestigungen, Burgen, Wohn¬
gebäude, Heerstraßen, Brücken- und Wasserbauten — eingehend im Zusammen¬
hange behandelt.

Für die Darstellung ist es ausschlaggebend gewesen, daß Otte von jeher
mehr auf dem Standpunkte des Alterthumsforschers als dem des Kunst¬
historikers gestanden hat. Daher die strenge und einigermaßen kühle Objec-
tivität, mit der das ganze Werk geschrieben ist. Otte verschmäht es durchaus
nicht, auf die Schönheit und künstlerische Bedeutung eines Bauwerkes oder
irgend eines einzelnen constructiver oder ornamentalen Baugliedes durch ein
charakteristisches Epitheton aufmerksam zu machen; aber für gewöhnlich begnügt
er sich damit, klar und einfach die Thatsachen zu verzeichnen und diese That¬
sachen selber reden zu lassen. Dadurch büßt die Darstellung gewiß nicht das
geringste an wirklichem Interesse ein, im Gegentheil, diese selbstlose Objec-
tivität muß vielleicht, streng genommen, als ein Vorzug gelten; sie gewinnt
aber auch nicht jenen begeisternden und unwillkürlich mit fortreißenden
Zug, welcher Lübke's Geschichte der deutschen Renaissance bei all ihrer Ge¬
lehrsamkeit doch zu einem so liebenswürdigen Buche macht. Auch Otte würde
es von niemand verübelt werden, wenn er ein wenig mehr durchblicken ließe,
wie er doch mit ganzem Herzen und voller Begeisterung hinter seiner Sache
steht. — Die Verlagshandlung hat das Werk, wie es nicht anders zu er¬
warten, mit solidester Eleganz ausgestattet. Ueber dreihundert zum größten
Theil vortreffliche Holzschnitte, klar und kräftig gedruckt, illustriren den Text;
außerdem sind zwei Kupfertafeln mit architektonischen Details, eine litho¬
graphische Nachbildung des erhaltenen Bauplanes von Se. Gallen aus dem
9. Jahrhundert und eine Terrainzeichnung des ältesten Berlin beigegeben.

An dieses Capitalwerk reihen wir einen kleinen Beitrag zur Dürer¬
litteratur: „Untersuchungen über Albrecht Dürer" von Alfred
v. Sattel. (Berlin, Weidmann.) Das höchst splendid ausgestattete
Schriftchen enthält vier verschiedene Aufsätze, von denen die drei letzten
Bemerkungen zu Dürer's Kupferstichen und Holzschnitten; die Medaillen
Dürer's; Vasari über Dürer — nur für den Kunstwissenschafter und Sammler
bestimmt sind, während dagegen der erste auch das Interesse weiterer Kreise
beanspruchen darf. Sattel versucht es nämlich darin, nochmals eine Lanze


