Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

rühmen kann, was die italienische Literatur anbelangt, in welcher der Pro¬
fessor Giovanni Rizzi unterrichtet; sein Name ist außerhalb Mailands fast
unbekannt, aber er verdiente unter der Zahl derer genannt zu werden, welche
den wohlthätigsten Einfluß auf das Gedeihen des öffentlichen Unterrichts in
Italien ausgeübt haben.

Die "Livies. Lcuola Luxeriore kemminile" ist 1861 zu Mai¬
land eröffnet worden; der Cursus ist auf vier Jahre festgestellt. Die Unter¬
richtsfächer sind: Moral, italienische Sprache und Literatur, Geographie und
Geschichte, französische Sprache und Literatur, Hygieine und die Naturwissen¬
schaften, Physik, Arithmetik, Zeichnen, Schönschreiben, weibliche Arbeiten und
Gymnastik. Für die Aufnahme in die erste Classe wird ein Alter von wenig¬
stens 12, höchstens 16 Jahren verlangt. Die "Lowxonimenti" sind von den
Ausarbeitungen der älteren Mädchen ausgewählt worden, und nur in 20
Exemplaren für die Wiener Weltausstellung auf Kosten der Stadt Mailand
hergestellt worden. In Wien wurde dem Bande die Medaille für "Fort¬
schritt" ertheilt. Diese verdiente Auszeichnung ermuthigte die freigebige und
intelligente Philantropie einiger Leute, die Mittel zusammenzubringen, welche
zum Drucke des Bandes nöthig waren, um es zum Besten der Scrophel-
kranken auf den Markt zu bringen. So kann jetzt Jedermann von den
schönen Fortschritten Einsicht nehmen, welche, Dank einer ausgezeichneten
Direction, die Schülerinnen der höheren Töchterschule zu Mailand gemacht
haben. Der größte Theil der Arbeiten würde kundigen Schriftstellern Ehre
machen, wenn ihre Frische nicht auf die glückliche Jugend der Verfasser
schließen ließe. Sie haben alle eine Familienähnlichkeit, man sieht, daß sie
alle aus einer Schule hervorgegangen sind und daß die Schule ausgezeichnet
ist. Kein Pedantismus ist da (wenn man eine einzige etwas zu wichtige und
prätentiöse Arbeit über das moderne Theater ausnimmt), nichts Barakes;
dagegen eine Fülle von Begeisterung, von Geist, Gemüth, Einbildungskraft
und Poesie. Die jungen Mädchen schreiben sämmtlich hübsch, in ganz
correcten und feinem Italienisch; immerhin freilich wie junge Mädchen, mit
den kleinen Malicen, Illusionen, Verzweiflungsanwandlungen und frühreifen
Urtheilen ihrer Jahre, wenn sie wirklich gefühlvoll und intelligent sind. Wir
haben die Ausarbeitungen von 28 jungen Mädchen vor uns, von 13--18 Jahren.
Es sind Ferien-Tagebücher, Sittenzeichnungen, zarte Phantasien, Bekenntnisse,
Characterzeichnungen, illustrirte Sprüchwörter; Alles von bester Art, geschmack¬
voll und voll jugendlicher Frische, die in der That anziehend ist. Ich glaube
nicht, daß man das lombardische junge Mädchen von heute auf einem andern
Wege besser lernen könnte, als durch dies Buch, und ich bin überzeugt, daß
wenn ein deutscher Verleger sich entschließen könnte, eine Uebersetzung zu
unternehmen, er für die nächste Weihnacht den deutschen jungen Mädchen kein


rühmen kann, was die italienische Literatur anbelangt, in welcher der Pro¬
fessor Giovanni Rizzi unterrichtet; sein Name ist außerhalb Mailands fast
unbekannt, aber er verdiente unter der Zahl derer genannt zu werden, welche
den wohlthätigsten Einfluß auf das Gedeihen des öffentlichen Unterrichts in
Italien ausgeübt haben.

