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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Begeisterung des Kriegs gegen Frankreich den Groll über den "Bruderkrieg"
von 1866 vergessen hat und jubelnd in das "kleindeutsche" und doch so große
neue deutsche Reich eingezogen ist, ähnlich würde Elsaß-Lothringen durch eine
nochmalige Besiegung Frankreichs auch innerlich rascher und durchgreifender
für Deutschland gewonnen werden. Es selbst freilich stände in diesem Krieg
in dem uns günstigsten Fall nur mit getheilten Sympathieen da, aber was
für Süddeutschland 1870 die Begeisterung that, würde bei ihm nach entschie¬
dener Sache die politische Vernunft thun, da dann die Vereinigung mit
Deutschland auch dem optimistischen Freunde Frankreichs als durchaus un¬
widerruflich gelten müßte. Oft möchte man darum auch wirklich in verdros¬
senen Stunden, wenn man vergißt, daß die Weltgeschichte nicht für uns
Eintagsfliegen malt, oft möchte man darum auch wünschen, daß die "revanede"
bald käme, und sich an den Vogesen den Kopf zerschellte; denn es ist zu
klar, daß alsdann ein zweites Mal Elsaß-Lothringen der Siegespreis wäre
d. h. der bereits vollzogenen äußeren Eroberung würde alsdann rascher
als sonst auch die innere folgen. Aber nöthig zur Erreichung dieses Ziels
sind doch die Schrecken eines neuen Krieges Gottlob! nicht. Wie die heute
"och centrifugalen Elemente in Süddeutschland und anderwärts naturgemäß
zum Absterben und Aussterben prädestinirt sind, gerade so tragen die in der
Negation gegen Preußen-Deutschland ihnen verbundenen reichsfeindlichen
Massen Elsaß-Lothringens bereits den Todeskeim in sich. Ohne Zweifel
wird das Reichsland zuletzt von allen deutschen Stammgruppen und Staaten-
Bildungen ganz und rückhaltlos in dem Reichsgedanken aufgehen; aber wir
können bei dem Charakter gerade seiner Bewohner uns auch der Hoffnung
hingeben, daß sich alsdann das Wort an ihnen bewähren wird: "Die
Letzten werden die Ersten sein." Und es ist erfreulich, daß der Weg zu
diesem Ziel nicht unbedingt noch einmal durch blutige Schlachtfelder führen
^. muß.




Italienische Briefe.
in.

Ich berichte diesmal weder über einen berühmten Namen noch über eine
Erscheinung, welche besonderes Aufsehen erregt hätte, sondern über ein fast
anonymes Buch, welches soeben in Mailand erschienen, und welches nach meiner
Meinung besonderer Beachtung werth ist; es sind dies die "LaAZi al
'


Grenzbotm Hi. 1874. 13

Begeisterung des Kriegs gegen Frankreich den Groll über den „Bruderkrieg"
von 1866 vergessen hat und jubelnd in das „kleindeutsche" und doch so große
neue deutsche Reich eingezogen ist, ähnlich würde Elsaß-Lothringen durch eine
nochmalige Besiegung Frankreichs auch innerlich rascher und durchgreifender
für Deutschland gewonnen werden. Es selbst freilich stände in diesem Krieg
in dem uns günstigsten Fall nur mit getheilten Sympathieen da, aber was
für Süddeutschland 1870 die Begeisterung that, würde bei ihm nach entschie¬
dener Sache die politische Vernunft thun, da dann die Vereinigung mit
Deutschland auch dem optimistischen Freunde Frankreichs als durchaus un¬
widerruflich gelten müßte. Oft möchte man darum auch wirklich in verdros¬
senen Stunden, wenn man vergißt, daß die Weltgeschichte nicht für uns
Eintagsfliegen malt, oft möchte man darum auch wünschen, daß die „revanede"
bald käme, und sich an den Vogesen den Kopf zerschellte; denn es ist zu
klar, daß alsdann ein zweites Mal Elsaß-Lothringen der Siegespreis wäre
d. h. der bereits vollzogenen äußeren Eroberung würde alsdann rascher
als sonst auch die innere folgen. Aber nöthig zur Erreichung dieses Ziels
sind doch die Schrecken eines neuen Krieges Gottlob! nicht. Wie die heute
"och centrifugalen Elemente in Süddeutschland und anderwärts naturgemäß
zum Absterben und Aussterben prädestinirt sind, gerade so tragen die in der
Negation gegen Preußen-Deutschland ihnen verbundenen reichsfeindlichen
Massen Elsaß-Lothringens bereits den Todeskeim in sich. Ohne Zweifel
wird das Reichsland zuletzt von allen deutschen Stammgruppen und Staaten-
Bildungen ganz und rückhaltlos in dem Reichsgedanken aufgehen; aber wir
können bei dem Charakter gerade seiner Bewohner uns auch der Hoffnung
hingeben, daß sich alsdann das Wort an ihnen bewähren wird: „Die
Letzten werden die Ersten sein." Und es ist erfreulich, daß der Weg zu
diesem Ziel nicht unbedingt noch einmal durch blutige Schlachtfelder führen
^. muß.




