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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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und Se. Antonio, welche sich nordwestlich von Funchal an den Bergen hinauf¬
ziehen. Nach dem kleinen aber sehr heimelig gelegenen Landsitz zurückgekehrt,
empfingen die Damen uns und wir wurden mit einem Lunch regalirt, welches
ganz den Charakter eines Diner hatte, nur daß es statt um 6 oder 7 Uhr,
um 2 Uhr eingenommen wurde. Ein Mahl zu 5 Personen, wo eine all¬
gemeine Unterhaltung geführt werden kann, hat leicht einen gemüthlichen An¬
strich; trotz der englischen Cörper^ation und der gänzlichen Unbekanntschaft
mit den Personen und den Sitten fühlte man sich komfortabel und ich darf
nicht vergessen zu bemerken, daß ich vielleicht zum ersten Mal in meinem
Leben einen Madeira-Wein kostete, der wirklich echt und unverfälscht war, aber
auch köstlich mundete. Nach dem Lunch eine Cigarre im Freien bei einer
Tasse Caffee erhöhte die behagliche Stimmung wo möglich noch mehr. Ein
Gleiches mochte wohl mein Mitgast empfinden, der gar keine Anstalten zum
Aufbrechen machte, während die Gewohnheit bei solchen Einladungen zum
Lunch doch einen frühen Aufbruch rechtfertigte. Ein leichter Regen, der in
den Bergen nicht selten ist und den man in Funchal selbst gewiß nicht hatte,
trieb uns ins Haus und nachdem er vorüber, schickten wir uns zum Aufbruch
an, von unserm Wirthe bis zur Schlittenstation neben der Kirche begleitet.
Ein Korbschlitten für 2 Personen nahm uns auf und wurde von 2 Männern
geschoben, die uns denn auch mit Windeseile hinabbeförderten.

Herr Br. und ich machten zum ersten Male solche Fahrt, hatten aber
beide ein kindliches Vergnügen daran; kaum unten angelangt, trat schon die
Nacht ein und da unsere Wege sich gleich trennten und ich mich in den un¬
bekannten Straßen nicht gleich orientiren konnte, so verlief ich mich anfangs,
getäuscht durch das Licht vom Hollway'schen Hause, welches ich von ferne
erkannte. Bei unbedecktem Himmel sind die Abende und Nächte nicht sehr
dunkel auf Madeira, aber Dämmerung giebt es dort nicht am Morgen oder
Abend, sondern sobald die Sonne untergegangen wird es dunkel, wie es
dunkel bleibt, bis die Sonne aufgegangen ist. Ich fand mich jedoch bald zu¬
recht, indem ich in die Hauptstraße gerieth, von welcher ich leicht den Weg
nach Hollway's Hotel fand.

Gegen solches Irregehen giebt es natürlich kein besseres Mittel als sich
rechtzeitig zu orientiren und dazu benutzte ich denn auch gern die Nachmittage,
welche diejenige Tageszeit waren, in welcher ich am wenigsten zu anhaltenden
Beschäftigungen aufgelegt war. Auch kürzere Ritte in die Umgegend mit
einem Bekannten aus der Pension H., welcher schon ein Jahr auf Madeira
zugebracht hatte, führten uns durch die verschiedenen Theile der Stadt, in
welcher bei einiger Bekanntschaft mit derselben kein Irregehen möglich ist.
Wir Beide machten, da er ein guter Fußgänger war, vieles gemeinschaftlich;
eine Zeitlang gingen wir regelmäßig Sonntags und Donnerstags Nachmittags


und Se. Antonio, welche sich nordwestlich von Funchal an den Bergen hinauf¬
ziehen. Nach dem kleinen aber sehr heimelig gelegenen Landsitz zurückgekehrt,
empfingen die Damen uns und wir wurden mit einem Lunch regalirt, welches
ganz den Charakter eines Diner hatte, nur daß es statt um 6 oder 7 Uhr,
um 2 Uhr eingenommen wurde. Ein Mahl zu 5 Personen, wo eine all¬
gemeine Unterhaltung geführt werden kann, hat leicht einen gemüthlichen An¬
strich; trotz der englischen Cörper^ation und der gänzlichen Unbekanntschaft
mit den Personen und den Sitten fühlte man sich komfortabel und ich darf
nicht vergessen zu bemerken, daß ich vielleicht zum ersten Mal in meinem
Leben einen Madeira-Wein kostete, der wirklich echt und unverfälscht war, aber
auch köstlich mundete. Nach dem Lunch eine Cigarre im Freien bei einer
Tasse Caffee erhöhte die behagliche Stimmung wo möglich noch mehr. Ein
Gleiches mochte wohl mein Mitgast empfinden, der gar keine Anstalten zum
Aufbrechen machte, während die Gewohnheit bei solchen Einladungen zum
Lunch doch einen frühen Aufbruch rechtfertigte. Ein leichter Regen, der in
den Bergen nicht selten ist und den man in Funchal selbst gewiß nicht hatte,
trieb uns ins Haus und nachdem er vorüber, schickten wir uns zum Aufbruch
an, von unserm Wirthe bis zur Schlittenstation neben der Kirche begleitet.
Ein Korbschlitten für 2 Personen nahm uns auf und wurde von 2 Männern
geschoben, die uns denn auch mit Windeseile hinabbeförderten.

