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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Graupenmühle wird gebaut. Die Ziegel müssen zu Wasser, die Mahlstoffe
können per Achse, die Graupen füglich durch die Eisenbahn transportirt
werden. Für die Ziegel bedarf es also eines Flusses oder Kanals, für die
Mahlstoffe einer guten Landstraße.*) -- Ferner: Wie sich gegenwärtig, gelockt
von Handel und Gewerbfleiß, die Bevölkerung nach den Städten drängt,
diese aber nur da rasch zu wachsen pflegen, wo es Eisenbahnen giebt, so ruft
umgekehrt das Wachsthum der Städte neue Eisenbahnen ins Leben, die aber¬
mals zur Vermehrung der städtischen Bevölkerung führen. So erfolgt denn
die sehr starke Concentration in unseren Metropolen, deren Zeugen wir jetzt
sind. Diese Hunderttausende bedürfen nun aber für Neubauten, für Brenn¬
stoffe u. tgi. eine ungeheuere Menge von Rohmaterial, das in demnäheren
Umkreis immer weniger zu beschaffen ist, das also großentheils nur
aus der Ferne bezogen werden kann, während es doch nur die Kosten des
billigsten Transports bezahlt macht, in. a. W. während es auf die
Wasserstraße angewiesen ist.

2. Denn -- und dies ist das große wirthschaftliche Gesetz, das die ganze
Frage beherrscht -- es giebt Waaren, bei deren Transport es vor
Allem ankommt auf die größtmögliche Billigkeit. Dies sind
vor Allem die Rohstoffe und diejenigen Fabrikate, die im
Verhältniß zu ihrem Werthe sehr voluminös oder sehr schwer
sind. Zu solchen Rohstoffen gehören: Bau- und Brennstoffe aller Art, wie
Bauholz, Ziegel, Pflaster-, Trottoir- und Bausteine, Dachschiefer, Kalk und
Erde u. f. w.; Kohle, Brennholz und Torf. Ferner viele Erzeugnisse der
Landwirthschaft: Getreide, Kartoffeln, Obst, Heu, Stroh u. f. w. Dann die
technischen, chemischen und Hüttenprodukte, als da sind: Roheisen, Schmiede¬
eisen, Salz, Soda, Pottasche, Schwefel, Phosphor und Dungmittel aller Art.
-- In dieselbe Kategorie fallen feinere Waaren, die wegen ihrer Zerbrechlich¬
keit oder Feuergefährlichkeit den Transport per Eisenbahn gerne meiden:
Möbel, Glas- und Thonwaaren, Säuren, Petroleum, Solaröl, Pulver u. s. w.

Wenn alle diese Güter sich am besten für den Wasserweg eignen, so
kommt doch bei der "Theilung der Arbeit" , von der wir sprachen, die Eisen¬
bahn keineswegs zu kurz. Eine ganze Reihe von Waaren wird ihr verbleiben:
diejenigen nämlich, welche vor Allem schnelle und pünktliche Beförderung
suchen und, solchergestalt in den Stand gesetzt, eine günstige Konjunctur
zu benutzen, vermöge ihres höheren Preises den Eisenbahntransport unschwer



-) Den Laien in der Volkswirthschaft wird dies Beispiel erst durch die auf diesen Blättern
folgende Entwickelung vollkommen einleuchtend. Die Mahlstoffe repräsentiren einen Werth,
der es verträgt, daß man den kostspieligeren Transport per Achse darauf verwendet; die
Graupen, auf die noch mehr Arbeit verwandt wurde, die sich bezahlt machen kann, vertragen
den Transport per Bahn; dagegen müssen Ziegel vor Allem, um Abnahme zu finden, billig
transportirt werden -- und das billigste Transportmittel ist eben das Wasser.

Graupenmühle wird gebaut. Die Ziegel müssen zu Wasser, die Mahlstoffe
können per Achse, die Graupen füglich durch die Eisenbahn transportirt
werden. Für die Ziegel bedarf es also eines Flusses oder Kanals, für die
Mahlstoffe einer guten Landstraße.*) — Ferner: Wie sich gegenwärtig, gelockt
von Handel und Gewerbfleiß, die Bevölkerung nach den Städten drängt,
diese aber nur da rasch zu wachsen pflegen, wo es Eisenbahnen giebt, so ruft
umgekehrt das Wachsthum der Städte neue Eisenbahnen ins Leben, die aber¬
mals zur Vermehrung der städtischen Bevölkerung führen. So erfolgt denn
die sehr starke Concentration in unseren Metropolen, deren Zeugen wir jetzt
sind. Diese Hunderttausende bedürfen nun aber für Neubauten, für Brenn¬
stoffe u. tgi. eine ungeheuere Menge von Rohmaterial, das in demnäheren
Umkreis immer weniger zu beschaffen ist, das also großentheils nur
aus der Ferne bezogen werden kann, während es doch nur die Kosten des
billigsten Transports bezahlt macht, in. a. W. während es auf die
Wasserstraße angewiesen ist.

