Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.den schwarzen Felsen die Christen beim Gottesdienst, wird selbst Christin und den schwarzen Felsen die Christen beim Gottesdienst, wird selbst Christin und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0514" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131158"/> <p xml:id="ID_1450" prev="#ID_1449"> den schwarzen Felsen die Christen beim Gottesdienst, wird selbst Christin und<lb/> theilt dies ihrem Gemahl mit. Er aber wirft sein Schwert nach ihr, daß sie<lb/> todt hinsinkt. Als er ihr Blut sieht, stürzt er nach dem Meer, wo die<lb/> wahnsinnige numidische Prinzessin kauert, und Beide stürzen in die Brandung.<lb/> Ende. — Das ist gewiß ein Bischen viel auf einmal und vielfach von mo¬<lb/> derner Auffassung getragen, nicht von antiker. Namentlich ist die würde- und<lb/> willenlose Stellung der Haustochter Sempronia dem Rechte und Rechts¬<lb/> gebrauche der Zeit wenig entsprechend. Denn das ist keine Frage, daß die<lb/> Willensfreiheit und Rechtsbefugniß der Hauskinder und Ehefrauen sich<lb/> unter den Kaisern mehr unserm modernen Rechtsbewußtsein nähert, als<lb/> in den Tagen der römischen Republik. Auch das Vorwiegen des Ge¬<lb/> müthslebens, ja der Gewissensarbeit, wie es hier die Handlung beherrscht,<lb/> ist ein der antiken, ja selbst der christlich-romanischen Welt so fremd¬<lb/> artiger Zug, daß er in einem Kulturbild „aus altrömischer Zeit" wohl<lb/> sparsamer hätte angebracht werden sollen. Aber diese Mängel werden anderer¬<lb/> seits durch die echt künstlerische Composition reichlich aufgewogen, welche ge¬<lb/> rade dieses Kulturbild des Verfassers auszeichnet. Alle einzelnen Motive und<lb/> Bilder, welche in der „Hochzeit zu.Karthago" an uns vorübergeführt werden<lb/> stehen in greifbarer Beziehung zu der hohen Idee, welche der Dichter in<lb/> diesem Stücke zur Geltung bringen will. Diese Idee ist das Christenthum.<lb/> Der Dichter will zeigen, wie alle Schattenseiten der sinkenden Größe der rö¬<lb/> mischen Macht: die Unnatur des raffinirtesten Luxus Weniger neben der<lb/> schrecklichsten Armuth der Massen, die Lieblosigkeit des häuslichen und ehelichen<lb/> Lebens, die absolute Glaubens- und Sittenlosigkeit Aller, die entwürdigende<lb/> Sklaverei, die wüste Barbarei öffentlicher Menschenschlächtereien, überhaupt<lb/> die Wiedergeburt der menschlichen Würde und des Gewissens nur möglich<lb/> war durch die Religion der Liebe, durch die Lehre Christi. Daß diese Reli¬<lb/> gion das stolze Weltreich in Trümmer stürzt, ahnen wir schon aus diesem<lb/> Bilde, auf welchem die Bekenner des Gekreuzigten noch den wilden Thieren<lb/> zur Speise dienen und die Ueberlebenden in den Klüften der schwarzen Felsen<lb/> zu ihrem Gott beten. Denn das Herz der stolzen Heidin, die Cupido gestern<lb/> noch dem mächtigen Proconsul ins Brautgemach führte, wird ergriffen von<lb/> der Weihe und dem Ernst des neuen Glaubens und sie wird Christin in der<lb/> Ueberzeugung: „der Gott, der solchen Glauben erzeugt, der muß doch wohl<lb/> der größere sein".</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0514]
den schwarzen Felsen die Christen beim Gottesdienst, wird selbst Christin und
theilt dies ihrem Gemahl mit. Er aber wirft sein Schwert nach ihr, daß sie
todt hinsinkt. Als er ihr Blut sieht, stürzt er nach dem Meer, wo die
wahnsinnige numidische Prinzessin kauert, und Beide stürzen in die Brandung.
Ende. — Das ist gewiß ein Bischen viel auf einmal und vielfach von mo¬
derner Auffassung getragen, nicht von antiker. Namentlich ist die würde- und
willenlose Stellung der Haustochter Sempronia dem Rechte und Rechts¬
gebrauche der Zeit wenig entsprechend. Denn das ist keine Frage, daß die
Willensfreiheit und Rechtsbefugniß der Hauskinder und Ehefrauen sich
unter den Kaisern mehr unserm modernen Rechtsbewußtsein nähert, als
in den Tagen der römischen Republik. Auch das Vorwiegen des Ge¬
müthslebens, ja der Gewissensarbeit, wie es hier die Handlung beherrscht,
ist ein der antiken, ja selbst der christlich-romanischen Welt so fremd¬
artiger Zug, daß er in einem Kulturbild „aus altrömischer Zeit" wohl
sparsamer hätte angebracht werden sollen. Aber diese Mängel werden anderer¬
seits durch die echt künstlerische Composition reichlich aufgewogen, welche ge¬
rade dieses Kulturbild des Verfassers auszeichnet. Alle einzelnen Motive und
Bilder, welche in der „Hochzeit zu.Karthago" an uns vorübergeführt werden
stehen in greifbarer Beziehung zu der hohen Idee, welche der Dichter in
diesem Stücke zur Geltung bringen will. Diese Idee ist das Christenthum.
Der Dichter will zeigen, wie alle Schattenseiten der sinkenden Größe der rö¬
mischen Macht: die Unnatur des raffinirtesten Luxus Weniger neben der
schrecklichsten Armuth der Massen, die Lieblosigkeit des häuslichen und ehelichen
Lebens, die absolute Glaubens- und Sittenlosigkeit Aller, die entwürdigende
Sklaverei, die wüste Barbarei öffentlicher Menschenschlächtereien, überhaupt
die Wiedergeburt der menschlichen Würde und des Gewissens nur möglich
war durch die Religion der Liebe, durch die Lehre Christi. Daß diese Reli¬
gion das stolze Weltreich in Trümmer stürzt, ahnen wir schon aus diesem
Bilde, auf welchem die Bekenner des Gekreuzigten noch den wilden Thieren
zur Speise dienen und die Ueberlebenden in den Klüften der schwarzen Felsen
zu ihrem Gott beten. Denn das Herz der stolzen Heidin, die Cupido gestern
noch dem mächtigen Proconsul ins Brautgemach führte, wird ergriffen von
der Weihe und dem Ernst des neuen Glaubens und sie wird Christin in der
Ueberzeugung: „der Gott, der solchen Glauben erzeugt, der muß doch wohl
der größere sein".
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |