Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

freundliche Bereitwilligkeit desselben geschlossen werden, auch andere Nationen
mit diesem prickelnden Ersrischungsmittel für die todten Monate zu versorgen.

Daß der Verfasser seinerseits weit davon entfernt ist, sich als Lücken¬
büßer für die Hundstage zu betrachten, darf als ausgemacht betrachtet werden ;
Seine Auffassung der nordschleswigschen Frage ist diejenige, welche vor etwas
länger als fünf Jahren wenige deutsche und viele französische und öster¬
reichische Zeitungen einnahmen. Damals gab es für unsere Feinde und
unsere Memmen keinen besseren Popanz als den Art. V. des Prager Friedens
d. h. eben diese sog. nordschleswigsche Frage, um dem erstarkenden Deutschland
"graulich zu machen", wenn es wieder einen Schritt vorwärts thun wollte.
Dem Verfasser wird heute noch graulich davor und er giebt sich die größte
Mühe, uns in diese bängliche Stimmung zu verflechten. Als Motto wählt
er sich die Verse Schiller's:


Weil des Liedes Stimmen schweigen,
Von dem überwundnen Mann,
So will ich für Hector zeugen.
Hub der Sohn des Tydeus an.

Es wäre gerecht gewesen, die Strophe ganz zu citiren. Der "Sohn des
Tydeus" rühmt nämlich von dem erschlagenen Hector:


Der für seine Hausaltäre
Kämpfend, ein Beschirmer, siel --
Krone den Sieger größre Ehre,
Ehret ihn das schönre Ziel.

Der Herr Verfasser würde vermuthlich in einiger Verlegenheit sich befinden,
wenn er uns auf die Frage antworten sollte wo, die Dänen bei Misfunde
auf Düppel, Alsen und am Sundewitt autochthon-dänische "Hausaltäre"
in nennenswerther Zahl besessen, oder wo sie sich weiter nördlich für
wirklich dänische Hausaltäre geschlagen haben. Nicht minder sauer würde
dem Verfasser (der sich, wie wir sehen werden, bei jeder Gelegenheit für einen
begeisterten deutschen Patrioten ausgiebt) die Antwort auf die andere Frage
werden: warum denn die Deutschen im Kriege gegen Dänemark durch ein
Winter "schönes Ziel geehrt" werden als ihre Feinde! Doch das sind Neben¬
sachen. Man mag immerhin mit dem Verfasser die Unterstellung entrüstet
Zurückweisen, seine Wiederbelebung der nordschleswigschen Frage verfolge den¬
selben Zweck wie jene dreißigjährigen Anekdoten, die jetzt wieder die Runde
durch alle Zeitungen machen. Dann regt sich aber die Frage: wie kommt
der Mann dazu, gerade über diese Frage zu schreiben. Denn wer heute über
Art. V. des Prager Friedens schreibt, bedarf in der That einer besonderen
Legitimation. Das erkennt auch der Verfasser an, indem er vor Eintritt in
die Verhandlungen seine Vollmacht vorzeigt. Diese ist allerdings in den
Augen deutscher Kritik etwas seltsam beschaffen. Hören wir ihn darüber


freundliche Bereitwilligkeit desselben geschlossen werden, auch andere Nationen
mit diesem prickelnden Ersrischungsmittel für die todten Monate zu versorgen.

Daß der Verfasser seinerseits weit davon entfernt ist, sich als Lücken¬
büßer für die Hundstage zu betrachten, darf als ausgemacht betrachtet werden ;
Seine Auffassung der nordschleswigschen Frage ist diejenige, welche vor etwas
länger als fünf Jahren wenige deutsche und viele französische und öster¬
reichische Zeitungen einnahmen. Damals gab es für unsere Feinde und
unsere Memmen keinen besseren Popanz als den Art. V. des Prager Friedens
d. h. eben diese sog. nordschleswigsche Frage, um dem erstarkenden Deutschland
„graulich zu machen", wenn es wieder einen Schritt vorwärts thun wollte.
Dem Verfasser wird heute noch graulich davor und er giebt sich die größte
Mühe, uns in diese bängliche Stimmung zu verflechten. Als Motto wählt
er sich die Verse Schiller's:


Weil des Liedes Stimmen schweigen,
Von dem überwundnen Mann,
So will ich für Hector zeugen.
Hub der Sohn des Tydeus an.

