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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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die Reihen der Homines d'armes, wählten ihre Opfer und nahmen immer
die ausgezeichnetsten Häupter zum Ziele. -- Als Pescara den großen Effect
bemerkte, welchen die 200 Musketiere hervorbrachten, warf er noch 400
Schützen in das Reitergefecht.*) Seeundirt von diesem Feuer, faßt die kaiser-
iche Ritterschaft festen Fuß -, nach und nach geht sie wieder zum Angriff vor.
und endlich rafft sie sich der wankenden Gensdarmerie gegenüber zu einem ge¬
waltigen Vorstoß zusammen. "Es ist keine Hilfe als bei Gott!" ruft der
Vicekönig, "Ihr Herren macht es wie ich!" bezeichnet sich mit dem Kreuz,
gibt seinem Rosse die Sporen und bricht in den Feind. Der Choc ist so
energisch, daß die Gensdarmerie über den Hausen geritten und in voller Flucht
auf die eigene Artillerie geworfen wird. Mit ihr zugleich dringen von der
einen Seite die kaiserlichen Reisigen, von der andern der Marchese von Guasto
mit den albanesischen Reitern ein. und der größte Theil jener Artillerie, die
so Außerordentliches geleistet, fällt in die Hände von Launoy's Wappnern
und Pescara's Hakenschützen.

Mit diesem Einbruch in die Artilleriestellung der Franzosen war ihnen
die Basis ihrer bisherigen großen Erfolge unter den Füßen fortgezogen.
Dennoch standen die Dinge nun eigentlich erst gleich; denn die Kaiserlichen
hatten ja über gar keine Artillerie zu verfügen. So gut wie Launoy's ge¬
worfene Reiter sich zu einem siegreichen Gegenstoß erholt, so gut konnte das
auch die Gensdarmerie der Franzosen, die noch dazu unter ihres Königs un¬
mittelbarer Führung focht. Aber freilich, auch die kaiserlichen Reisigen hatten
zu ihrer Wiederherstellung einer Unterstützung durch Infanterie bedurft. Es
frug sich nun, ob das der geworfenen Gensdarmerie zunächst stehende Fußvolk
derart war, daß von ihr dieselbe Unterstützung erwartet werden konnte wie
die kaiserliche Reiteret sie von den spanischen Arquebuseros empfangen. Jene
Infanterie waren der schwarze Haufe der Deutschen auf dem linken Flügel,
auf dem rechten die Schweizer. Der alte Ruf der Schweizer hätte es wohl
erwarten lassen, daß sie mannhaft und ohne Wanken Widerstand leisteten,
um so mehr, als ihnen zunächst kein ebenbürtiger Gegner entgegentreten konnte,
weil die ihnen unmittelbar gegenüberstehenden Gewalthaufen der deutschen
Landsknechte noch durch das Getümmel der Reiterschlacht gehindert waren,
zum Angriff überzugehn, und also fürs Erste nur die vereinzelt vorbrechenden
Schaaren leichter spanischer Infanterie zu fürchten waren. Doch.schon seit
Marignano hatten die Schweizer, wie Guicciardini mit Recht hervorhebt,



1) I^Sö g'Sktss snserlldls, ur vis as nobis olisvslier L-Vürä, ssoi'ipt ü, r^on et 15 ^our
us "eyk. 1525 "Kap. VII sprechen gar von 4000 "IiN'iuelmtiörs", was wohl auf einem
Schreibfehler beruhen dürfte. Paulus Jovius redet von 800 Hakenschützen, ebenso die Chro¬
nik von du Titlet, Paris 1587. Francesco dn Carpi drückt sich im 43. Capitel des X. Buchs
seiner "Oommsntarikr "riornm temporum" folgendermaßen aus l "600 KoIc"v<Ztkrriis g,v p-"'i
numero grouliukai'iis."

die Reihen der Homines d'armes, wählten ihre Opfer und nahmen immer
die ausgezeichnetsten Häupter zum Ziele. — Als Pescara den großen Effect
bemerkte, welchen die 200 Musketiere hervorbrachten, warf er noch 400
Schützen in das Reitergefecht.*) Seeundirt von diesem Feuer, faßt die kaiser-
iche Ritterschaft festen Fuß -, nach und nach geht sie wieder zum Angriff vor.
und endlich rafft sie sich der wankenden Gensdarmerie gegenüber zu einem ge¬
waltigen Vorstoß zusammen. „Es ist keine Hilfe als bei Gott!" ruft der
Vicekönig, „Ihr Herren macht es wie ich!" bezeichnet sich mit dem Kreuz,
gibt seinem Rosse die Sporen und bricht in den Feind. Der Choc ist so
energisch, daß die Gensdarmerie über den Hausen geritten und in voller Flucht
auf die eigene Artillerie geworfen wird. Mit ihr zugleich dringen von der
einen Seite die kaiserlichen Reisigen, von der andern der Marchese von Guasto
mit den albanesischen Reitern ein. und der größte Theil jener Artillerie, die
so Außerordentliches geleistet, fällt in die Hände von Launoy's Wappnern
und Pescara's Hakenschützen.

Mit diesem Einbruch in die Artilleriestellung der Franzosen war ihnen
die Basis ihrer bisherigen großen Erfolge unter den Füßen fortgezogen.
Dennoch standen die Dinge nun eigentlich erst gleich; denn die Kaiserlichen
hatten ja über gar keine Artillerie zu verfügen. So gut wie Launoy's ge¬
worfene Reiter sich zu einem siegreichen Gegenstoß erholt, so gut konnte das
auch die Gensdarmerie der Franzosen, die noch dazu unter ihres Königs un¬
mittelbarer Führung focht. Aber freilich, auch die kaiserlichen Reisigen hatten
zu ihrer Wiederherstellung einer Unterstützung durch Infanterie bedurft. Es
frug sich nun, ob das der geworfenen Gensdarmerie zunächst stehende Fußvolk
derart war, daß von ihr dieselbe Unterstützung erwartet werden konnte wie
die kaiserliche Reiteret sie von den spanischen Arquebuseros empfangen. Jene
Infanterie waren der schwarze Haufe der Deutschen auf dem linken Flügel,
auf dem rechten die Schweizer. Der alte Ruf der Schweizer hätte es wohl
erwarten lassen, daß sie mannhaft und ohne Wanken Widerstand leisteten,
um so mehr, als ihnen zunächst kein ebenbürtiger Gegner entgegentreten konnte,
weil die ihnen unmittelbar gegenüberstehenden Gewalthaufen der deutschen
Landsknechte noch durch das Getümmel der Reiterschlacht gehindert waren,
zum Angriff überzugehn, und also fürs Erste nur die vereinzelt vorbrechenden
Schaaren leichter spanischer Infanterie zu fürchten waren. Doch.schon seit
Marignano hatten die Schweizer, wie Guicciardini mit Recht hervorhebt,



1) I^Sö g'Sktss snserlldls, ur vis as nobis olisvslier L-Vürä, ssoi'ipt ü, r^on et 15 ^our
us «eyk. 1525 «Kap. VII sprechen gar von 4000 „IiN'iuelmtiörs", was wohl auf einem
Schreibfehler beruhen dürfte. Paulus Jovius redet von 800 Hakenschützen, ebenso die Chro¬
nik von du Titlet, Paris 1587. Francesco dn Carpi drückt sich im 43. Capitel des X. Buchs
seiner „Oommsntarikr »riornm temporum" folgendermaßen aus l „600 KoIc»v<Ztkrriis g,v p-»'i
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/108>, abgerufen am 22.07.2024.