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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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vollständig zu Paaren getrieben. Abermals übernahm bei dieser Wahlbe¬
wegung Metz, wie schon seit 1862, die schwierige Function des Vorsitzenden
im Centralwahlcomite' und arbeitete mit solchem Erfolge, daß in Hessen nur
Anhänger des Nordhundes zum Zollparlament gewählt wurden, obwohl die
antinationalen Parteien selbst das Bündniß mit der Socialdemokratie nicht
verschmähten, und Herr Bebel z. B. landauf landab seine eine Rede hielt,
um den ultramontanen Candidaten zum Si.ege zu verhelfen. Metz selbst
wurde in einem höchst lebhaften Wahlkampfe, in welchem die Regierungs¬
partei und die Ultramontanen sich sogar für einen Gesinnungs- und Partei¬
genossen von Metz, welcher in dem Wahlkreis selbst großes Aufsehen genoß,
also gegen ihr eigenes Programm bemühten, nur um die Wahl des verha߬
ten Metz zu hintertreiben, mit mehr als Zweidrittelmajorität der Wahlstimmcn
gewählt. In einzelnen Wahlorten stimmten bei dieser Wahl sämmtliche Wahl¬
berechtigte; im ganzen Wahlkreis über 90 Procent der Wähler!

Die Rolle, welche Metz im deutschen Zollparlament spielte, war der
Eigenthümlichkeit seiner Natur und dem Wesen dieser parlamentarischen Kör¬
perschaft ganz entsprechend. Solange sich an das Zollparlament die stille
Hoffnung knüpfte, es lasse sich aus demselben ein deutscher Reichstag impro¬
visieren, treffen wir ihn immer im Vordergrund der Redner und Kämpfer.
Von Metz wird im Frühjahr 1868 der Antrag auf eine Adresse eingebracht,
von ihm selbst ist diese Adresse verfaßt, welche durch die Coalition der Con-
servativen mit den Einheitsfeinden zu Fall gebracht wird. Metz wieder in
Verbindung mit Bamberger, dem Abgeordneten für Mainz, führt durch seinen
Antrag auf Beseitigung der Tranksteuer und Zapfgebühr in Hessen die große
Politische Debatte des 18. Mai 1868 herauf, den größten Tag, dessen das
deutsche Zollparlament überhaupt in den drei Jahren seines Bestehens sich
zu rühmen hatte, jenen Tag, an dem Volk seine "Frühlingsrede" hielt und
Bismarck das geflügelte Wort sprach: daß der Appell an die Furcht in deut¬
schen Herzen keinen Wiederhall finde! Aber sowie das Zollparlament sich
thatsächlich nur erwies als "simples einfältiges Zollparlament" -- wie Bam¬
berger es nannte -- da fand die unermüdlich vorwärtsdrängende Agitations¬
kraft, die Metz beseelte, keine Verwendung, und unmuthig schwelgend sieht
der tapfere Mann die Hoffnung in Trümmer gehen, die er auf die erste ge-
sammtdeutsche Vertretung seit 1848 gesetzt hatte.

Aber weit rascher als Metz, als wir alle ahnten, sollte ja dennoch das
Streben und die Hoffnung seines Lebens in Erfüllung gehen, mit Gründung
des deutschen Reiches und der Einsetzung des deutschen Reichstags. Metz ver¬
trat in der Session von 1871 bis 1873 abermals den hessischen Wahlkreis
Bingen-Alzey, der in den jetzigen Reichstag Bamberger gewählt hat. Auch
im ersten deutschen Reichstag ist Metz' Thätigkeit in den öffentlichen Sitzungen


vollständig zu Paaren getrieben. Abermals übernahm bei dieser Wahlbe¬
wegung Metz, wie schon seit 1862, die schwierige Function des Vorsitzenden
im Centralwahlcomite' und arbeitete mit solchem Erfolge, daß in Hessen nur
Anhänger des Nordhundes zum Zollparlament gewählt wurden, obwohl die
antinationalen Parteien selbst das Bündniß mit der Socialdemokratie nicht
verschmähten, und Herr Bebel z. B. landauf landab seine eine Rede hielt,
um den ultramontanen Candidaten zum Si.ege zu verhelfen. Metz selbst
wurde in einem höchst lebhaften Wahlkampfe, in welchem die Regierungs¬
partei und die Ultramontanen sich sogar für einen Gesinnungs- und Partei¬
genossen von Metz, welcher in dem Wahlkreis selbst großes Aufsehen genoß,
also gegen ihr eigenes Programm bemühten, nur um die Wahl des verha߬
ten Metz zu hintertreiben, mit mehr als Zweidrittelmajorität der Wahlstimmcn
gewählt. In einzelnen Wahlorten stimmten bei dieser Wahl sämmtliche Wahl¬
berechtigte; im ganzen Wahlkreis über 90 Procent der Wähler!