Es wäre gerecht gewesen, die Strophe ganz zu citiren. Der „Sohn des
Tydeus" rühmt nämlich von dem erschlagenen Hector:


Der für seine Hausaltäre
Kämpfend, ein Beschirmer, siel —
Krone den Sieger größre Ehre,
Ehret ihn das schönre Ziel.

Der Herr Verfasser würde vermuthlich in einiger Verlegenheit sich befinden,
wenn er uns auf die Frage antworten sollte wo, die Dänen bei Misfunde
auf Düppel, Alsen und am Sundewitt autochthon-dänische „Hausaltäre"
in nennenswerther Zahl besessen, oder wo sie sich weiter nördlich für
wirklich dänische Hausaltäre geschlagen haben. Nicht minder sauer würde
dem Verfasser (der sich, wie wir sehen werden, bei jeder Gelegenheit für einen
begeisterten deutschen Patrioten ausgiebt) die Antwort auf die andere Frage
werden: warum denn die Deutschen im Kriege gegen Dänemark durch ein
Winter „schönes Ziel geehrt" werden als ihre Feinde! Doch das sind Neben¬
sachen. Man mag immerhin mit dem Verfasser die Unterstellung entrüstet
Zurückweisen, seine Wiederbelebung der nordschleswigschen Frage verfolge den¬
selben Zweck wie jene dreißigjährigen Anekdoten, die jetzt wieder die Runde
durch alle Zeitungen machen. Dann regt sich aber die Frage: wie kommt
der Mann dazu, gerade über diese Frage zu schreiben. Denn wer heute über
Art. V. des Prager Friedens schreibt, bedarf in der That einer besonderen
Legitimation. Das erkennt auch der Verfasser an, indem er vor Eintritt in
die Verhandlungen seine Vollmacht vorzeigt. Diese ist allerdings in den
Augen deutscher Kritik etwas seltsam beschaffen. Hören wir ihn darüber


