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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Seht, wie von Frankreichs edelsten Vasallen
Die Blüthe, hingerafft, im Felde liegt!
Sucht, wie viel Schwerter, wieviel Speer' umwallen
'
Den auehgen König, der so tapfer kriegt!
Seht, schon ist unter ihm sein Roß gefallen;
Doch weicht er nicht, und nennt sich nicht besiegt,
Sucht gleich der Feinde Schwarm nur ihn zu fassen,
Dringt nur auf ihn, den jeder Schutz verlassen! --

Endlich ereilte auch den König das Geschick. Im Gesicht verwundet, einen
Schenkel durchbohrt, den Harnisch von vielen Kugeln eingebogen, war er gegen
eine kleine Brücke über die Vernacula gedrängt worden. Da ersticht ihm
Graf Salm seinen Hengst, der, schon einmal verwundet, nun mit ihm zu¬
sammensinkt/) Doch schon unter seinem Roß liegend, vertheidigt sich der
König noch mit männlicher Entschlossenheit und sticht den Grafen Salm durch
den Schenkel. Ein Wälscher, der ihn am Helmbusch ergreift, behält diesen
und den Aermel des Königs in der Hand.**) Endlich dringt ein Spanier
von gewaltiger Größe und Körperstärke auf ihn ein, setzt ihm dort, wo Brust-
und Rückenharnisch eine Blöße bilden, die Lanze ein und droht, ihn zu er¬
stechen, wenn er sich nicht ergäbe. Da widersteht der König nicht länger
seinem feindseligen Geschick und ruft: "Das Leben! Ich bin der König und
des Kaisers Gefangener!" ***) -- Von nun an ging es dem Könige hier, wie
König Johann auf dem Schlachtfelde von Poitiers: er gelangt aus einer Hand in
die andere, und wird mit einer Art Ehrfurcht geplündert, nicht ohne Gefahr,
dabei das Leben zu verlieren. Der Lärm um seine Person lockt endlich den Ritter
La Motte aus dem Gefolge Bourbon's herbei, der sich vor ihm niederwirft
und ihn knieend bittet, sich dem Herzoge von Bourbon zu ergeben. "Ich
kenne keinen Herzog von Bourbon", ist Franzens stolze Antwort "denn
mich selbst!" und zugleich fügte er die Weisung hinzu, den Vice-König von
Neapel zu suchen. Während La Motte ging, um diesem Befehl zu genügen,
fuhren die in Masse herbeiströmenden Spanier fort, den König seiner Kleidung
sowohl, wie einzelner Theile seiner Rüstung, stückweise zu berauben. Als
Diego de Avila ihm den Helm vom Haupte genommen, damit Franz sich
von Blut und Schweiß reinigen könne, griffen andere zu und rissen sich um
Federn und Helmdecke; diese faßten den Waffenrock und schnitten ihn in
Stücke; jene nahmen Schärpe und Sporen und Handschuh.

In wenig Minuten stand der König so ziemlich allen Waffenschmuckes ent¬
blößt da. In der Art und Weise, wie man seine Kleider in hundert Stücke





*) Ein gras genannt aus deutschen land
mit namen der von Salmen,
der griff den könig selber an. (Lied von Pavia).
Reißner.
Sandoval.
Seht, wie von Frankreichs edelsten Vasallen
Die Blüthe, hingerafft, im Felde liegt!
Sucht, wie viel Schwerter, wieviel Speer' umwallen
'
Den auehgen König, der so tapfer kriegt!
Seht, schon ist unter ihm sein Roß gefallen;
Doch weicht er nicht, und nennt sich nicht besiegt,
Sucht gleich der Feinde Schwarm nur ihn zu fassen,
Dringt nur auf ihn, den jeder Schutz verlassen! —