2. Denn — und dies ist das große wirthschaftliche Gesetz, das die ganze
Frage beherrscht — es giebt Waaren, bei deren Transport es vor
Allem ankommt auf die größtmögliche Billigkeit. Dies sind
vor Allem die Rohstoffe und diejenigen Fabrikate, die im
Verhältniß zu ihrem Werthe sehr voluminös oder sehr schwer
sind. Zu solchen Rohstoffen gehören: Bau- und Brennstoffe aller Art, wie
Bauholz, Ziegel, Pflaster-, Trottoir- und Bausteine, Dachschiefer, Kalk und
Erde u. f. w.; Kohle, Brennholz und Torf. Ferner viele Erzeugnisse der
Landwirthschaft: Getreide, Kartoffeln, Obst, Heu, Stroh u. f. w. Dann die
technischen, chemischen und Hüttenprodukte, als da sind: Roheisen, Schmiede¬
eisen, Salz, Soda, Pottasche, Schwefel, Phosphor und Dungmittel aller Art.
— In dieselbe Kategorie fallen feinere Waaren, die wegen ihrer Zerbrechlich¬
keit oder Feuergefährlichkeit den Transport per Eisenbahn gerne meiden:
Möbel, Glas- und Thonwaaren, Säuren, Petroleum, Solaröl, Pulver u. s. w.

Wenn alle diese Güter sich am besten für den Wasserweg eignen, so
kommt doch bei der „Theilung der Arbeit" , von der wir sprachen, die Eisen¬
bahn keineswegs zu kurz. Eine ganze Reihe von Waaren wird ihr verbleiben:
diejenigen nämlich, welche vor Allem schnelle und pünktliche Beförderung
suchen und, solchergestalt in den Stand gesetzt, eine günstige Konjunctur
zu benutzen, vermöge ihres höheren Preises den Eisenbahntransport unschwer



-) Den Laien in der Volkswirthschaft wird dies Beispiel erst durch die auf diesen Blättern
folgende Entwickelung vollkommen einleuchtend. Die Mahlstoffe repräsentiren einen Werth,
der es verträgt, daß man den kostspieligeren Transport per Achse darauf verwendet; die
Graupen, auf die noch mehr Arbeit verwandt wurde, die sich bezahlt machen kann, vertragen
den Transport per Bahn; dagegen müssen Ziegel vor Allem, um Abnahme zu finden, billig
transportirt werden — und das billigste Transportmittel ist eben das Wasser.
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[0172] Graupenmühle wird gebaut. Die Ziegel müssen zu Wasser, die Mahlstoffe können per Achse, die Graupen füglich durch die Eisenbahn transportirt werden. Für die Ziegel bedarf es also eines Flusses oder Kanals, für die Mahlstoffe einer guten Landstraße.*) — Ferner: Wie sich gegenwärtig, gelockt von Handel und Gewerbfleiß, die Bevölkerung nach den Städten drängt, diese aber nur da rasch zu wachsen pflegen, wo es Eisenbahnen giebt, so ruft umgekehrt das Wachsthum der Städte neue Eisenbahnen ins Leben, die aber¬ mals zur Vermehrung der städtischen Bevölkerung führen. So erfolgt denn die sehr starke Concentration in unseren Metropolen, deren Zeugen wir jetzt sind. Diese Hunderttausende bedürfen nun aber für Neubauten, für Brenn¬ stoffe u. tgi. eine ungeheuere Menge von Rohmaterial, das in demnäheren Umkreis immer weniger zu beschaffen ist, das also großentheils nur aus der Ferne bezogen werden kann, während es doch nur die Kosten des billigsten Transports bezahlt macht, in. a. W. während es auf die Wasserstraße angewiesen ist. 2. Denn — und dies ist das große wirthschaftliche Gesetz, das die ganze Frage beherrscht — es giebt Waaren, bei deren Transport es vor Allem ankommt auf die größtmögliche Billigkeit. Dies sind vor Allem die Rohstoffe und diejenigen Fabrikate, die im Verhältniß zu ihrem Werthe sehr voluminös oder sehr schwer sind. Zu solchen Rohstoffen gehören: Bau- und Brennstoffe aller Art, wie Bauholz, Ziegel, Pflaster-, Trottoir- und Bausteine, Dachschiefer, Kalk und Erde u. f. w.; Kohle, Brennholz und Torf. Ferner viele Erzeugnisse der Landwirthschaft: Getreide, Kartoffeln, Obst, Heu, Stroh u. f. w. Dann die technischen, chemischen und Hüttenprodukte, als da sind: Roheisen, Schmiede¬ eisen, Salz, Soda, Pottasche, Schwefel, Phosphor und Dungmittel aller Art. — In dieselbe Kategorie fallen feinere Waaren, die wegen ihrer Zerbrechlich¬ keit oder Feuergefährlichkeit den Transport per Eisenbahn gerne meiden: Möbel, Glas- und Thonwaaren, Säuren, Petroleum, Solaröl, Pulver u. s. w. Wenn alle diese Güter sich am besten für den Wasserweg eignen, so kommt doch bei der „Theilung der Arbeit" , von der wir sprachen, die Eisen¬ bahn keineswegs zu kurz. Eine ganze Reihe von Waaren wird ihr verbleiben: diejenigen nämlich, welche vor Allem schnelle und pünktliche Beförderung suchen und, solchergestalt in den Stand gesetzt, eine günstige Konjunctur zu benutzen, vermöge ihres höheren Preises den Eisenbahntransport unschwer -) Den Laien in der Volkswirthschaft wird dies Beispiel erst durch die auf diesen Blättern folgende Entwickelung vollkommen einleuchtend. Die Mahlstoffe repräsentiren einen Werth, der es verträgt, daß man den kostspieligeren Transport per Achse darauf verwendet; die Graupen, auf die noch mehr Arbeit verwandt wurde, die sich bezahlt machen kann, vertragen den Transport per Bahn; dagegen müssen Ziegel vor Allem, um Abnahme zu finden, billig transportirt werden — und das billigste Transportmittel ist eben das Wasser.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/172>, abgerufen am 26.06.2024.