Die „Livies. Lcuola Luxeriore kemminile" ist 1861 zu Mai¬
land eröffnet worden; der Cursus ist auf vier Jahre festgestellt. Die Unter¬
richtsfächer sind: Moral, italienische Sprache und Literatur, Geographie und
Geschichte, französische Sprache und Literatur, Hygieine und die Naturwissen¬
schaften, Physik, Arithmetik, Zeichnen, Schönschreiben, weibliche Arbeiten und
Gymnastik. Für die Aufnahme in die erste Classe wird ein Alter von wenig¬
stens 12, höchstens 16 Jahren verlangt. Die »Lowxonimenti" sind von den
Ausarbeitungen der älteren Mädchen ausgewählt worden, und nur in 20
Exemplaren für die Wiener Weltausstellung auf Kosten der Stadt Mailand
hergestellt worden. In Wien wurde dem Bande die Medaille für „Fort¬
schritt" ertheilt. Diese verdiente Auszeichnung ermuthigte die freigebige und
intelligente Philantropie einiger Leute, die Mittel zusammenzubringen, welche
zum Drucke des Bandes nöthig waren, um es zum Besten der Scrophel-
kranken auf den Markt zu bringen. So kann jetzt Jedermann von den
schönen Fortschritten Einsicht nehmen, welche, Dank einer ausgezeichneten
Direction, die Schülerinnen der höheren Töchterschule zu Mailand gemacht
haben. Der größte Theil der Arbeiten würde kundigen Schriftstellern Ehre
machen, wenn ihre Frische nicht auf die glückliche Jugend der Verfasser
schließen ließe. Sie haben alle eine Familienähnlichkeit, man sieht, daß sie
alle aus einer Schule hervorgegangen sind und daß die Schule ausgezeichnet
ist. Kein Pedantismus ist da (wenn man eine einzige etwas zu wichtige und
prätentiöse Arbeit über das moderne Theater ausnimmt), nichts Barakes;
dagegen eine Fülle von Begeisterung, von Geist, Gemüth, Einbildungskraft
und Poesie. Die jungen Mädchen schreiben sämmtlich hübsch, in ganz
correcten und feinem Italienisch; immerhin freilich wie junge Mädchen, mit
den kleinen Malicen, Illusionen, Verzweiflungsanwandlungen und frühreifen
Urtheilen ihrer Jahre, wenn sie wirklich gefühlvoll und intelligent sind. Wir
haben die Ausarbeitungen von 28 jungen Mädchen vor uns, von 13—18 Jahren.
Es sind Ferien-Tagebücher, Sittenzeichnungen, zarte Phantasien, Bekenntnisse,
Characterzeichnungen, illustrirte Sprüchwörter; Alles von bester Art, geschmack¬
voll und voll jugendlicher Frische, die in der That anziehend ist. Ich glaube
nicht, daß man das lombardische junge Mädchen von heute auf einem andern
Wege besser lernen könnte, als durch dies Buch, und ich bin überzeugt, daß
wenn ein deutscher Verleger sich entschließen könnte, eine Uebersetzung zu
unternehmen, er für die nächste Weihnacht den deutschen jungen Mädchen kein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131818"/>
          <p xml:id="ID_432" prev="#ID_431"> rühmen kann, was die italienische Literatur anbelangt, in welcher der Pro¬<lb/>
fessor Giovanni Rizzi unterrichtet; sein Name ist außerhalb Mailands fast<lb/>
unbekannt, aber er verdiente unter der Zahl derer genannt zu werden, welche<lb/>
den wohlthätigsten Einfluß auf das Gedeihen des öffentlichen Unterrichts in<lb/>
Italien ausgeübt haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_433" next="#ID_434"> Die &#x201E;Livies. Lcuola Luxeriore kemminile" ist 1861 zu Mai¬<lb/>
land eröffnet worden; der Cursus ist auf vier Jahre festgestellt. Die Unter¬<lb/>
richtsfächer sind: Moral, italienische Sprache und Literatur, Geographie und<lb/>
Geschichte, französische Sprache und Literatur, Hygieine und die Naturwissen¬<lb/>
schaften, Physik, Arithmetik, Zeichnen, Schönschreiben, weibliche Arbeiten und<lb/>
Gymnastik. Für die Aufnahme in die erste Classe wird ein Alter von wenig¬<lb/>
stens 12, höchstens 16 Jahren verlangt. Die »Lowxonimenti" sind von den<lb/>
Ausarbeitungen der älteren Mädchen ausgewählt worden, und nur in 20<lb/>
Exemplaren für die Wiener Weltausstellung auf Kosten der Stadt Mailand<lb/>
hergestellt worden. In Wien wurde dem Bande die Medaille für &#x201E;Fort¬<lb/>
schritt" ertheilt. Diese verdiente Auszeichnung ermuthigte die freigebige und<lb/>
intelligente Philantropie einiger Leute, die Mittel zusammenzubringen, welche<lb/>
zum Drucke des Bandes nöthig waren, um es zum Besten der Scrophel-<lb/>
kranken auf den Markt zu bringen. So kann jetzt Jedermann von den<lb/>
schönen Fortschritten Einsicht nehmen, welche, Dank einer ausgezeichneten<lb/>
Direction, die Schülerinnen der höheren Töchterschule zu Mailand gemacht<lb/>
haben. Der größte Theil der Arbeiten würde kundigen Schriftstellern Ehre<lb/>
machen, wenn ihre Frische nicht auf die glückliche Jugend der Verfasser<lb/>
