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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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schwarzen Bande, und in der Aufrichtigkeit des Schmerzes rief der König
jammernd aus: "Wenn alle meine Soldaten ihre Pflicht gethan hätten wie
diese Fremden --- das Schicksal des heutigen Tages würde anders sein!"

Als Franz in der Karthause angelangt war, galt sein erster Gang der
Klosterkirche, und sogleich fiel sein Auge auf eine Tafel mit der Inschrift:
"Lonum alni, yuia dumili^sti ins, ut ciiseam ^ustiüeMvnss tuas. (Es ist
mir gut, daß du mich gedemüthiget hast, aus daß ich deine Rechte erkennen
lerne. Ps. 119. v. 71.)

Dem verhängnisvollen Kampfe folgte ein glänzendes Gastmahl in der
Abtei, an dem der leichtverwundete König, ruhigen Gemüths, Theil nahm.
Der Herzog von Bourbon erfüllte die jedenfalls traurige Pflicht, vor dem
Könige zu erscheinen, überreichte ihm der Sitte gemäß die Serviette und ward
zum Handkusse zugelassen. Franz empfing ihn würdig und äußerte: "Herzog
von Bourbon, wir haben uns beide große Fehler vorzuwerfen; die meinigen
sind bestraft; ich wünsche, daß die Ihrigen es nie werden mögen." -- Als
Peseara eintrat, um das Unglück zu ehren im einfachen schwarzen Gewände,
umarmte ihn der König, überhäufte ihn mit Lob und schrieb seinen Anord¬
nungen den Sieg zu.*)

Obwohl Bourbon zugegen blieb, gewann das Gespräch sehr bald eine
heitere Wendung. Der König selbst gab seine Pläne und Anordnungen für
die Schlacht und äußerte sogar, vielleicht von etwas Eigenliebe verblendet,
daß er unter denselben Verhältnissen eben wieder so handeln würde. Den
Verlust der Schlacht selbst schrieb er den falschen Berichten der Hauptleute
über die Stärke ihrer Truppen, der voreiligen Flucht Alencon's vom Schlacht¬
felde, und endlich der Feigheit der Schweizer zu, die so schimpflich gewichen.**)

Besonderen Nachdruck legten die Zeitgenossen auf die irrthümliche An¬
schauung des Königs von der Stärke seines Heeres. Ariost sagt in dieser
Beziehung ***):


Doch sie, die mit uns spielt, wie mit dem Staube

Der Wind, der ihn im Kreise jagt umher,

Ihn bis zum Himmel hebt und dann zum Raube

Dem Boden gibt, dem er ihn nahm vorher:

Macht, daß der König bei Pavia glaube,

Er habe Hunderttausend um sich her,

Indem er nur, was er gezahlt betrachtet,

Nicht auf des Heers Zuwachs und Mindrung achtet.





") So sagt auch Antonio de Vera y Figmroa: "Niemand leugnete es, daß die Ehre
dieses Tages den spanischen Schützen gebühre" los aroadussro" esxs,rwlss.
Ganz ebenso hat der König sich dem Paulus Jovius gegenüber ausgesprochen.
0rta"av kmioso. 33. Gesang. Ser. SO und bi. Uebersetzung von Gries.

schwarzen Bande, und in der Aufrichtigkeit des Schmerzes rief der König
jammernd aus: „Wenn alle meine Soldaten ihre Pflicht gethan hätten wie
diese Fremden —- das Schicksal des heutigen Tages würde anders sein!"

Als Franz in der Karthause angelangt war, galt sein erster Gang der
Klosterkirche, und sogleich fiel sein Auge auf eine Tafel mit der Inschrift:
„Lonum alni, yuia dumili^sti ins, ut ciiseam ^ustiüeMvnss tuas. (Es ist
mir gut, daß du mich gedemüthiget hast, aus daß ich deine Rechte erkennen
lerne. Ps. 119. v. 71.)

Dem verhängnisvollen Kampfe folgte ein glänzendes Gastmahl in der
Abtei, an dem der leichtverwundete König, ruhigen Gemüths, Theil nahm.
Der Herzog von Bourbon erfüllte die jedenfalls traurige Pflicht, vor dem
Könige zu erscheinen, überreichte ihm der Sitte gemäß die Serviette und ward
zum Handkusse zugelassen. Franz empfing ihn würdig und äußerte: „Herzog
von Bourbon, wir haben uns beide große Fehler vorzuwerfen; die meinigen
sind bestraft; ich wünsche, daß die Ihrigen es nie werden mögen." — Als
Peseara eintrat, um das Unglück zu ehren im einfachen schwarzen Gewände,
umarmte ihn der König, überhäufte ihn mit Lob und schrieb seinen Anord¬
nungen den Sieg zu.*)

Obwohl Bourbon zugegen blieb, gewann das Gespräch sehr bald eine
heitere Wendung. Der König selbst gab seine Pläne und Anordnungen für
die Schlacht und äußerte sogar, vielleicht von etwas Eigenliebe verblendet,
daß er unter denselben Verhältnissen eben wieder so handeln würde. Den
Verlust der Schlacht selbst schrieb er den falschen Berichten der Hauptleute
über die Stärke ihrer Truppen, der voreiligen Flucht Alencon's vom Schlacht¬
felde, und endlich der Feigheit der Schweizer zu, die so schimpflich gewichen.**)

Besonderen Nachdruck legten die Zeitgenossen auf die irrthümliche An¬
schauung des Königs von der Stärke seines Heeres. Ariost sagt in dieser
Beziehung ***):


Doch sie, die mit uns spielt, wie mit dem Staube

Der Wind, der ihn im Kreise jagt umher,

Ihn bis zum Himmel hebt und dann zum Raube

Dem Boden gibt, dem er ihn nahm vorher:

Macht, daß der König bei Pavia glaube,

Er habe Hunderttausend um sich her,

Indem er nur, was er gezahlt betrachtet,

Nicht auf des Heers Zuwachs und Mindrung achtet.





") So sagt auch Antonio de Vera y Figmroa: „Niemand leugnete es, daß die Ehre
dieses Tages den spanischen Schützen gebühre" los aroadussro» esxs,rwlss.
Ganz ebenso hat der König sich dem Paulus Jovius gegenüber ausgesprochen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/143>, abgerufen am 22.07.2024.