Italienische Briefe.
in.

Ich berichte diesmal weder über einen berühmten Namen noch über eine
Erscheinung, welche besonderes Aufsehen erregt hätte, sondern über ein fast
anonymes Buch, welches soeben in Mailand erschienen, und welches nach meiner
Meinung besonderer Beachtung werth ist; es sind dies die „LaAZi al
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[0121] Begeisterung des Kriegs gegen Frankreich den Groll über den „Bruderkrieg" von 1866 vergessen hat und jubelnd in das „kleindeutsche" und doch so große neue deutsche Reich eingezogen ist, ähnlich würde Elsaß-Lothringen durch eine nochmalige Besiegung Frankreichs auch innerlich rascher und durchgreifender für Deutschland gewonnen werden. Es selbst freilich stände in diesem Krieg in dem uns günstigsten Fall nur mit getheilten Sympathieen da, aber was für Süddeutschland 1870 die Begeisterung that, würde bei ihm nach entschie¬ dener Sache die politische Vernunft thun, da dann die Vereinigung mit Deutschland auch dem optimistischen Freunde Frankreichs als durchaus un¬ widerruflich gelten müßte. Oft möchte man darum auch wirklich in verdros¬ senen Stunden, wenn man vergißt, daß die Weltgeschichte nicht für uns Eintagsfliegen malt, oft möchte man darum auch wünschen, daß die „revanede" bald käme, und sich an den Vogesen den Kopf zerschellte; denn es ist zu klar, daß alsdann ein zweites Mal Elsaß-Lothringen der Siegespreis wäre d. h. der bereits vollzogenen äußeren Eroberung würde alsdann rascher als sonst auch die innere folgen. Aber nöthig zur Erreichung dieses Ziels sind doch die Schrecken eines neuen Krieges Gottlob! nicht. Wie die heute "och centrifugalen Elemente in Süddeutschland und anderwärts naturgemäß zum Absterben und Aussterben prädestinirt sind, gerade so tragen die in der Negation gegen Preußen-Deutschland ihnen verbundenen reichsfeindlichen Massen Elsaß-Lothringens bereits den Todeskeim in sich. Ohne Zweifel wird das Reichsland zuletzt von allen deutschen Stammgruppen und Staaten- Bildungen ganz und rückhaltlos in dem Reichsgedanken aufgehen; aber wir können bei dem Charakter gerade seiner Bewohner uns auch der Hoffnung hingeben, daß sich alsdann das Wort an ihnen bewähren wird: „Die Letzten werden die Ersten sein." Und es ist erfreulich, daß der Weg zu diesem Ziel nicht unbedingt noch einmal durch blutige Schlachtfelder führen ^. muß. Italienische Briefe. in. Ich berichte diesmal weder über einen berühmten Namen noch über eine Erscheinung, welche besonderes Aufsehen erregt hätte, sondern über ein fast anonymes Buch, welches soeben in Mailand erschienen, und welches nach meiner Meinung besonderer Beachtung werth ist; es sind dies die „LaAZi al ' Grenzbotm Hi. 1874. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/121>, abgerufen am 22.07.2024.