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131930"/>
          <p xml:id="ID_839" prev="#ID_838"> einzelnen Abschnittes nachdem er jedesmal eine vortrefflich geschriebene all¬<lb/>
gemeine Charakteristik der betreffenden Bauperiode vorausgeschickt hat, die<lb/>
historische Darstellungsweise mit der topographischen zu verweben gewußt,<lb/>
wobei er die erstere natürlich in der Regel an die Geschichte der Bauunter¬<lb/>
nehmer &#x2014; Kaiser, Fürsten, Bischöfe, Klöster &#x2014;, die letztere an die erhaltenen<lb/>
Denkmäler selbst anknüpft. Zum ersten Male hat er übrigens, und hierin<lb/>
liegt ein ganz besonderer Werth des Buches, neben den kirchlichen auch die<lb/>
Profanbauten der romanischen Zeit &#x2014; Städtebefestigungen, Burgen, Wohn¬<lb/>
gebäude, Heerstraßen, Brücken- und Wasserbauten &#x2014; eingehend im Zusammen¬<lb/>
hange behandelt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_840"> Für die Darstellung ist es ausschlaggebend gewesen, daß Otte von jeher<lb/>
mehr auf dem Standpunkte des Alterthumsforschers als dem des Kunst¬<lb/>
historikers gestanden hat. Daher die strenge und einigermaßen kühle Objec-<lb/>
tivität, mit der das ganze Werk geschrieben ist. Otte verschmäht es durchaus<lb/>
nicht, auf die Schönheit und künstlerische Bedeutung eines Bauwerkes oder<lb/>
irgend eines einzelnen constructiver oder ornamentalen Baugliedes durch ein<lb/>
charakteristisches Epitheton aufmerksam zu machen; aber für gewöhnlich begnügt<lb/>
er sich damit, klar und einfach die Thatsachen zu verzeichnen und diese That¬<lb/>
sachen selber reden zu lassen. Dadurch büßt die Darstellung gewiß nicht das<lb/>
geringste an wirklichem Interesse ein, im Gegentheil, diese selbstlose Objec-<lb/>
tivität muß vielleicht, streng genommen, als ein Vorzug gelten; sie gewinnt<lb/>
aber auch nicht jenen begeisternden und unwillkürlich mit fortreißenden<lb/>
Zug, welcher Lübke's Geschichte der deutschen Renaissance bei all ihrer Ge¬<lb/>
lehrsamkeit doch zu einem so liebenswürdigen Buche macht. Auch Otte würde<lb/>
es von niemand verübelt werden, wenn er ein wenig mehr durchblicken ließe,<lb/>
wie er doch mit ganzem Herzen und voller Begeisterung hinter seiner Sache<lb/>
steht. &#x2014; Die Verlagshandlung hat das Werk, wie es nicht anders zu er¬<lb/>
warten, mit solidester Eleganz ausgestattet. Ueber dreihundert zum größten<lb/>
Theil vortreffliche Holzschnitte, klar und kräftig gedruckt, illustriren den Text;<lb/>
außerdem sind zwei Kupfertafeln mit architektonischen Details, eine litho¬<lb/>
graphische Nachbildung des erhaltenen Bauplanes von Se. Gallen aus dem<lb/>
9. Jahrhundert und eine Terrainzeichnung des ältesten Berlin beigegeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_841" next="#ID_842"> An dieses Capitalwerk reihen wir einen kleinen Beitrag zur Dürer¬<lb/>
litteratur: &#x201E;Untersuchungen über Albrecht Dürer" von Alfred<lb/>
v. Sattel. (Berlin, Weidmann.) Das höchst splendid ausgestattete<lb/>
Schriftchen enthält vier verschiedene Aufsätze, von denen die drei letzten<lb/>
Bemerkungen zu Dürer's Kupferstichen und Holzschnitten; die Medaillen<lb/>
Dürer's; Vasari über Dürer &#x2014; nur für den Kunstwissenschafter und Sammler<lb/>
bestimmt sind, während dagegen der erste auch das Interesse weiterer Kreise<lb/>
beanspruchen darf. Sattel versucht es nämlich darin, nochmals eine Lanze</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0236] einzelnen Abschnittes nachdem er jedesmal eine vortrefflich geschriebene all¬ gemeine Charakteristik der betreffenden Bauperiode vorausgeschickt hat, die historische Darstellungsweise mit der topographischen zu verweben gewußt, wobei er die erstere natürlich in der Regel an die Geschichte der Bauunter¬ nehmer — Kaiser, Fürsten, Bischöfe, Klöster —, die letztere an die erhaltenen Denkmäler selbst anknüpft. Zum ersten Male hat er übrigens, und hierin liegt ein ganz besonderer Werth des Buches, neben den kirchlichen auch die Profanbauten der romanischen Zeit — Städtebefestigungen, Burgen, Wohn¬ gebäude, Heerstraßen, Brücken- und Wasserbauten — eingehend im Zusammen¬ hange behandelt. Für die Darstellung ist es ausschlaggebend gewesen, daß Otte von jeher mehr auf dem Standpunkte des Alterthumsforschers als dem des Kunst¬ historikers gestanden hat. Daher die strenge und einigermaßen kühle Objec- tivität, mit der das ganze Werk geschrieben ist. Otte verschmäht es durchaus nicht, auf die Schönheit und künstlerische Bedeutung eines Bauwerkes oder irgend eines einzelnen constructiver oder ornamentalen Baugliedes durch ein charakteristisches Epitheton aufmerksam zu machen; aber für gewöhnlich begnügt er sich damit, klar und einfach die Thatsachen zu verzeichnen und diese That¬ sachen selber reden zu lassen. Dadurch büßt die Darstellung gewiß nicht das geringste an wirklichem Interesse ein, im Gegentheil, diese selbstlose Objec- tivität muß vielleicht, streng genommen, als ein Vorzug gelten; sie gewinnt aber auch nicht jenen begeisternden und unwillkürlich mit fortreißenden Zug, welcher Lübke's Geschichte der deutschen Renaissance bei all ihrer Ge¬ lehrsamkeit doch zu einem so liebenswürdigen Buche macht. Auch Otte würde es von niemand verübelt werden, wenn er ein wenig mehr durchblicken ließe, wie er doch mit ganzem Herzen und voller Begeisterung hinter seiner Sache steht. — Die Verlagshandlung hat das Werk, wie es nicht anders zu er¬ warten, mit solidester Eleganz ausgestattet. Ueber dreihundert zum größten Theil vortreffliche Holzschnitte, klar und kräftig gedruckt, illustriren den Text; außerdem sind zwei Kupfertafeln mit architektonischen Details, eine litho¬ graphische Nachbildung des erhaltenen Bauplanes von Se. Gallen aus dem 9. Jahrhundert und eine Terrainzeichnung des ältesten Berlin beigegeben. An dieses Capitalwerk reihen wir einen kleinen Beitrag zur Dürer¬ litteratur: „Untersuchungen über Albrecht Dürer" von Alfred v. Sattel. (Berlin, Weidmann.) Das höchst splendid ausgestattete Schriftchen enthält vier verschiedene Aufsätze, von denen die drei letzten Bemerkungen zu Dürer's Kupferstichen und Holzschnitten; die Medaillen Dürer's; Vasari über Dürer — nur für den Kunstwissenschafter und Sammler bestimmt sind, während dagegen der erste auch das Interesse weiterer Kreise beanspruchen darf. Sattel versucht es nämlich darin, nochmals eine Lanze

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/236
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/236>, abgerufen am 22.07.2024.