schließen ließe. Sie haben alle eine Familienähnlichkeit, man sieht, daß sie<lb/>
alle aus einer Schule hervorgegangen sind und daß die Schule ausgezeichnet<lb/>
ist. Kein Pedantismus ist da (wenn man eine einzige etwas zu wichtige und<lb/>
prätentiöse Arbeit über das moderne Theater ausnimmt), nichts Barakes;<lb/>
dagegen eine Fülle von Begeisterung, von Geist, Gemüth, Einbildungskraft<lb/>
und Poesie. Die jungen Mädchen schreiben sämmtlich hübsch, in ganz<lb/>
correcten und feinem Italienisch; immerhin freilich wie junge Mädchen, mit<lb/>
den kleinen Malicen, Illusionen, Verzweiflungsanwandlungen und frühreifen<lb/>
Urtheilen ihrer Jahre, wenn sie wirklich gefühlvoll und intelligent sind. Wir<lb/>
haben die Ausarbeitungen von 28 jungen Mädchen vor uns, von 13&#x2014;18 Jahren.<lb/>
Es sind Ferien-Tagebücher, Sittenzeichnungen, zarte Phantasien, Bekenntnisse,<lb/>
Characterzeichnungen, illustrirte Sprüchwörter; Alles von bester Art, geschmack¬<lb/>
voll und voll jugendlicher Frische, die in der That anziehend ist. Ich glaube<lb/>
nicht, daß man das lombardische junge Mädchen von heute auf einem andern<lb/>
Wege besser lernen könnte, als durch dies Buch, und ich bin überzeugt, daß<lb/>
wenn ein deutscher Verleger sich entschließen könnte, eine Uebersetzung zu<lb/>
unternehmen, er für die nächste Weihnacht den deutschen jungen Mädchen kein</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0124] rühmen kann, was die italienische Literatur anbelangt, in welcher der Pro¬ fessor Giovanni Rizzi unterrichtet; sein Name ist außerhalb Mailands fast unbekannt, aber er verdiente unter der Zahl derer genannt zu werden, welche den wohlthätigsten Einfluß auf das Gedeihen des öffentlichen Unterrichts in Italien ausgeübt haben. Die „Livies. Lcuola Luxeriore kemminile" ist 1861 zu Mai¬ land eröffnet worden; der Cursus ist auf vier Jahre festgestellt. Die Unter¬ richtsfächer sind: Moral, italienische Sprache und Literatur, Geographie und Geschichte, französische Sprache und Literatur, Hygieine und die Naturwissen¬ schaften, Physik, Arithmetik, Zeichnen, Schönschreiben, weibliche Arbeiten und Gymnastik. Für die Aufnahme in die erste Classe wird ein Alter von wenig¬ stens 12, höchstens 16 Jahren verlangt. Die »Lowxonimenti" sind von den Ausarbeitungen der älteren Mädchen ausgewählt worden, und nur in 20 Exemplaren für die Wiener Weltausstellung auf Kosten der Stadt Mailand hergestellt worden. In Wien wurde dem Bande die Medaille für „Fort¬ schritt" ertheilt. Diese verdiente Auszeichnung ermuthigte die freigebige und intelligente Philantropie einiger Leute, die Mittel zusammenzubringen, welche zum Drucke des Bandes nöthig waren, um es zum Besten der Scrophel- kranken auf den Markt zu bringen. So kann jetzt Jedermann von den schönen Fortschritten Einsicht nehmen, welche, Dank einer ausgezeichneten Direction, die Schülerinnen der höheren Töchterschule zu Mailand gemacht haben. Der größte Theil der Arbeiten würde kundigen Schriftstellern Ehre machen, wenn ihre Frische nicht auf die glückliche Jugend der Verfasser schließen ließe. Sie haben alle eine Familienähnlichkeit, man sieht, daß sie alle aus einer Schule hervorgegangen sind und daß die Schule ausgezeichnet ist. Kein Pedantismus ist da (wenn man eine einzige etwas zu wichtige und prätentiöse Arbeit über das moderne Theater ausnimmt), nichts Barakes; dagegen eine Fülle von Begeisterung, von Geist, Gemüth, Einbildungskraft und Poesie. Die jungen Mädchen schreiben sämmtlich hübsch, in ganz correcten und feinem Italienisch; immerhin freilich wie junge Mädchen, mit den kleinen Malicen, Illusionen, Verzweiflungsanwandlungen und frühreifen Urtheilen ihrer Jahre, wenn sie wirklich gefühlvoll und intelligent sind. Wir haben die Ausarbeitungen von 28 jungen Mädchen vor uns, von 13—18 Jahren. Es sind Ferien-Tagebücher, Sittenzeichnungen, zarte Phantasien, Bekenntnisse, Characterzeichnungen, illustrirte Sprüchwörter; Alles von bester Art, geschmack¬ voll und voll jugendlicher Frische, die in der That anziehend ist. Ich glaube nicht, daß man das lombardische junge Mädchen von heute auf einem andern Wege besser lernen könnte, als durch dies Buch, und ich bin überzeugt, daß wenn ein deutscher Verleger sich entschließen könnte, eine Uebersetzung zu unternehmen, er für die nächste Weihnacht den deutschen jungen Mädchen kein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/124
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/124>, abgerufen am 22.07.2024.