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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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2, 4 oder 6 Personen eingerichtet waren. Für das wahre Bedürfniß von
Brustleidenden, die Madeira aufsuchen, ist weder dieser Armenian noch die
anderen Schiffe derselben Linie, die allmonatlich von England bis nach
Fernando Po an der Westküste Afrika's gehen, eingerichtet. Das Schiff hält
1040 Tons ist aber zugleich aus Cargo berechnet, wodurch der Raum für die
Passagiere beengt wird. Die Cajüte ist niedrig und bei stürmischem Wetter,
wo das Skylight geschlossen werden muß, beklommen. Höchstens 30 Personen
haben an dem Tische zum Essen bequem Platz; doch lautet die zulässige
Anzahl der Passagiere aus eine größere Menge, da im Nothfalle im Salon
die Sophas zu Betten eingerichtet werden. Das einförmige Schiffsleben wird
durch die vier regelmäßigen Mahlzeiten, zu denen man zufolge der zehrenden
Seeluft einen guten Appetit mitbringt, auf angenehme Weise unterbrochen.
Die übrigen Stunden füllen Unterhaltung und Lektüre aus; ein gesunder
Schlaf, auch eine Folge der Seeluft und des eintönigen Lebens hilft leicht
über die langen Nächte hin. Wind und Wetter wurden der Fahrt bald un¬
günstig; dennoch machte das gute Schiff durchschnittlich 10 Knoten. Auf
der Höhe des Kanals wurden die Stürme recht bemerkbar. Die See ging
oft über Bord und hinderte die freie Passage nach der 2. Cajüte. Die
Passagiere hielten sich daher zumeist auf dem Quarterdeck auf, da sie des
Wassers wegen nur bei geschlossenen Thüren in ihrer Cajüte sein konnten.
Es befanden sich zwei junge Missionare darunter, ein Würtenberger E. und ein
Schweizer Pf. aus Zürich, die beide in Basel ordinirt, für Aura an der West¬
afrikanischen Küste bestimmt waren. Sie waren Beide erfüllt von ihrem
Berufe und gingen mit festem Glaubensmuthe an ihr großes schweres Werk.
Ich wage nicht nach so oberflächlicher Bekanntschaft ein Urtheil über sie zu
fällen, bekenne nur, daß Ersterer mich mehr anzog mit seinem kindlich deh-
müthigen Sinn, mit dem er in seinem Berufe vielleicht eben so Großes leisten
wird, wie der Andere mit einem kampfbereiten Gemüthe. Dieser, weit entfernt
die augenscheinlich spöttischen Reden junger katholischer Deutschen, worunter
ein Skua. mea. aus Köln, ein Vorarlberger mit seinem fast übermüthigen
Begleiter, zu meiden, suchte sie vielmehr auf, und schien schon hier ein Be¬
kehrungswerk beginnen zu wollen. Darin soll kein Tadel ausgesprochen sein,
sondern nur der Eindruck meiner Beobachtung und bin ich begierig, ob durch
etwaige Nachrichten, die man durch Baseler Berichte erhalten könnte, eine
Bestätigung derselben mir wird. Unvergeßlich wird mir die Ausdrucksweise
bleiben mit der E. den Abschied von den Seinigen schilderte; mit welcher
reinen Freude er trotz der schweren Trennung des Abschiedes gedachte. Was
man zuweilen liest und im Kleinglauben für erdichtet hält, sah und erlebte
ich hier in Wirklichkeit, daß der Mensch mit Freudigkeit um des Herrn willen
das Liebste aus Erden hinter sich lassen kann. Bei ihm war diese Freudigkeit


2, 4 oder 6 Personen eingerichtet waren. Für das wahre Bedürfniß von
Brustleidenden, die Madeira aufsuchen, ist weder dieser Armenian noch die
anderen Schiffe derselben Linie, die allmonatlich von England bis nach
Fernando Po an der Westküste Afrika's gehen, eingerichtet. Das Schiff hält
1040 Tons ist aber zugleich aus Cargo berechnet, wodurch der Raum für die
Passagiere beengt wird. Die Cajüte ist niedrig und bei stürmischem Wetter,
wo das Skylight geschlossen werden muß, beklommen. Höchstens 30 Personen
haben an dem Tische zum Essen bequem Platz; doch lautet die zulässige
Anzahl der Passagiere aus eine größere Menge, da im Nothfalle im Salon
die Sophas zu Betten eingerichtet werden. Das einförmige Schiffsleben wird
durch die vier regelmäßigen Mahlzeiten, zu denen man zufolge der zehrenden
Seeluft einen guten Appetit mitbringt, auf angenehme Weise unterbrochen.
Die übrigen Stunden füllen Unterhaltung und Lektüre aus; ein gesunder
Schlaf, auch eine Folge der Seeluft und des eintönigen Lebens hilft leicht
über die langen Nächte hin. Wind und Wetter wurden der Fahrt bald un¬
günstig; dennoch machte das gute Schiff durchschnittlich 10 Knoten. Auf
der Höhe des Kanals wurden die Stürme recht bemerkbar. Die See ging
oft über Bord und hinderte die freie Passage nach der 2. Cajüte. Die
Passagiere hielten sich daher zumeist auf dem Quarterdeck auf, da sie des
Wassers wegen nur bei geschlossenen Thüren in ihrer Cajüte sein konnten.
Es befanden sich zwei junge Missionare darunter, ein Würtenberger E. und ein
Schweizer Pf. aus Zürich, die beide in Basel ordinirt, für Aura an der West¬
afrikanischen Küste bestimmt waren. Sie waren Beide erfüllt von ihrem
Berufe und gingen mit festem Glaubensmuthe an ihr großes schweres Werk.
Ich wage nicht nach so oberflächlicher Bekanntschaft ein Urtheil über sie zu
fällen, bekenne nur, daß Ersterer mich mehr anzog mit seinem kindlich deh-
müthigen Sinn, mit dem er in seinem Berufe vielleicht eben so Großes leisten
wird, wie der Andere mit einem kampfbereiten Gemüthe. Dieser, weit entfernt
die augenscheinlich spöttischen Reden junger katholischer Deutschen, worunter
ein Skua. mea. aus Köln, ein Vorarlberger mit seinem fast übermüthigen
Begleiter, zu meiden, suchte sie vielmehr auf, und schien schon hier ein Be¬
kehrungswerk beginnen zu wollen. Darin soll kein Tadel ausgesprochen sein,
sondern nur der Eindruck meiner Beobachtung und bin ich begierig, ob durch
etwaige Nachrichten, die man durch Baseler Berichte erhalten könnte, eine
Bestätigung derselben mir wird. Unvergeßlich wird mir die Ausdrucksweise
bleiben mit der E. den Abschied von den Seinigen schilderte; mit welcher
reinen Freude er trotz der schweren Trennung des Abschiedes gedachte. Was
man zuweilen liest und im Kleinglauben für erdichtet hält, sah und erlebte
ich hier in Wirklichkeit, daß der Mensch mit Freudigkeit um des Herrn willen
das Liebste aus Erden hinter sich lassen kann. Bei ihm war diese Freudigkeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/182>, abgerufen am 03.07.2024.