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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Pergamente und Papiere durchblättert, wird man von der sich darin abspie¬
lenden Geschichte auf das lebhafteste ergriffen; unwillkürlich sondert man von
derselben alles Künstliche, Gemachte, die Interpretation der Schriftsteller ab.
Bisher sind diese werthvollen Schätze im Staube der Klöster :c. vergraben
gewesen und trotz der gigantischen Arbeit des Classisicirens und Verzeichnis
derselben durch die Benedictiner und andere geduldige Gelehrten ist doch kaum
ein halbes Jahrhundert verflossen, seit sie theilweise an das Licht der Oeffent-
lichkeit getreten sind/

Es scheint wohl mehr auf die französischen Gelehrten gemünzt zu sein,
wenn der gedachte Schriftsteller weiter sich, wie folgt, äußert: "Wenn alle
Diejenigen, welche sich mit unserer Prvvinzial-Geschichte beschäftigen, den
Weg der Wenigen einschlagen möchten (die auf die Quellen zurückgehen), so
würde viel gewonnen sein. Wieviel neue Bücher voll Verdienst und Gelehr¬
samkeit, welchen nur der Fehler anhaftet, aus anderen Werken zusammen¬
getragen zu sein, würden wesentlich an Werth gewinnen, wenn ihr Inhalt
an den Quellen der Geschichte gekräftigt wäre. Um heutzutage etwas Tüch¬
tiges zu vollbringen, muß man auf den Ursprung zurückgehen, die alten
Schriften befragen, die alten Werke durchsehen, in die staubigen Denkmäler
vergangener Generationen eindringen. Ihr werdet dann vielleicht an Stelle
eines bändereichen Sammelwerkes nur einige Seiten zu berichten haben; die¬
selben werden aber das lebhafte Gepräge der Wahrheit tragen; sie werden
Farbe besitzen und unmittelbares Leben athmen."

Ueber das städtische Archiv in Straßburg hat soeben der Ober-Archivar
Herr Brucker eine Schrift "1,68 in-Lliivss als ig, vitis cle Zei-asboui^ tut6ri-
vurvL ü, 1790, g.M'hu sommaire, LtiÄslivur^ 1873" veröffentlicht, die nicht
verfehlen wird, in Deutschland Aufsehen zu erregen, weil sie Zeugniß davon
ablegt, welch' eine Fülle werthvollen Materials in Betreff der Geschichte des
Elsaß im Besondern und Deutschlands überhaupt in dem dortigen Archive
-- zum großen Theil noch undurchforscht -- ruht. Selbst die elsässischen
Schriftsteller neuester Zeit werden durch die Schrift wiederum auf die Bedeu¬
tung einer Sammlung hingewiesen werden, deren Existenz denselben entweder
nicht bekannt oder doch ihrem Gedächtnisse entschwunden ist. Daß diese Be¬
hauptung richtig ist, geht auch aus den nachfolgenden Sätzen der Vorrede zu
der neuesten Schrift des Pfarrers Rathgeber im Elsaß "Colmar und Lud¬
wig XIV. (1648--1715)" hervor, wenn derselbe sagt: "Ueberhaupt schwebt
ein Verhängniß über der Geschichte jener Zeit der französischen Annexion
(1681). Das reiche vorhandene Material ging theils bei der Erstürmung
der Pfalz (des alten Rathhauses) am 22. Juli 1789, theils bei dem Brand¬
unglück der Bibliothek in Straßburg (24. August 1870) vollständig (?) ver¬
loren ........ wir wiederholen es mit tiefem Bedauern, alle urkundlichen


Pergamente und Papiere durchblättert, wird man von der sich darin abspie¬
lenden Geschichte auf das lebhafteste ergriffen; unwillkürlich sondert man von
derselben alles Künstliche, Gemachte, die Interpretation der Schriftsteller ab.
Bisher sind diese werthvollen Schätze im Staube der Klöster :c. vergraben
gewesen und trotz der gigantischen Arbeit des Classisicirens und Verzeichnis
derselben durch die Benedictiner und andere geduldige Gelehrten ist doch kaum
ein halbes Jahrhundert verflossen, seit sie theilweise an das Licht der Oeffent-
lichkeit getreten sind/

Es scheint wohl mehr auf die französischen Gelehrten gemünzt zu sein,
wenn der gedachte Schriftsteller weiter sich, wie folgt, äußert: „Wenn alle
Diejenigen, welche sich mit unserer Prvvinzial-Geschichte beschäftigen, den
Weg der Wenigen einschlagen möchten (die auf die Quellen zurückgehen), so
würde viel gewonnen sein. Wieviel neue Bücher voll Verdienst und Gelehr¬
samkeit, welchen nur der Fehler anhaftet, aus anderen Werken zusammen¬
getragen zu sein, würden wesentlich an Werth gewinnen, wenn ihr Inhalt
an den Quellen der Geschichte gekräftigt wäre. Um heutzutage etwas Tüch¬
tiges zu vollbringen, muß man auf den Ursprung zurückgehen, die alten
Schriften befragen, die alten Werke durchsehen, in die staubigen Denkmäler
vergangener Generationen eindringen. Ihr werdet dann vielleicht an Stelle
eines bändereichen Sammelwerkes nur einige Seiten zu berichten haben; die¬
selben werden aber das lebhafte Gepräge der Wahrheit tragen; sie werden
Farbe besitzen und unmittelbares Leben athmen."

Ueber das städtische Archiv in Straßburg hat soeben der Ober-Archivar
Herr Brucker eine Schrift „1,68 in-Lliivss als ig, vitis cle Zei-asboui^ tut6ri-
vurvL ü, 1790, g.M'hu sommaire, LtiÄslivur^ 1873" veröffentlicht, die nicht
verfehlen wird, in Deutschland Aufsehen zu erregen, weil sie Zeugniß davon
ablegt, welch' eine Fülle werthvollen Materials in Betreff der Geschichte des
Elsaß im Besondern und Deutschlands überhaupt in dem dortigen Archive
— zum großen Theil noch undurchforscht — ruht. Selbst die elsässischen
Schriftsteller neuester Zeit werden durch die Schrift wiederum auf die Bedeu¬
tung einer Sammlung hingewiesen werden, deren Existenz denselben entweder
nicht bekannt oder doch ihrem Gedächtnisse entschwunden ist. Daß diese Be¬
hauptung richtig ist, geht auch aus den nachfolgenden Sätzen der Vorrede zu
der neuesten Schrift des Pfarrers Rathgeber im Elsaß „Colmar und Lud¬
wig XIV. (1648—1715)" hervor, wenn derselbe sagt: „Ueberhaupt schwebt
ein Verhängniß über der Geschichte jener Zeit der französischen Annexion
(1681). Das reiche vorhandene Material ging theils bei der Erstürmung
der Pfalz (des alten Rathhauses) am 22. Juli 1789, theils bei dem Brand¬
unglück der Bibliothek in Straßburg (24. August 1870) vollständig (?) ver¬
loren ........ wir wiederholen es mit tiefem Bedauern, alle urkundlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/41>, abgerufen am 22.07.2024.