Herr Br. und ich machten zum ersten Male solche Fahrt, hatten aber
beide ein kindliches Vergnügen daran; kaum unten angelangt, trat schon die
Nacht ein und da unsere Wege sich gleich trennten und ich mich in den un¬
bekannten Straßen nicht gleich orientiren konnte, so verlief ich mich anfangs,
getäuscht durch das Licht vom Hollway'schen Hause, welches ich von ferne
erkannte. Bei unbedecktem Himmel sind die Abende und Nächte nicht sehr
dunkel auf Madeira, aber Dämmerung giebt es dort nicht am Morgen oder
Abend, sondern sobald die Sonne untergegangen wird es dunkel, wie es
dunkel bleibt, bis die Sonne aufgegangen ist. Ich fand mich jedoch bald zu¬
recht, indem ich in die Hauptstraße gerieth, von welcher ich leicht den Weg
nach Hollway's Hotel fand.

Gegen solches Irregehen giebt es natürlich kein besseres Mittel als sich
rechtzeitig zu orientiren und dazu benutzte ich denn auch gern die Nachmittage,
welche diejenige Tageszeit waren, in welcher ich am wenigsten zu anhaltenden
Beschäftigungen aufgelegt war. Auch kürzere Ritte in die Umgegend mit
einem Bekannten aus der Pension H., welcher schon ein Jahr auf Madeira
zugebracht hatte, führten uns durch die verschiedenen Theile der Stadt, in
welcher bei einiger Bekanntschaft mit derselben kein Irregehen möglich ist.
Wir Beide machten, da er ein guter Fußgänger war, vieles gemeinschaftlich;
eine Zeitlang gingen wir regelmäßig Sonntags und Donnerstags Nachmittags


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[0192] und Se. Antonio, welche sich nordwestlich von Funchal an den Bergen hinauf¬ ziehen. Nach dem kleinen aber sehr heimelig gelegenen Landsitz zurückgekehrt, empfingen die Damen uns und wir wurden mit einem Lunch regalirt, welches ganz den Charakter eines Diner hatte, nur daß es statt um 6 oder 7 Uhr, um 2 Uhr eingenommen wurde. Ein Mahl zu 5 Personen, wo eine all¬ gemeine Unterhaltung geführt werden kann, hat leicht einen gemüthlichen An¬ strich; trotz der englischen Cörper^ation und der gänzlichen Unbekanntschaft mit den Personen und den Sitten fühlte man sich komfortabel und ich darf nicht vergessen zu bemerken, daß ich vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben einen Madeira-Wein kostete, der wirklich echt und unverfälscht war, aber auch köstlich mundete. Nach dem Lunch eine Cigarre im Freien bei einer Tasse Caffee erhöhte die behagliche Stimmung wo möglich noch mehr. Ein Gleiches mochte wohl mein Mitgast empfinden, der gar keine Anstalten zum Aufbrechen machte, während die Gewohnheit bei solchen Einladungen zum Lunch doch einen frühen Aufbruch rechtfertigte. Ein leichter Regen, der in den Bergen nicht selten ist und den man in Funchal selbst gewiß nicht hatte, trieb uns ins Haus und nachdem er vorüber, schickten wir uns zum Aufbruch an, von unserm Wirthe bis zur Schlittenstation neben der Kirche begleitet. Ein Korbschlitten für 2 Personen nahm uns auf und wurde von 2 Männern geschoben, die uns denn auch mit Windeseile hinabbeförderten. Herr Br. und ich machten zum ersten Male solche Fahrt, hatten aber beide ein kindliches Vergnügen daran; kaum unten angelangt, trat schon die Nacht ein und da unsere Wege sich gleich trennten und ich mich in den un¬ bekannten Straßen nicht gleich orientiren konnte, so verlief ich mich anfangs, getäuscht durch das Licht vom Hollway'schen Hause, welches ich von ferne erkannte. Bei unbedecktem Himmel sind die Abende und Nächte nicht sehr dunkel auf Madeira, aber Dämmerung giebt es dort nicht am Morgen oder Abend, sondern sobald die Sonne untergegangen wird es dunkel, wie es dunkel bleibt, bis die Sonne aufgegangen ist. Ich fand mich jedoch bald zu¬ recht, indem ich in die Hauptstraße gerieth, von welcher ich leicht den Weg nach Hollway's Hotel fand. Gegen solches Irregehen giebt es natürlich kein besseres Mittel als sich rechtzeitig zu orientiren und dazu benutzte ich denn auch gern die Nachmittage, welche diejenige Tageszeit waren, in welcher ich am wenigsten zu anhaltenden Beschäftigungen aufgelegt war. Auch kürzere Ritte in die Umgegend mit einem Bekannten aus der Pension H., welcher schon ein Jahr auf Madeira zugebracht hatte, führten uns durch die verschiedenen Theile der Stadt, in welcher bei einiger Bekanntschaft mit derselben kein Irregehen möglich ist. Wir Beide machten, da er ein guter Fußgänger war, vieles gemeinschaftlich; eine Zeitlang gingen wir regelmäßig Sonntags und Donnerstags Nachmittags

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/192>, abgerufen am 22.07.2024.