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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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derselben eine sehr versöhnliche sei. Diese Beobachtung theilte er bei seiner
Ankunft in Italien natürlich auch Lamarmora mit. den er in seinem Haupt¬
quartier besuchte, aber da dies erst am 19. oder 20. Juni war, so konnte
jener unmöglich schon acht Tage vorher Kenntniß davon haben und sich
dadurch beeinflussen lassen. Wir haben es also auch hier zu guter Letzt noch
mit einer Zurechtrückung und Fälschung der Daten zu thun, die Lamarmora's
Zuverlässigkeit in das allerbedenklichste Licht stellt.

Von seinen Bemerkungen über die berühmte Usedom'sche Feldzugsplan-
Depesche vom 17. Juni schweigen wir, weil wir, zumal nach Usedom's jüng¬
sten Briefe nichts Neues darüber zu sagen wüßten. Auch eines zusammen¬
fassenden Urtheils dürften wir uns billig enthalten, da die mitgetheilten Um"
stände, wie wir glauben, vernehmlich genug sprechen. Es wird als unum¬
stößliche Thatsache hingestellt werden dürfen, daß Lamarmora's Wort als
Zeugniß für irgend eine Thatsache durchaus gar keinen Glauben beanspruchen
könne und daß die Documente, welche er mittheilt, nur mit der größten Vor¬
sicht benutzt werden dürfen. In einer Beziehung wird der Leser in Folge
unseres Referates wahrscheinlich noch eine viel zu günstige Meinung von dem
"wenigen Lichte", das der General angezündet hat, empfangen haben. Wir
haben nämlich, um den Faden der Ereignisse möglichst ungestört verfolgen zu
können, darauf verzichtet, hervorzuheben, wie sorgsam der General das Zu¬
sammengehörige, aber sich Widersprechende auf die verschiedenen Kapitel seines
Buches vertheilt hat; in dieser Richtung kann man ihm eine gewisse Schlau¬
heit nicht abstreiten, während im Allgemeinen doch die Plumpheit und Unge¬
schicklichkeit seines Raisonnements, das sich an so vielen Stellen selbst Blößen
giebt, überraschen muß. Selbst diese Ungeschicklichkeit kommt indeß bei einer
flüchtigen Lectüre, wie wir schon Eingangs bemerkten, dem Schriftsteller zu
Gute. Wir wenigstens können nicht leugnen, daß wir nach dem ersten Durch¬
blättern des Buches die Vorstellung gewonnen hatten, der Mann sei zwar
sehr eitel und ungelenk, aber er sei ehrlich und von der Wahrheit dessen, was
er sage, durchdrungen. Die Verstümmelungen der Actenstücke und die Lücken
in der Darstellung, die er sich erlaubt, schoben wir nicht auf ein schlechtes
Gewissen, sondern vielmehr auf den Wunsch, solche Punkte unberührt zu lassen,
deren Klärung eine umständliche Erörterung erfordert und vielleicht andere
italienische Staatsmänner compromittirt haben würde. So dachten wir
längere Zeit besonders über die ungarische Angelegenheit. Allein vor einer
genaueren Prüfung der Daten und vor einer Vergleichung mit dem sonst be¬
kannt gewordenen Material konnte eine solche optimistische Deutung nicht
Stand halten. Es sind bis jetzt von gegnerischer Seite erst äußerst wenig
positive Enthüllungen zu Tage gefördert, die eine Kritik des Lamarmora'schen
Buches in vollem Umfange noch nicht ermöglichen; insbesondere die Arten"


derselben eine sehr versöhnliche sei. Diese Beobachtung theilte er bei seiner
Ankunft in Italien natürlich auch Lamarmora mit. den er in seinem Haupt¬
quartier besuchte, aber da dies erst am 19. oder 20. Juni war, so konnte
jener unmöglich schon acht Tage vorher Kenntniß davon haben und sich
dadurch beeinflussen lassen. Wir haben es also auch hier zu guter Letzt noch
mit einer Zurechtrückung und Fälschung der Daten zu thun, die Lamarmora's
Zuverlässigkeit in das allerbedenklichste Licht stellt.

