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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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tungen der preußischen officiösen Blätter sind zu unbestimmt gehalten, um
mehr als allgemeine Verdachtsgründe zu liefern. Daß ein dringendes Be¬
dürfniß zu weiteren Eröffnungen vorhanden wäre, wollen wir damit nicht
sagen. Die Bismarck'sche Politik des Jahres 1866 liegt in allem Wesent-
lichen vor Freund und Feind schon jetzt so offen da, daß es schwer ist, ihr
irgend etwas zu imputiren, was nicht nach dem bekannten Material berichtigt
oder zurückgewiesen werden könnte. Nicht mit Unrecht hat Visconti Venosta
überdies jüngst im italienischen Parlamente betont, daß gegenüber den er¬
reichten Resultaten die Anklage wegen derartiger Velleitäten, diese selbst zu¬
gestanden, eine sehr widersinnige sei. Aber freilich deshalb noch keine wir¬
kungslose. Vielmehr liegt es tief in der menschlichen Natur begründet, daß
da, wo die wirklichen Handlungen keinen Stoff zur Verdächtigung geben, nach
angeblichen Absichten gespürt wird, die nur durch besondere Gunst der Er¬
eignisse nicht zur Ausführung gekommen seien. Kann man Jemandem nicht
nachweisen, daß er etwas Verwerfliches gethan habe, so sucht man wenigstens
zu insinuiren, daß er es gegebenen Falls zu thun bereit gewesen wäre. Wir
dürfen uns nicht verhehlen, daß die Gegner des Reichskanzlers auf gut jesui¬
tisch diese Angriffsweise zu befolgen nicht verschmähen und daß sie damit ein
Gebiet betreten, auf welchem sie zu bekämpfen ungleich schwerer ist, als auf
dem der Thatsachen. Denn gegenüber der leicht haftenden Beschuldigung
etwas gewollt zu haben, giebt es in den meisten Fällen nur die directe
Ableugnung seitens des Beschuldigten. Diese wird aber niemals verhindern
können, daß bei den Aufgestachelten und Uebelwollenden von der Verleumdung
etwas hangen bleibt, und überdies zieht sie. was unsere Ultramontanen ja so
sehr wünschen, den reizbaren Fürsten in die persönliche Discussion hinein, bei
der es dann immerhin einmal vorkommen könnte, daß sein Gedächtniß ihm
einen schlechten Streich spielte und ihm in Nebenpunkten Ungenauigkeiten ent¬
führen, die Stoff zu neuen Recriminationen böten. Die neuliche'n Artikel der
Germania über den Zeitpunkt, in welchem die preußisch-ungarische Legion ge¬
bildet sei, können dafür schon als Beleg dienen. Unter diesem Gesichtspunkte
ist eine möglichst große Publicität der Verhandlungen von 1866 gewiß
wünschenswert!), und wir hoffen, daß weitere authentische Mittheilungen von
dritter Seite, wie die von Czaki, Usedom und Bernhardt ausgegangenen, nicht
ausbleiben werden.


Constantin Bulle.


tungen der preußischen officiösen Blätter sind zu unbestimmt gehalten, um
mehr als allgemeine Verdachtsgründe zu liefern. Daß ein dringendes Be¬
dürfniß zu weiteren Eröffnungen vorhanden wäre, wollen wir damit nicht
sagen. Die Bismarck'sche Politik des Jahres 1866 liegt in allem Wesent-
lichen vor Freund und Feind schon jetzt so offen da, daß es schwer ist, ihr
irgend etwas zu imputiren, was nicht nach dem bekannten Material berichtigt
oder zurückgewiesen werden könnte. Nicht mit Unrecht hat Visconti Venosta
überdies jüngst im italienischen Parlamente betont, daß gegenüber den er¬
reichten Resultaten die Anklage wegen derartiger Velleitäten, diese selbst zu¬
gestanden, eine sehr widersinnige sei. Aber freilich deshalb noch keine wir¬
kungslose. Vielmehr liegt es tief in der menschlichen Natur begründet, daß
da, wo die wirklichen Handlungen keinen Stoff zur Verdächtigung geben, nach
angeblichen Absichten gespürt wird, die nur durch besondere Gunst der Er¬
eignisse nicht zur Ausführung gekommen seien. Kann man Jemandem nicht
nachweisen, daß er etwas Verwerfliches gethan habe, so sucht man wenigstens
zu insinuiren, daß er es gegebenen Falls zu thun bereit gewesen wäre. Wir
dürfen uns nicht verhehlen, daß die Gegner des Reichskanzlers auf gut jesui¬
tisch diese Angriffsweise zu befolgen nicht verschmähen und daß sie damit ein
Gebiet betreten, auf welchem sie zu bekämpfen ungleich schwerer ist, als auf
dem der Thatsachen. Denn gegenüber der leicht haftenden Beschuldigung
etwas gewollt zu haben, giebt es in den meisten Fällen nur die directe
Ableugnung seitens des Beschuldigten. Diese wird aber niemals verhindern
können, daß bei den Aufgestachelten und Uebelwollenden von der Verleumdung
etwas hangen bleibt, und überdies zieht sie. was unsere Ultramontanen ja so
sehr wünschen, den reizbaren Fürsten in die persönliche Discussion hinein, bei
der es dann immerhin einmal vorkommen könnte, daß sein Gedächtniß ihm
einen schlechten Streich spielte und ihm in Nebenpunkten Ungenauigkeiten ent¬
führen, die Stoff zu neuen Recriminationen böten. Die neuliche'n Artikel der
Germania über den Zeitpunkt, in welchem die preußisch-ungarische Legion ge¬
bildet sei, können dafür schon als Beleg dienen. Unter diesem Gesichtspunkte
ist eine möglichst große Publicität der Verhandlungen von 1866 gewiß
wünschenswert!), und wir hoffen, daß weitere authentische Mittheilungen von
dritter Seite, wie die von Czaki, Usedom und Bernhardt ausgegangenen, nicht
ausbleiben werden.


