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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Diese tiefen Bergeinklüftungen hatten aus die Bauart der Stadt Funchal und
namentlich auf die Verkehrswege bedeutsam Einfluß geübt. Nur in dem untern
Theile der Stadt, wo sie nahe dem Ufer einen ebeneren Charakter hatte,
konnte man auf Brücken über das Flußbett leicht von einer Seite der Ravine
zur andern kommen. In höheren Regionen mußte man den zwar schönen
aber oft gefahrvollen jedenfalls sehr beschwerlichen Weg hinab und wieder
hinaufmachen, der nur für Fußgänger oder gute Pferde passirbar war.
Durch dieses Umgehen der Ravinen wurde natürlich die Entfernung sehr ver¬
größert. Als Beförderungsmittel bedient man sich außer den schon genannten
guten Pferden spanischer Race, der Hängematte (Hammock) oder des Polankin,
in welchem der Beförderte eine mehr sitzende Stellung einnimmt, außerdem
aber sehr häufig eines höchst eigenthümlichen wohl nur der Stadt Funchal
eigenen Fahrzeuges: Quarro genannt, eines von zwei Ochsen gezogenen
Schlittens, in welchem zur Noth 4 Personen Platz nehmen können, die je
zwei und zwei wie in einem Kutschkästen gegenüber sitzen. Die wiegende
durch das oft ruckweise Anziehen der Ochsen unregelmäßige Bewegung hatte
für mich etwas sehr Unbequemes und oft Einschläferndes.

Der Hauptführer geht neben dem Schlitten, um ihn namentlich an den
Ecken zu lenken; er führt einen großen mit Stachel versehenen Stecken, den
er zum Antreiben oder zum Lenken des Schlittens benutzt, indem er ihn bei
Abhängen zuweilen unter den Schlitten schiebt, wodurch eine neue unange¬
nehme Bewegung entsteht. Vor den Ochsen geht ein Knabe, dem die wohl¬
eingefahrenen Thiere folgen; ohne einen solchen gehen sie sehr unregelmäßig.
-- Führer und Knabe lassen es nicht an einem unaufhörlichen monotonen
Geschrei fehlen. Auf steileren Wegen, deren es in der Stadt mehre giebt,
sind diese Quarros fast unbrauchbar, namentlich wenn es geregnet hat, da
die Ochsen dann fortwährend auf den kleinen eng aneinander gefügten Steinen
ausgleiten. Bergaufwärts muß man sich dann seinen Füßen oder den andern
Beförderungsmitteln vertrauen; bergabwärts hat man jedoch aus den höheren
Punkten namentlich von der Kirche N. S. d. M. wiederum Schlitten zur
Verfügung, die von zwei Menschen geschoben, mit unglaublicher Schnelligkeit die
Strecken zurücklegen. Diese Beförderungsart hat etwas sehr Anziehendes und
bedient man sich ihrer vorzugsweise, wenn man von weiteren Excursionen
kommend, solche Schlittenstationen antrifft. Manche reiten wohl den Berg
hinan, um sich das Vergnügen dieser Schlittenfahrt hinab zu machen.

Für die Absicht, so viel wie möglich in historischer Folge die Beobachtung
und Erlebnisse aufzuzeichnen, habe ich hier schon etwas weit vorgegriffen bei
Gelegenheit Der Aufzählung der verschiedenen Beförderungsmittel, wir kehren
also wieder zurück zu der Anschauung der Landschaft, in welcher Funchal liegt.
Wir haben oben erfahren, daß die Bergeinklüftungen Einfluß auf F's. Bauart


Diese tiefen Bergeinklüftungen hatten aus die Bauart der Stadt Funchal und
namentlich auf die Verkehrswege bedeutsam Einfluß geübt. Nur in dem untern
Theile der Stadt, wo sie nahe dem Ufer einen ebeneren Charakter hatte,
konnte man auf Brücken über das Flußbett leicht von einer Seite der Ravine
zur andern kommen. In höheren Regionen mußte man den zwar schönen
aber oft gefahrvollen jedenfalls sehr beschwerlichen Weg hinab und wieder
hinaufmachen, der nur für Fußgänger oder gute Pferde passirbar war.
Durch dieses Umgehen der Ravinen wurde natürlich die Entfernung sehr ver¬
größert. Als Beförderungsmittel bedient man sich außer den schon genannten
guten Pferden spanischer Race, der Hängematte (Hammock) oder des Polankin,
in welchem der Beförderte eine mehr sitzende Stellung einnimmt, außerdem
aber sehr häufig eines höchst eigenthümlichen wohl nur der Stadt Funchal
eigenen Fahrzeuges: Quarro genannt, eines von zwei Ochsen gezogenen
Schlittens, in welchem zur Noth 4 Personen Platz nehmen können, die je
zwei und zwei wie in einem Kutschkästen gegenüber sitzen. Die wiegende
durch das oft ruckweise Anziehen der Ochsen unregelmäßige Bewegung hatte
für mich etwas sehr Unbequemes und oft Einschläferndes.