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131893"/>
          <p xml:id="ID_749" prev="#ID_748"> freundliche Bereitwilligkeit desselben geschlossen werden, auch andere Nationen<lb/>
mit diesem prickelnden Ersrischungsmittel für die todten Monate zu versorgen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_750"> Daß der Verfasser seinerseits weit davon entfernt ist, sich als Lücken¬<lb/>
büßer für die Hundstage zu betrachten, darf als ausgemacht betrachtet werden ;<lb/>
Seine Auffassung der nordschleswigschen Frage ist diejenige, welche vor etwas<lb/>
länger als fünf Jahren wenige deutsche und viele französische und öster¬<lb/>
reichische Zeitungen einnahmen. Damals gab es für unsere Feinde und<lb/>
unsere Memmen keinen besseren Popanz als den Art. V. des Prager Friedens<lb/>
d. h. eben diese sog. nordschleswigsche Frage, um dem erstarkenden Deutschland<lb/>
&#x201E;graulich zu machen", wenn es wieder einen Schritt vorwärts thun wollte.<lb/>
Dem Verfasser wird heute noch graulich davor und er giebt sich die größte<lb/>
Mühe, uns in diese bängliche Stimmung zu verflechten. Als Motto wählt<lb/>
er sich die Verse Schiller's:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_22" type="poem">
              <l> Weil des Liedes Stimmen schweigen,<lb/>
Von dem überwundnen Mann,<lb/>
So will ich für Hector zeugen.<lb/>
Hub der Sohn des Tydeus an.</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_751"> Es wäre gerecht gewesen, die Strophe ganz zu citiren.  Der &#x201E;Sohn des<lb/>
Tydeus" rühmt nämlich von dem erschlagenen Hector:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_23" type="poem">
              <l> Der für seine Hausaltäre<lb/>
Kämpfend, ein Beschirmer, siel &#x2014;<lb/>
Krone den Sieger größre Ehre,<lb/>
Ehret ihn das schönre Ziel.</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_752" next="#ID_753"> Der Herr Verfasser würde vermuthlich in einiger Verlegenheit sich befinden,<lb/>
wenn er uns auf die Frage antworten sollte wo, die Dänen bei Misfunde<lb/>
auf Düppel, Alsen und am Sundewitt autochthon-dänische &#x201E;Hausaltäre"<lb/>
in nennenswerther Zahl besessen, oder wo sie sich weiter nördlich für<lb/>
wirklich dänische Hausaltäre geschlagen haben. Nicht minder sauer würde<lb/>
dem Verfasser (der sich, wie wir sehen werden, bei jeder Gelegenheit für einen<lb/>
begeisterten deutschen Patrioten ausgiebt) die Antwort auf die andere Frage<lb/>
werden: warum denn die Deutschen im Kriege gegen Dänemark durch ein<lb/>
Winter &#x201E;schönes Ziel geehrt" werden als ihre Feinde! Doch das sind Neben¬<lb/>
sachen. Man mag immerhin mit dem Verfasser die Unterstellung entrüstet<lb/>
Zurückweisen, seine Wiederbelebung der nordschleswigschen Frage verfolge den¬<lb/>
selben Zweck wie jene dreißigjährigen Anekdoten, die jetzt wieder die Runde<lb/>
durch alle Zeitungen machen. Dann regt sich aber die Frage: wie kommt<lb/>
der Mann dazu, gerade über diese Frage zu schreiben. Denn wer heute über<lb/>
Art. V. des Prager Friedens schreibt, bedarf in der That einer besonderen<lb/>
Legitimation. Das erkennt auch der Verfasser an, indem er vor Eintritt in<lb/>
die Verhandlungen seine Vollmacht vorzeigt. Diese ist allerdings in den<lb/>
Augen deutscher Kritik etwas seltsam beschaffen.  Hören wir ihn darüber</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0199] freundliche Bereitwilligkeit desselben geschlossen werden, auch andere Nationen mit diesem prickelnden Ersrischungsmittel für die todten Monate zu versorgen. Daß der Verfasser seinerseits weit davon entfernt ist, sich als Lücken¬ büßer für die Hundstage zu betrachten, darf als ausgemacht betrachtet werden ; Seine Auffassung der nordschleswigschen Frage ist diejenige, welche vor etwas länger als fünf Jahren wenige deutsche und viele französische und öster¬ reichische Zeitungen einnahmen. Damals gab es für unsere Feinde und unsere Memmen keinen besseren Popanz als den Art. V. des Prager Friedens d. h. eben diese sog. nordschleswigsche Frage, um dem erstarkenden Deutschland „graulich zu machen", wenn es wieder einen Schritt vorwärts thun wollte. Dem Verfasser wird heute noch graulich davor und er giebt sich die größte Mühe, uns in diese bängliche Stimmung zu verflechten. Als Motto wählt er sich die Verse Schiller's: Weil des Liedes Stimmen schweigen, Von dem überwundnen Mann, So will ich für Hector zeugen. Hub der Sohn des Tydeus an. Es wäre gerecht gewesen, die Strophe ganz zu citiren. Der „Sohn des Tydeus" rühmt nämlich von dem erschlagenen Hector: Der für seine Hausaltäre Kämpfend, ein Beschirmer, siel — Krone den Sieger größre Ehre, Ehret ihn das schönre Ziel. Der Herr Verfasser würde vermuthlich in einiger Verlegenheit sich befinden, wenn er uns auf die Frage antworten sollte wo, die Dänen bei Misfunde auf Düppel, Alsen und am Sundewitt autochthon-dänische „Hausaltäre" in nennenswerther Zahl besessen, oder wo sie sich weiter nördlich für wirklich dänische Hausaltäre geschlagen haben. Nicht minder sauer würde dem Verfasser (der sich, wie wir sehen werden, bei jeder Gelegenheit für einen begeisterten deutschen Patrioten ausgiebt) die Antwort auf die andere Frage werden: warum denn die Deutschen im Kriege gegen Dänemark durch ein Winter „schönes Ziel geehrt" werden als ihre Feinde! Doch das sind Neben¬ sachen. Man mag immerhin mit dem Verfasser die Unterstellung entrüstet Zurückweisen, seine Wiederbelebung der nordschleswigschen Frage verfolge den¬ selben Zweck wie jene dreißigjährigen Anekdoten, die jetzt wieder die Runde durch alle Zeitungen machen. Dann regt sich aber die Frage: wie kommt der Mann dazu, gerade über diese Frage zu schreiben. Denn wer heute über Art. V. des Prager Friedens schreibt, bedarf in der That einer besonderen Legitimation. Das erkennt auch der Verfasser an, indem er vor Eintritt in die Verhandlungen seine Vollmacht vorzeigt. Diese ist allerdings in den Augen deutscher Kritik etwas seltsam beschaffen. Hören wir ihn darüber

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/199
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/199>, abgerufen am 22.07.2024.