Die Rolle, welche Metz im deutschen Zollparlament spielte, war der
Eigenthümlichkeit seiner Natur und dem Wesen dieser parlamentarischen Kör¬
perschaft ganz entsprechend. Solange sich an das Zollparlament die stille
Hoffnung knüpfte, es lasse sich aus demselben ein deutscher Reichstag impro¬
visieren, treffen wir ihn immer im Vordergrund der Redner und Kämpfer.
Von Metz wird im Frühjahr 1868 der Antrag auf eine Adresse eingebracht,
von ihm selbst ist diese Adresse verfaßt, welche durch die Coalition der Con-
servativen mit den Einheitsfeinden zu Fall gebracht wird. Metz wieder in
Verbindung mit Bamberger, dem Abgeordneten für Mainz, führt durch seinen
Antrag auf Beseitigung der Tranksteuer und Zapfgebühr in Hessen die große
Politische Debatte des 18. Mai 1868 herauf, den größten Tag, dessen das
deutsche Zollparlament überhaupt in den drei Jahren seines Bestehens sich
zu rühmen hatte, jenen Tag, an dem Volk seine „Frühlingsrede" hielt und
Bismarck das geflügelte Wort sprach: daß der Appell an die Furcht in deut¬
schen Herzen keinen Wiederhall finde! Aber sowie das Zollparlament sich
thatsächlich nur erwies als „simples einfältiges Zollparlament" — wie Bam¬
berger es nannte — da fand die unermüdlich vorwärtsdrängende Agitations¬
kraft, die Metz beseelte, keine Verwendung, und unmuthig schwelgend sieht
der tapfere Mann die Hoffnung in Trümmer gehen, die er auf die erste ge-
sammtdeutsche Vertretung seit 1848 gesetzt hatte.

Aber weit rascher als Metz, als wir alle ahnten, sollte ja dennoch das
Streben und die Hoffnung seines Lebens in Erfüllung gehen, mit Gründung
des deutschen Reiches und der Einsetzung des deutschen Reichstags. Metz ver¬
trat in der Session von 1871 bis 1873 abermals den hessischen Wahlkreis
Bingen-Alzey, der in den jetzigen Reichstag Bamberger gewählt hat. Auch
im ersten deutschen Reichstag ist Metz' Thätigkeit in den öffentlichen Sitzungen


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[0397] vollständig zu Paaren getrieben. Abermals übernahm bei dieser Wahlbe¬ wegung Metz, wie schon seit 1862, die schwierige Function des Vorsitzenden im Centralwahlcomite' und arbeitete mit solchem Erfolge, daß in Hessen nur Anhänger des Nordhundes zum Zollparlament gewählt wurden, obwohl die antinationalen Parteien selbst das Bündniß mit der Socialdemokratie nicht verschmähten, und Herr Bebel z. B. landauf landab seine eine Rede hielt, um den ultramontanen Candidaten zum Si.ege zu verhelfen. Metz selbst wurde in einem höchst lebhaften Wahlkampfe, in welchem die Regierungs¬ partei und die Ultramontanen sich sogar für einen Gesinnungs- und Partei¬ genossen von Metz, welcher in dem Wahlkreis selbst großes Aufsehen genoß, also gegen ihr eigenes Programm bemühten, nur um die Wahl des verha߬ ten Metz zu hintertreiben, mit mehr als Zweidrittelmajorität der Wahlstimmcn gewählt. In einzelnen Wahlorten stimmten bei dieser Wahl sämmtliche Wahl¬ berechtigte; im ganzen Wahlkreis über 90 Procent der Wähler! Die Rolle, welche Metz im deutschen Zollparlament spielte, war der Eigenthümlichkeit seiner Natur und dem Wesen dieser parlamentarischen Kör¬ perschaft ganz entsprechend. Solange sich an das Zollparlament die stille Hoffnung knüpfte, es lasse sich aus demselben ein deutscher Reichstag impro¬ visieren, treffen wir ihn immer im Vordergrund der Redner und Kämpfer. Von Metz wird im Frühjahr 1868 der Antrag auf eine Adresse eingebracht, von ihm selbst ist diese Adresse verfaßt, welche durch die Coalition der Con- servativen mit den Einheitsfeinden zu Fall gebracht wird. Metz wieder in Verbindung mit Bamberger, dem Abgeordneten für Mainz, führt durch seinen Antrag auf Beseitigung der Tranksteuer und Zapfgebühr in Hessen die große Politische Debatte des 18. Mai 1868 herauf, den größten Tag, dessen das deutsche Zollparlament überhaupt in den drei Jahren seines Bestehens sich zu rühmen hatte, jenen Tag, an dem Volk seine „Frühlingsrede" hielt und Bismarck das geflügelte Wort sprach: daß der Appell an die Furcht in deut¬ schen Herzen keinen Wiederhall finde! Aber sowie das Zollparlament sich thatsächlich nur erwies als „simples einfältiges Zollparlament" — wie Bam¬ berger es nannte — da fand die unermüdlich vorwärtsdrängende Agitations¬ kraft, die Metz beseelte, keine Verwendung, und unmuthig schwelgend sieht der tapfere Mann die Hoffnung in Trümmer gehen, die er auf die erste ge- sammtdeutsche Vertretung seit 1848 gesetzt hatte. Aber weit rascher als Metz, als wir alle ahnten, sollte ja dennoch das Streben und die Hoffnung seines Lebens in Erfüllung gehen, mit Gründung des deutschen Reiches und der Einsetzung des deutschen Reichstags. Metz ver¬ trat in der Session von 1871 bis 1873 abermals den hessischen Wahlkreis Bingen-Alzey, der in den jetzigen Reichstag Bamberger gewählt hat. Auch im ersten deutschen Reichstag ist Metz' Thätigkeit in den öffentlichen Sitzungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/397>, abgerufen am 26.06.2024.