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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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genauen Freund des Kaisers, den Grafen Arche, sich nach Paris zu begeben,
um das Dunkel zu lichten. Aber ehe dieser abgereist und angekommen
war, eine Audienz erhalten und darüber berichtet hatte, verstrich noch eine
volle Woche (das erste Telegramm des Grafen ist vom 30- März) und in
dieser ereignisreichen Zeit häufte jeder Tag neue Sorge auf Lamarmora's
Haupt. Der Kaiser von Oesterreich telegraphirte selbst nach Berlin, daß er
nicht die Absicht habe anzugreifen; Napoleon drohte mit Verweigerung seiner
Hülfe, wenn Italien den ersten Schritt zum Kriege thue; Bismarck wurde
krank und legte sich zu Bett; Moltke gestand zu, daß die Gerüchte von
österreichischen Rüstungen sehr übertrieben seien; Govone verlangte Jnstruc-
tionen; Nigra versicherte in Paris irriger Weise, daß Italien den allge-
meinenFreundschaftsvertrag zu unterzeichnen entschlossen sei; endlich
meldete Barral, daß er den Wortlaut des dreimonatlichen Bündnisses mit
Bismarck vereinbart habe: das waren die Hiobsposten, die am 23. 24. 26.
26. und 27. März in Florenz einliefen. Es war noch ein Glück, daß Bismarck
ein paar Tage im Bette gelegen hatte; ohne diesen Zeitgewinn wäre Lamarmora
ganz rathlos gewesen. Als er am Abend des 27. die sechs Paragraphen des
Bündnißentwurfes durch den Telegraphen erfuhr, hatte er zwar auch noch
keine Nachrichten von Arche, aber die Abwesenheit des Königs gab ihm die
beste Gelegenheit eine positive Erklärung noch um "zwei bis drei Tage"
hinauszuschieben und einstweilen nur am 28. seine persönliche Zustimmung
zu den Grundzügen des Vertrags zu melden. In der Zwischenzeit trafen
Telegramme und Briefe von Arche und Nigra ein. Der Kaiser weigerte sich
zwar, wie sie meldeten, Verpflichtungen zu übernehmen; aber er führe eine
sehr kriegerische Sprache; er rathe zu gemeinsamer und gleichzeitiger Action
mit Preußen; wenn Oesterreich zuerst angreife, werde Frankreich nicht umhin
können Italien zu Hülfe zu kommen; dasselbe werde geschehen, wenn Preußen
vertragsbrüchig einen Separatfrieden schließe und Oesterreich dann allein über
Victor Emanuel herfiele. Mehr konnte man doch von der Sphinx auf dem
Kaiserthrone nicht verlangen, und so faßte sich Lamarmora ein Herz und
ermächtigte seine Gesandten am 3. April zur Unterzeichnung des Vertrages.

Am 3. April. Weshalb nicht schon am 30. oder 31. März, wie er es
am 28. in Aussicht gestellt? Warum nicht wenigstens am 1. April, da doch
die letzten pariser Nachrichten, die uns mitgetheilt werden, Tags zuvor
angekommen waren? Lamarmora giebt darüber keine Andeutungen; aber er
vermeidet auch ängstlich das Datum des 3. April zu nennen. Er, der sonst
mit Vergnügen längst gedruckte Depeschen aus seiner Feder noch einmal ab¬
drucken läßt, übergeht die vortreffliche Depesche mit Stillschweigen durch die
er an jenem Tage die Ermächtigung ertheilte, den Entwurf vom 27. März
zu unterzeichnen, ja er sagt nicht einmal ausdrücklich, daß er überhaupt diese


genauen Freund des Kaisers, den Grafen Arche, sich nach Paris zu begeben,
um das Dunkel zu lichten. Aber ehe dieser abgereist und angekommen
war, eine Audienz erhalten und darüber berichtet hatte, verstrich noch eine
volle Woche (das erste Telegramm des Grafen ist vom 30- März) und in
dieser ereignisreichen Zeit häufte jeder Tag neue Sorge auf Lamarmora's
Haupt. Der Kaiser von Oesterreich telegraphirte selbst nach Berlin, daß er
nicht die Absicht habe anzugreifen; Napoleon drohte mit Verweigerung seiner
Hülfe, wenn Italien den ersten Schritt zum Kriege thue; Bismarck wurde
krank und legte sich zu Bett; Moltke gestand zu, daß die Gerüchte von
österreichischen Rüstungen sehr übertrieben seien; Govone verlangte Jnstruc-
tionen; Nigra versicherte in Paris irriger Weise, daß Italien den allge-
meinenFreundschaftsvertrag zu unterzeichnen entschlossen sei; endlich
meldete Barral, daß er den Wortlaut des dreimonatlichen Bündnisses mit
Bismarck vereinbart habe: das waren die Hiobsposten, die am 23. 24. 26.
26. und 27. März in Florenz einliefen. Es war noch ein Glück, daß Bismarck
ein paar Tage im Bette gelegen hatte; ohne diesen Zeitgewinn wäre Lamarmora
ganz rathlos gewesen. Als er am Abend des 27. die sechs Paragraphen des
Bündnißentwurfes durch den Telegraphen erfuhr, hatte er zwar auch noch
keine Nachrichten von Arche, aber die Abwesenheit des Königs gab ihm die
beste Gelegenheit eine positive Erklärung noch um „zwei bis drei Tage"
hinauszuschieben und einstweilen nur am 28. seine persönliche Zustimmung
zu den Grundzügen des Vertrags zu melden. In der Zwischenzeit trafen
Telegramme und Briefe von Arche und Nigra ein. Der Kaiser weigerte sich
zwar, wie sie meldeten, Verpflichtungen zu übernehmen; aber er führe eine
sehr kriegerische Sprache; er rathe zu gemeinsamer und gleichzeitiger Action
mit Preußen; wenn Oesterreich zuerst angreife, werde Frankreich nicht umhin
können Italien zu Hülfe zu kommen; dasselbe werde geschehen, wenn Preußen
vertragsbrüchig einen Separatfrieden schließe und Oesterreich dann allein über
Victor Emanuel herfiele. Mehr konnte man doch von der Sphinx auf dem
Kaiserthrone nicht verlangen, und so faßte sich Lamarmora ein Herz und
ermächtigte seine Gesandten am 3. April zur Unterzeichnung des Vertrages.

Am 3. April. Weshalb nicht schon am 30. oder 31. März, wie er es
am 28. in Aussicht gestellt? Warum nicht wenigstens am 1. April, da doch
die letzten pariser Nachrichten, die uns mitgetheilt werden, Tags zuvor
angekommen waren? Lamarmora giebt darüber keine Andeutungen; aber er
vermeidet auch ängstlich das Datum des 3. April zu nennen. Er, der sonst
mit Vergnügen längst gedruckte Depeschen aus seiner Feder noch einmal ab¬
drucken läßt, übergeht die vortreffliche Depesche mit Stillschweigen durch die
er an jenem Tage die Ermächtigung ertheilte, den Entwurf vom 27. März
zu unterzeichnen, ja er sagt nicht einmal ausdrücklich, daß er überhaupt diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/379>, abgerufen am 25.12.2024.