Endlich ereilte auch den König das Geschick. Im Gesicht verwundet, einen
Schenkel durchbohrt, den Harnisch von vielen Kugeln eingebogen, war er gegen
eine kleine Brücke über die Vernacula gedrängt worden. Da ersticht ihm
Graf Salm seinen Hengst, der, schon einmal verwundet, nun mit ihm zu¬
sammensinkt/) Doch schon unter seinem Roß liegend, vertheidigt sich der
König noch mit männlicher Entschlossenheit und sticht den Grafen Salm durch
den Schenkel. Ein Wälscher, der ihn am Helmbusch ergreift, behält diesen
und den Aermel des Königs in der Hand.**) Endlich dringt ein Spanier
von gewaltiger Größe und Körperstärke auf ihn ein, setzt ihm dort, wo Brust-
und Rückenharnisch eine Blöße bilden, die Lanze ein und droht, ihn zu er¬
stechen, wenn er sich nicht ergäbe. Da widersteht der König nicht länger
seinem feindseligen Geschick und ruft: „Das Leben! Ich bin der König und
des Kaisers Gefangener!" ***) — Von nun an ging es dem Könige hier, wie
König Johann auf dem Schlachtfelde von Poitiers: er gelangt aus einer Hand in
die andere, und wird mit einer Art Ehrfurcht geplündert, nicht ohne Gefahr,
dabei das Leben zu verlieren. Der Lärm um seine Person lockt endlich den Ritter
La Motte aus dem Gefolge Bourbon's herbei, der sich vor ihm niederwirft
und ihn knieend bittet, sich dem Herzoge von Bourbon zu ergeben. „Ich
kenne keinen Herzog von Bourbon", ist Franzens stolze Antwort „denn
mich selbst!" und zugleich fügte er die Weisung hinzu, den Vice-König von
Neapel zu suchen. Während La Motte ging, um diesem Befehl zu genügen,
fuhren die in Masse herbeiströmenden Spanier fort, den König seiner Kleidung
sowohl, wie einzelner Theile seiner Rüstung, stückweise zu berauben. Als
Diego de Avila ihm den Helm vom Haupte genommen, damit Franz sich
von Blut und Schweiß reinigen könne, griffen andere zu und rissen sich um
Federn und Helmdecke; diese faßten den Waffenrock und schnitten ihn in
Stücke; jene nahmen Schärpe und Sporen und Handschuh.

In wenig Minuten stand der König so ziemlich allen Waffenschmuckes ent¬
blößt da. In der Art und Weise, wie man seine Kleider in hundert Stücke





*) Ein gras genannt aus deutschen land
mit namen der von Salmen,
der griff den könig selber an. (Lied von Pavia).
Reißner.
Sandoval.
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[0140] Seht, wie von Frankreichs edelsten Vasallen Die Blüthe, hingerafft, im Felde liegt! Sucht, wie viel Schwerter, wieviel Speer' umwallen ' Den auehgen König, der so tapfer kriegt! Seht, schon ist unter ihm sein Roß gefallen; Doch weicht er nicht, und nennt sich nicht besiegt, Sucht gleich der Feinde Schwarm nur ihn zu fassen, Dringt nur auf ihn, den jeder Schutz verlassen! — Endlich ereilte auch den König das Geschick. Im Gesicht verwundet, einen Schenkel durchbohrt, den Harnisch von vielen Kugeln eingebogen, war er gegen eine kleine Brücke über die Vernacula gedrängt worden. Da ersticht ihm Graf Salm seinen Hengst, der, schon einmal verwundet, nun mit ihm zu¬ sammensinkt/) Doch schon unter seinem Roß liegend, vertheidigt sich der König noch mit männlicher Entschlossenheit und sticht den Grafen Salm durch den Schenkel. Ein Wälscher, der ihn am Helmbusch ergreift, behält diesen und den Aermel des Königs in der Hand.**) Endlich dringt ein Spanier von gewaltiger Größe und Körperstärke auf ihn ein, setzt ihm dort, wo Brust- und Rückenharnisch eine Blöße bilden, die Lanze ein und droht, ihn zu er¬ stechen, wenn er sich nicht ergäbe. Da widersteht der König nicht länger seinem feindseligen Geschick und ruft: „Das Leben! Ich bin der König und des Kaisers Gefangener!" ***) — Von nun an ging es dem Könige hier, wie König Johann auf dem Schlachtfelde von Poitiers: er gelangt aus einer Hand in die andere, und wird mit einer Art Ehrfurcht geplündert, nicht ohne Gefahr, dabei das Leben zu verlieren. Der Lärm um seine Person lockt endlich den Ritter La Motte aus dem Gefolge Bourbon's herbei, der sich vor ihm niederwirft und ihn knieend bittet, sich dem Herzoge von Bourbon zu ergeben. „Ich kenne keinen Herzog von Bourbon", ist Franzens stolze Antwort „denn mich selbst!" und zugleich fügte er die Weisung hinzu, den Vice-König von Neapel zu suchen. Während La Motte ging, um diesem Befehl zu genügen, fuhren die in Masse herbeiströmenden Spanier fort, den König seiner Kleidung sowohl, wie einzelner Theile seiner Rüstung, stückweise zu berauben. Als Diego de Avila ihm den Helm vom Haupte genommen, damit Franz sich von Blut und Schweiß reinigen könne, griffen andere zu und rissen sich um Federn und Helmdecke; diese faßten den Waffenrock und schnitten ihn in Stücke; jene nahmen Schärpe und Sporen und Handschuh. In wenig Minuten stand der König so ziemlich allen Waffenschmuckes ent¬ blößt da. In der Art und Weise, wie man seine Kleider in hundert Stücke *) Ein gras genannt aus deutschen land mit namen der von Salmen, der griff den könig selber an. (Lied von Pavia). Reißner. Sandoval.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/140>, abgerufen am 22.07.2024.