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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Hälfte zu zahlen; heirathet er eines Meisters Tochter, so ist er ganz frei,
heirathet ein Knecht eines Meisters Tochter, so ist er halb frei (Bres-
lau). Man sieht, es war dafür gesorgt, die Meistertöchter an den Mann
zu bringen. Es ist übrigens bekannt, daß noch bis zum Jahre 1866 in der
verflossenen freien Reichsstadt Frankfurt das Sprichwort galt, jede Bürgers¬
tochter habe dreitausend Gulden Mitgift im Strickkorbe -- falls nämlich ein
Auswärtiger sich durch die Heirath das Bürgerrecht gratis erwerben wollte.

Daß auch Frauen in die Zunft eintreten -- ob mit allen Rechten, läßt
sich bezweifeln -- ist aus mehreren Bestimmungen zu ersehen; einmal, daß
die Gesellen ihren Contrakt auch der Wittwe eines Malers zu halten ge¬
zwungen waren, weiter, daß sich in der That Malerinnen, sei es als aus¬
übende Künstlerinnen, sei es als Geschäftsinhaberinnen gar nicht so selten
fanden. Hier gleich eine ganze Reihe aus Nürnberg, aus der zweiten Hälfte
des fünfzehnten Jahrhunderts: 1433 Ell, Kartenmacherin 1436, Elis, Karten-
macherin 1438, Margret. Kartenmalerin 1462, Pueri Stefhan, Kartenmaler
1467, Pueri Hiltprant, Kartenmaler 1474--76, Helena Jacob Wolgemutin,
Elis Albrecht Wohlgemuthin Agnes, Briefmalerin 1481, Kur, Schönmalerin
1495, Helene Pleidencrurffin u. a. -- Des Sylvester Goldschmidts Hausfrau
wird 1450 von der Malerzunft verklagt, daß sie ihr ins Handwerk greife,
Seidenstickerei zu machen. Sie soll die Meisterprüfung bestehen und in die
Büchse zahlen, so wolle man sie gern achten.

Zur Besatzung als Meister gehörte weiter, wie eben angeführt die Ab¬
legung einer Prüfung. Verfertigung eines Meisterstückes. Gegenstand, Größe
und Art der Herstellung sind meist von vorn herein festgestellt. Von Feinheit
und Originalität der Erfindung konnte hierbei natürlich nicht die Rede sein.
Die Darstellungsobjekte waren von typischer Gestaltung; ein Crucisirus, ein
Ritter Georg, ein Laurentius, Rochus, Petrus, Jesaias, sah aus wie der
Andere, dieselbe Haltung, Gewandung, dasselbe Attribut, dieselben Schrift¬
bänder. Es genügte zur Meisterschaft, daß der Gesell in seinem Meisterstücke
nachwies: so macht man eine Hand, einen Fuß. Bart. Haare, Mantel, den
Lindwurm nach den Regeln der Kunst. Das Meisterstück gab dem Publikum
die Versicherung, daß es für sein Geld vom Maler ein meisterlich correktes
Bild erhalte, wie ihm der Schuster einen meisterlich correkten Stiefel garan-
tirte -- freilich auch die Versicherung, daß er nicht mehr zu verlangen habe.

Wer do meister wil werden Moler Snitzer und glaser die sollen meister stuck
machen, nemlich Ein Marienbild mit einem Kynde, das ander: Ein crucifixio, das
dritte: Sant Jörgen auf dem rosse, welche die meister beschauen sollen, vo her
milde vorfaren nagt, off des künftige meister hier wem und ir hantwergk am
meine (Victorum stawta 6. a. 1490 zu Cracau). -- De glasewerten Scoten malen
am cruce, unde een marienbilt unde Sünde Johansen darunter, unde Sünde Jurianc
supp eenen verde; unde de maelere Scoten des gheliik ok bim (Hamburger Ordnung


