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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Graf Götz u. f. w. hervortrat, zertrümmert. Der rheinische Merkur wurde
unterdrückt, Sack nach Pommern versetzt und die von der Stadt Coblenz und
der Landschaft übergebene Adresse, in welcher um landständische Verfassung
gebeten war, mit Unwillen zurückgewiesen. Görres, der Feind Frankreichs,
mußte, um nicht ungehört in den Spandauer Festungsmauern für immer zu
verstummen, nach Straßburg fliehen und Arndt, der kühne deutsche Patriot,
mußte die schönsten Mannesjahre im Ruhestand verleben, während Mühlenfels,
Procurator in Cöln, seinen gesetzlichen Richtern entzogen und nach Berlin in
die Stadtvogtei gebracht wurde. Natürlich entstand eine allgemeine Verstim¬
mung, welche dadurch noch vermehrt wurde, daß fast alle höheren Stellen in
der Rheinprovinz mit altpreußischen protestantischen Beamten besetzt wurden,
von denen nicht wenige durch ihr, übermüthiges Wesen und ihr pedantisches
Zopfthum den unangenehmsten Eindruck machten und zwar umsomehr, als
es ihnen nicht möglich war, sich in das frische leichte Leben der Rheinländer
zu finden und sie daher in abgesonderter Stellung beharrten. Denselben
schlechten Eindruck machte das Militair. Der Rheinländer konnte sich nur
schwer in das eigenthümliche Wesen der adeligen Offiziere finden. Auch war
die allgemeine Verpflichtung zum Militärdienst der engherzigen Bourgeoisie
unangenehm, da sie gewohnt war, sich durch Stellvertretung loszukaufen.
Andererseits wurde bei denen, die freisinniger und volkstümlicher dachten,
der Mißmuth dadurch vermehrt, daß der Adel und selbst der aus andern
Provinzen abstammende, begünstigt, alte Adelsrechte wieder eingeführt, die
Adels-Vereinigungen unterstützt und mit Privilegien versehen, und Versuche
gemacht wurden, ihm aufs Neue einen eximirten Gerichtsstand zu verschaffen,
Mit einem Worte, daß man sich in aller Weise bemühte, den Feudalismus
zu befördern. Hierzu kam noch die äußere Stellung Preußens. Während in
seinem Innern die Reaction von Jahr zu Jahr mehr Oberhand gewonnen
hatte, wurde seine äußere Stellung immer mehr zurückgedrängt und dem
Willen Metternich's und Rußlands unterworfen. Gerade was der Rheinländer
so sehr gewünscht hatte, die selbständige Bedeutung des Staates, dem er sich
angeschlossen, war nicht erreicht. Viel würde vielleicht die Persönlichkeit eines
hervorragenden, populären Herrschers ausgeglichen haben, aber das bürger¬
liche, zurückgezogene und wortkarge Wesen Friedrich Wilhelm's III. konnte den
frischen, lebendigen Geist der Rheinländer nicht ansprechen. Sie liebten Na¬
turen, wie die des Kronprinzen, frisch, geistig und mittheilend.

Wenn nun aber auch der König wenig Sympathien für sich erweckt
hatte und das politische Verhalten der Regierung, die Beförderung des Feudal¬
wesens, die reactionairen Maßregeln und das Verfahren der altpreußischen
Beamten und Offiziere Antipathien erwecken mußten, fo wurden diese Anti¬
pathien doch dadurch verringert, daß die Negierung in den Rheinlanden mehr


Graf Götz u. f. w. hervortrat, zertrümmert. Der rheinische Merkur wurde
unterdrückt, Sack nach Pommern versetzt und die von der Stadt Coblenz und
der Landschaft übergebene Adresse, in welcher um landständische Verfassung
gebeten war, mit Unwillen zurückgewiesen. Görres, der Feind Frankreichs,
mußte, um nicht ungehört in den Spandauer Festungsmauern für immer zu
verstummen, nach Straßburg fliehen und Arndt, der kühne deutsche Patriot,
mußte die schönsten Mannesjahre im Ruhestand verleben, während Mühlenfels,
Procurator in Cöln, seinen gesetzlichen Richtern entzogen und nach Berlin in
die Stadtvogtei gebracht wurde. Natürlich entstand eine allgemeine Verstim¬
mung, welche dadurch noch vermehrt wurde, daß fast alle höheren Stellen in
der Rheinprovinz mit altpreußischen protestantischen Beamten besetzt wurden,
von denen nicht wenige durch ihr, übermüthiges Wesen und ihr pedantisches
Zopfthum den unangenehmsten Eindruck machten und zwar umsomehr, als
es ihnen nicht möglich war, sich in das frische leichte Leben der Rheinländer
zu finden und sie daher in abgesonderter Stellung beharrten. Denselben
schlechten Eindruck machte das Militair. Der Rheinländer konnte sich nur
schwer in das eigenthümliche Wesen der adeligen Offiziere finden. Auch war
die allgemeine Verpflichtung zum Militärdienst der engherzigen Bourgeoisie
unangenehm, da sie gewohnt war, sich durch Stellvertretung loszukaufen.
Andererseits wurde bei denen, die freisinniger und volkstümlicher dachten,
der Mißmuth dadurch vermehrt, daß der Adel und selbst der aus andern
Provinzen abstammende, begünstigt, alte Adelsrechte wieder eingeführt, die
Adels-Vereinigungen unterstützt und mit Privilegien versehen, und Versuche
gemacht wurden, ihm aufs Neue einen eximirten Gerichtsstand zu verschaffen,
Mit einem Worte, daß man sich in aller Weise bemühte, den Feudalismus
zu befördern. Hierzu kam noch die äußere Stellung Preußens. Während in
seinem Innern die Reaction von Jahr zu Jahr mehr Oberhand gewonnen
hatte, wurde seine äußere Stellung immer mehr zurückgedrängt und dem
Willen Metternich's und Rußlands unterworfen. Gerade was der Rheinländer
so sehr gewünscht hatte, die selbständige Bedeutung des Staates, dem er sich
angeschlossen, war nicht erreicht. Viel würde vielleicht die Persönlichkeit eines
hervorragenden, populären Herrschers ausgeglichen haben, aber das bürger¬
liche, zurückgezogene und wortkarge Wesen Friedrich Wilhelm's III. konnte den
frischen, lebendigen Geist der Rheinländer nicht ansprechen. Sie liebten Na¬
turen, wie die des Kronprinzen, frisch, geistig und mittheilend.

Wenn nun aber auch der König wenig Sympathien für sich erweckt
hatte und das politische Verhalten der Regierung, die Beförderung des Feudal¬
wesens, die reactionairen Maßregeln und das Verfahren der altpreußischen
Beamten und Offiziere Antipathien erwecken mußten, fo wurden diese Anti¬
pathien doch dadurch verringert, daß die Negierung in den Rheinlanden mehr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/211>, abgerufen am 22.07.2024.