Constantin Bulle.


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[0465] tungen der preußischen officiösen Blätter sind zu unbestimmt gehalten, um mehr als allgemeine Verdachtsgründe zu liefern. Daß ein dringendes Be¬ dürfniß zu weiteren Eröffnungen vorhanden wäre, wollen wir damit nicht sagen. Die Bismarck'sche Politik des Jahres 1866 liegt in allem Wesent- lichen vor Freund und Feind schon jetzt so offen da, daß es schwer ist, ihr irgend etwas zu imputiren, was nicht nach dem bekannten Material berichtigt oder zurückgewiesen werden könnte. Nicht mit Unrecht hat Visconti Venosta überdies jüngst im italienischen Parlamente betont, daß gegenüber den er¬ reichten Resultaten die Anklage wegen derartiger Velleitäten, diese selbst zu¬ gestanden, eine sehr widersinnige sei. Aber freilich deshalb noch keine wir¬ kungslose. Vielmehr liegt es tief in der menschlichen Natur begründet, daß da, wo die wirklichen Handlungen keinen Stoff zur Verdächtigung geben, nach angeblichen Absichten gespürt wird, die nur durch besondere Gunst der Er¬ eignisse nicht zur Ausführung gekommen seien. Kann man Jemandem nicht nachweisen, daß er etwas Verwerfliches gethan habe, so sucht man wenigstens zu insinuiren, daß er es gegebenen Falls zu thun bereit gewesen wäre. Wir dürfen uns nicht verhehlen, daß die Gegner des Reichskanzlers auf gut jesui¬ tisch diese Angriffsweise zu befolgen nicht verschmähen und daß sie damit ein Gebiet betreten, auf welchem sie zu bekämpfen ungleich schwerer ist, als auf dem der Thatsachen. Denn gegenüber der leicht haftenden Beschuldigung etwas gewollt zu haben, giebt es in den meisten Fällen nur die directe Ableugnung seitens des Beschuldigten. Diese wird aber niemals verhindern können, daß bei den Aufgestachelten und Uebelwollenden von der Verleumdung etwas hangen bleibt, und überdies zieht sie. was unsere Ultramontanen ja so sehr wünschen, den reizbaren Fürsten in die persönliche Discussion hinein, bei der es dann immerhin einmal vorkommen könnte, daß sein Gedächtniß ihm einen schlechten Streich spielte und ihm in Nebenpunkten Ungenauigkeiten ent¬ führen, die Stoff zu neuen Recriminationen böten. Die neuliche'n Artikel der Germania über den Zeitpunkt, in welchem die preußisch-ungarische Legion ge¬ bildet sei, können dafür schon als Beleg dienen. Unter diesem Gesichtspunkte ist eine möglichst große Publicität der Verhandlungen von 1866 gewiß wünschenswert!), und wir hoffen, daß weitere authentische Mittheilungen von dritter Seite, wie die von Czaki, Usedom und Bernhardt ausgegangenen, nicht ausbleiben werden. Constantin Bulle.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/465>, abgerufen am 25.08.2024.