Gmijiwtm 1. 1874. 12

Hälfte zu zahlen; heirathet er eines Meisters Tochter, so ist er ganz frei,
heirathet ein Knecht eines Meisters Tochter, so ist er halb frei (Bres-
lau). Man sieht, es war dafür gesorgt, die Meistertöchter an den Mann
zu bringen. Es ist übrigens bekannt, daß noch bis zum Jahre 1866 in der
verflossenen freien Reichsstadt Frankfurt das Sprichwort galt, jede Bürgers¬
tochter habe dreitausend Gulden Mitgift im Strickkorbe — falls nämlich ein
Auswärtiger sich durch die Heirath das Bürgerrecht gratis erwerben wollte.

Daß auch Frauen in die Zunft eintreten — ob mit allen Rechten, läßt
sich bezweifeln — ist aus mehreren Bestimmungen zu ersehen; einmal, daß
die Gesellen ihren Contrakt auch der Wittwe eines Malers zu halten ge¬
zwungen waren, weiter, daß sich in der That Malerinnen, sei es als aus¬
übende Künstlerinnen, sei es als Geschäftsinhaberinnen gar nicht so selten
fanden. Hier gleich eine ganze Reihe aus Nürnberg, aus der zweiten Hälfte
des fünfzehnten Jahrhunderts: 1433 Ell, Kartenmacherin 1436, Elis, Karten-
macherin 1438, Margret. Kartenmalerin 1462, Pueri Stefhan, Kartenmaler
1467, Pueri Hiltprant, Kartenmaler 1474—76, Helena Jacob Wolgemutin,
Elis Albrecht Wohlgemuthin Agnes, Briefmalerin 1481, Kur, Schönmalerin
1495, Helene Pleidencrurffin u. a. — Des Sylvester Goldschmidts Hausfrau
wird 1450 von der Malerzunft verklagt, daß sie ihr ins Handwerk greife,
Seidenstickerei zu machen. Sie soll die Meisterprüfung bestehen und in die
Büchse zahlen, so wolle man sie gern achten.

Zur Besatzung als Meister gehörte weiter, wie eben angeführt die Ab¬
legung einer Prüfung. Verfertigung eines Meisterstückes. Gegenstand, Größe
und Art der Herstellung sind meist von vorn herein festgestellt. Von Feinheit
und Originalität der Erfindung konnte hierbei natürlich nicht die Rede sein.
Die Darstellungsobjekte waren von typischer Gestaltung; ein Crucisirus, ein
Ritter Georg, ein Laurentius, Rochus, Petrus, Jesaias, sah aus wie der
Andere, dieselbe Haltung, Gewandung, dasselbe Attribut, dieselben Schrift¬
bänder. Es genügte zur Meisterschaft, daß der Gesell in seinem Meisterstücke
nachwies: so macht man eine Hand, einen Fuß. Bart. Haare, Mantel, den
Lindwurm nach den Regeln der Kunst. Das Meisterstück gab dem Publikum
die Versicherung, daß es für sein Geld vom Maler ein meisterlich correktes
Bild erhalte, wie ihm der Schuster einen meisterlich correkten Stiefel garan-
tirte — freilich auch die Versicherung, daß er nicht mehr zu verlangen habe.

Wer do meister wil werden Moler Snitzer und glaser die sollen meister stuck
machen, nemlich Ein Marienbild mit einem Kynde, das ander: Ein crucifixio, das
dritte: Sant Jörgen auf dem rosse, welche die meister beschauen sollen, vo her
milde vorfaren nagt, off des künftige meister hier wem und ir hantwergk am
meine (Victorum stawta 6. a. 1490 zu Cracau). — De glasewerten Scoten malen
am cruce, unde een marienbilt unde Sünde Johansen darunter, unde Sünde Jurianc
supp eenen verde; unde de maelere Scoten des gheliik ok bim (Hamburger Ordnung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/95>, abgerufen am 25.12.2024.