Von seinen Bemerkungen über die berühmte Usedom'sche Feldzugsplan-
Depesche vom 17. Juni schweigen wir, weil wir, zumal nach Usedom's jüng¬
sten Briefe nichts Neues darüber zu sagen wüßten. Auch eines zusammen¬
fassenden Urtheils dürften wir uns billig enthalten, da die mitgetheilten Um«
stände, wie wir glauben, vernehmlich genug sprechen. Es wird als unum¬
stößliche Thatsache hingestellt werden dürfen, daß Lamarmora's Wort als
Zeugniß für irgend eine Thatsache durchaus gar keinen Glauben beanspruchen
könne und daß die Documente, welche er mittheilt, nur mit der größten Vor¬
sicht benutzt werden dürfen. In einer Beziehung wird der Leser in Folge
unseres Referates wahrscheinlich noch eine viel zu günstige Meinung von dem
„wenigen Lichte", das der General angezündet hat, empfangen haben. Wir
haben nämlich, um den Faden der Ereignisse möglichst ungestört verfolgen zu
können, darauf verzichtet, hervorzuheben, wie sorgsam der General das Zu¬
sammengehörige, aber sich Widersprechende auf die verschiedenen Kapitel seines
Buches vertheilt hat; in dieser Richtung kann man ihm eine gewisse Schlau¬
heit nicht abstreiten, während im Allgemeinen doch die Plumpheit und Unge¬
schicklichkeit seines Raisonnements, das sich an so vielen Stellen selbst Blößen
giebt, überraschen muß. Selbst diese Ungeschicklichkeit kommt indeß bei einer
flüchtigen Lectüre, wie wir schon Eingangs bemerkten, dem Schriftsteller zu
Gute. Wir wenigstens können nicht leugnen, daß wir nach dem ersten Durch¬
blättern des Buches die Vorstellung gewonnen hatten, der Mann sei zwar
sehr eitel und ungelenk, aber er sei ehrlich und von der Wahrheit dessen, was
er sage, durchdrungen. Die Verstümmelungen der Actenstücke und die Lücken
in der Darstellung, die er sich erlaubt, schoben wir nicht auf ein schlechtes
Gewissen, sondern vielmehr auf den Wunsch, solche Punkte unberührt zu lassen,
deren Klärung eine umständliche Erörterung erfordert und vielleicht andere
italienische Staatsmänner compromittirt haben würde. So dachten wir
längere Zeit besonders über die ungarische Angelegenheit. Allein vor einer
genaueren Prüfung der Daten und vor einer Vergleichung mit dem sonst be¬
kannt gewordenen Material konnte eine solche optimistische Deutung nicht
Stand halten. Es sind bis jetzt von gegnerischer Seite erst äußerst wenig
positive Enthüllungen zu Tage gefördert, die eine Kritik des Lamarmora'schen
Buches in vollem Umfange noch nicht ermöglichen; insbesondere die Arten«


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[0464] derselben eine sehr versöhnliche sei. Diese Beobachtung theilte er bei seiner Ankunft in Italien natürlich auch Lamarmora mit. den er in seinem Haupt¬ quartier besuchte, aber da dies erst am 19. oder 20. Juni war, so konnte jener unmöglich schon acht Tage vorher Kenntniß davon haben und sich dadurch beeinflussen lassen. Wir haben es also auch hier zu guter Letzt noch mit einer Zurechtrückung und Fälschung der Daten zu thun, die Lamarmora's Zuverlässigkeit in das allerbedenklichste Licht stellt. Von seinen Bemerkungen über die berühmte Usedom'sche Feldzugsplan- Depesche vom 17. Juni schweigen wir, weil wir, zumal nach Usedom's jüng¬ sten Briefe nichts Neues darüber zu sagen wüßten. Auch eines zusammen¬ fassenden Urtheils dürften wir uns billig enthalten, da die mitgetheilten Um« stände, wie wir glauben, vernehmlich genug sprechen. Es wird als unum¬ stößliche Thatsache hingestellt werden dürfen, daß Lamarmora's Wort als Zeugniß für irgend eine Thatsache durchaus gar keinen Glauben beanspruchen könne und daß die Documente, welche er mittheilt, nur mit der größten Vor¬ sicht benutzt werden dürfen. In einer Beziehung wird der Leser in Folge unseres Referates wahrscheinlich noch eine viel zu günstige Meinung von dem „wenigen Lichte", das der General angezündet hat, empfangen haben. Wir haben nämlich, um den Faden der Ereignisse möglichst ungestört verfolgen zu können, darauf verzichtet, hervorzuheben, wie sorgsam der General das Zu¬ sammengehörige, aber sich Widersprechende auf die verschiedenen Kapitel seines Buches vertheilt hat; in dieser Richtung kann man ihm eine gewisse Schlau¬ heit nicht abstreiten, während im Allgemeinen doch die Plumpheit und Unge¬ schicklichkeit seines Raisonnements, das sich an so vielen Stellen selbst Blößen giebt, überraschen muß. Selbst diese Ungeschicklichkeit kommt indeß bei einer flüchtigen Lectüre, wie wir schon Eingangs bemerkten, dem Schriftsteller zu Gute. Wir wenigstens können nicht leugnen, daß wir nach dem ersten Durch¬ blättern des Buches die Vorstellung gewonnen hatten, der Mann sei zwar sehr eitel und ungelenk, aber er sei ehrlich und von der Wahrheit dessen, was er sage, durchdrungen. Die Verstümmelungen der Actenstücke und die Lücken in der Darstellung, die er sich erlaubt, schoben wir nicht auf ein schlechtes Gewissen, sondern vielmehr auf den Wunsch, solche Punkte unberührt zu lassen, deren Klärung eine umständliche Erörterung erfordert und vielleicht andere italienische Staatsmänner compromittirt haben würde. So dachten wir längere Zeit besonders über die ungarische Angelegenheit. Allein vor einer genaueren Prüfung der Daten und vor einer Vergleichung mit dem sonst be¬ kannt gewordenen Material konnte eine solche optimistische Deutung nicht Stand halten. Es sind bis jetzt von gegnerischer Seite erst äußerst wenig positive Enthüllungen zu Tage gefördert, die eine Kritik des Lamarmora'schen Buches in vollem Umfange noch nicht ermöglichen; insbesondere die Arten«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/464>, abgerufen am 25.12.2024.