Der Hauptführer geht neben dem Schlitten, um ihn namentlich an den
Ecken zu lenken; er führt einen großen mit Stachel versehenen Stecken, den
er zum Antreiben oder zum Lenken des Schlittens benutzt, indem er ihn bei
Abhängen zuweilen unter den Schlitten schiebt, wodurch eine neue unange¬
nehme Bewegung entsteht. Vor den Ochsen geht ein Knabe, dem die wohl¬
eingefahrenen Thiere folgen; ohne einen solchen gehen sie sehr unregelmäßig.
— Führer und Knabe lassen es nicht an einem unaufhörlichen monotonen
Geschrei fehlen. Auf steileren Wegen, deren es in der Stadt mehre giebt,
sind diese Quarros fast unbrauchbar, namentlich wenn es geregnet hat, da
die Ochsen dann fortwährend auf den kleinen eng aneinander gefügten Steinen
ausgleiten. Bergaufwärts muß man sich dann seinen Füßen oder den andern
Beförderungsmitteln vertrauen; bergabwärts hat man jedoch aus den höheren
Punkten namentlich von der Kirche N. S. d. M. wiederum Schlitten zur
Verfügung, die von zwei Menschen geschoben, mit unglaublicher Schnelligkeit die
Strecken zurücklegen. Diese Beförderungsart hat etwas sehr Anziehendes und
bedient man sich ihrer vorzugsweise, wenn man von weiteren Excursionen
kommend, solche Schlittenstationen antrifft. Manche reiten wohl den Berg
hinan, um sich das Vergnügen dieser Schlittenfahrt hinab zu machen.

Für die Absicht, so viel wie möglich in historischer Folge die Beobachtung
und Erlebnisse aufzuzeichnen, habe ich hier schon etwas weit vorgegriffen bei
Gelegenheit Der Aufzählung der verschiedenen Beförderungsmittel, wir kehren
also wieder zurück zu der Anschauung der Landschaft, in welcher Funchal liegt.
Wir haben oben erfahren, daß die Bergeinklüftungen Einfluß auf F's. Bauart


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[0187] Diese tiefen Bergeinklüftungen hatten aus die Bauart der Stadt Funchal und namentlich auf die Verkehrswege bedeutsam Einfluß geübt. Nur in dem untern Theile der Stadt, wo sie nahe dem Ufer einen ebeneren Charakter hatte, konnte man auf Brücken über das Flußbett leicht von einer Seite der Ravine zur andern kommen. In höheren Regionen mußte man den zwar schönen aber oft gefahrvollen jedenfalls sehr beschwerlichen Weg hinab und wieder hinaufmachen, der nur für Fußgänger oder gute Pferde passirbar war. Durch dieses Umgehen der Ravinen wurde natürlich die Entfernung sehr ver¬ größert. Als Beförderungsmittel bedient man sich außer den schon genannten guten Pferden spanischer Race, der Hängematte (Hammock) oder des Polankin, in welchem der Beförderte eine mehr sitzende Stellung einnimmt, außerdem aber sehr häufig eines höchst eigenthümlichen wohl nur der Stadt Funchal eigenen Fahrzeuges: Quarro genannt, eines von zwei Ochsen gezogenen Schlittens, in welchem zur Noth 4 Personen Platz nehmen können, die je zwei und zwei wie in einem Kutschkästen gegenüber sitzen. Die wiegende durch das oft ruckweise Anziehen der Ochsen unregelmäßige Bewegung hatte für mich etwas sehr Unbequemes und oft Einschläferndes. Der Hauptführer geht neben dem Schlitten, um ihn namentlich an den Ecken zu lenken; er führt einen großen mit Stachel versehenen Stecken, den er zum Antreiben oder zum Lenken des Schlittens benutzt, indem er ihn bei Abhängen zuweilen unter den Schlitten schiebt, wodurch eine neue unange¬ nehme Bewegung entsteht. Vor den Ochsen geht ein Knabe, dem die wohl¬ eingefahrenen Thiere folgen; ohne einen solchen gehen sie sehr unregelmäßig. — Führer und Knabe lassen es nicht an einem unaufhörlichen monotonen Geschrei fehlen. Auf steileren Wegen, deren es in der Stadt mehre giebt, sind diese Quarros fast unbrauchbar, namentlich wenn es geregnet hat, da die Ochsen dann fortwährend auf den kleinen eng aneinander gefügten Steinen ausgleiten. Bergaufwärts muß man sich dann seinen Füßen oder den andern Beförderungsmitteln vertrauen; bergabwärts hat man jedoch aus den höheren Punkten namentlich von der Kirche N. S. d. M. wiederum Schlitten zur Verfügung, die von zwei Menschen geschoben, mit unglaublicher Schnelligkeit die Strecken zurücklegen. Diese Beförderungsart hat etwas sehr Anziehendes und bedient man sich ihrer vorzugsweise, wenn man von weiteren Excursionen kommend, solche Schlittenstationen antrifft. Manche reiten wohl den Berg hinan, um sich das Vergnügen dieser Schlittenfahrt hinab zu machen. Für die Absicht, so viel wie möglich in historischer Folge die Beobachtung und Erlebnisse aufzuzeichnen, habe ich hier schon etwas weit vorgegriffen bei Gelegenheit Der Aufzählung der verschiedenen Beförderungsmittel, wir kehren also wieder zurück zu der Anschauung der Landschaft, in welcher Funchal liegt. Wir haben oben erfahren, daß die Bergeinklüftungen Einfluß auf F's. Bauart

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/187>, abgerufen am 23.07.2024.