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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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gesetz nicht das Vertrauen hat. es werde der Regierung gefügige Gemeinde-
bcamten liefern, und daß man darum sich im voraus sicherstellen will.

Nicht gerade mit einer glänzenden Majorität su-nich hat Herr v. Broglie
dies Hauptwerkzeug für seine ferneren Pläne der Assemblee abgerungen; in
der Abstimmung über die einzelnen Paragraphen entging er sogar einmal
nur mit genauer Noth einer Niederlage. Aber auch hier hatte die Re¬
gierung das Glück, den ungünstigen Eindruck ihres mageren Erfolges durch
die eclatante Majorität, mit welcher gelegentlich der Jnterpellation Ricard
ihre Behandlung der Provinzialpresse gutgeheißen ward, sehr bald verwischt
zu sehen.

In der Subcommission des zur Vorberathung der constitutionellen Ge¬
setze niedergesetzten Dreißigerausschusses nahmen die akademischen Vorträge
über die beste Organisation der Staatsgewalten ihren ungestörten Fortgang.
Jedes Commissionsmitglied hat sein "System", welches natürlich unfehlbar
ist. Danach ist ungefähr zu bemessen, wie viel Zeit die Herren noch bis zu
ihrer Einigung gebrauchen werden. Ein klein wenig praktischer wird in der
Hauptcommission gearbeitet, wo man bekanntlich mit dem Wahlgesetz beschäf¬
tigt ist. Man hat sich sogar bereits über den einen Punkt geeinigt, das
wahlfähige Alter von 21 auf 25 Jahre zu erhöhen. Auch darüber wird man
sich nächstens verständigen, daß nur ein dreijähriges Domieil am Wahlorte
zur Abstimmung berechtigen soll. Der Beweis für dasselbe soll durch das
Eingetragensein in die Liste einer der vier directen Steuern erbracht wer¬
den; Alle, die nicht eingetragen sind -- und ihrer ist namentlich in Paris
eine große Zahl -- besitzen also kein Wahlrecht. Ueber die Frage, ob die
Vertretung der Interessen nur in die "Zweite Kammer" (Oberhaus) oder
auch in die "Erste Kammer" (Volkshaus) zu verlegen sei, gehen die Ansichten
noch auseinander.

Der Bugetausschuß hat nun endlich den Stein der Weisen gefunden,
mit welchem er die letzte Lücke im Budget für 1874 stopfen will, nämlich eine
Glassteuer auf Flaschen, Gläser, Spiegel und Krystalle. Herr Casimir Perier
ist der glückliche Finder. Es geht doch nichts über einen anschlägiger Kopf!
Noch schlauer ist ein anderes Mitglied der Commission. Es schlägt vor,
die Zinsen derjenigen Summen, welche hierzulande bet Eingehung von Mieths-
contraeten von den Miethern bei den Hauseigenthümern zu hinterlegen sind,
dem Staate zu gute kommen zu lassen. Es sei, meint der Antragsteller, ganz
gegen Recht und Billigkeit, daß die Hauseigenthümer diese Zinsen bisher in
ihre eigene Tasche fließen ließen. Ohne Zweifel; nur schade, daß sie sich,
würde der Vorschlag angenommen, für den ihnen entgangenen Gewinn durch
eine entsprechende Steigerung des Miethpreises zu entschädigen wissen würden.


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gesetz nicht das Vertrauen hat. es werde der Regierung gefügige Gemeinde-
bcamten liefern, und daß man darum sich im voraus sicherstellen will.

Nicht gerade mit einer glänzenden Majorität su-nich hat Herr v. Broglie
dies Hauptwerkzeug für seine ferneren Pläne der Assemblee abgerungen; in
der Abstimmung über die einzelnen Paragraphen entging er sogar einmal
nur mit genauer Noth einer Niederlage. Aber auch hier hatte die Re¬
gierung das Glück, den ungünstigen Eindruck ihres mageren Erfolges durch
die eclatante Majorität, mit welcher gelegentlich der Jnterpellation Ricard
ihre Behandlung der Provinzialpresse gutgeheißen ward, sehr bald verwischt
zu sehen.

In der Subcommission des zur Vorberathung der constitutionellen Ge¬
setze niedergesetzten Dreißigerausschusses nahmen die akademischen Vorträge
über die beste Organisation der Staatsgewalten ihren ungestörten Fortgang.
Jedes Commissionsmitglied hat sein „System", welches natürlich unfehlbar
ist. Danach ist ungefähr zu bemessen, wie viel Zeit die Herren noch bis zu
ihrer Einigung gebrauchen werden. Ein klein wenig praktischer wird in der
Hauptcommission gearbeitet, wo man bekanntlich mit dem Wahlgesetz beschäf¬
tigt ist. Man hat sich sogar bereits über den einen Punkt geeinigt, das
wahlfähige Alter von 21 auf 25 Jahre zu erhöhen. Auch darüber wird man
sich nächstens verständigen, daß nur ein dreijähriges Domieil am Wahlorte
zur Abstimmung berechtigen soll. Der Beweis für dasselbe soll durch das
Eingetragensein in die Liste einer der vier directen Steuern erbracht wer¬
den; Alle, die nicht eingetragen sind — und ihrer ist namentlich in Paris
eine große Zahl — besitzen also kein Wahlrecht. Ueber die Frage, ob die
Vertretung der Interessen nur in die „Zweite Kammer" (Oberhaus) oder
auch in die „Erste Kammer" (Volkshaus) zu verlegen sei, gehen die Ansichten
noch auseinander.

Der Bugetausschuß hat nun endlich den Stein der Weisen gefunden,
mit welchem er die letzte Lücke im Budget für 1874 stopfen will, nämlich eine
Glassteuer auf Flaschen, Gläser, Spiegel und Krystalle. Herr Casimir Perier
ist der glückliche Finder. Es geht doch nichts über einen anschlägiger Kopf!
Noch schlauer ist ein anderes Mitglied der Commission. Es schlägt vor,
die Zinsen derjenigen Summen, welche hierzulande bet Eingehung von Mieths-
contraeten von den Miethern bei den Hauseigenthümern zu hinterlegen sind,
dem Staate zu gute kommen zu lassen. Es sei, meint der Antragsteller, ganz
gegen Recht und Billigkeit, daß die Hauseigenthümer diese Zinsen bisher in
ihre eigene Tasche fließen ließen. Ohne Zweifel; nur schade, daß sie sich,
würde der Vorschlag angenommen, für den ihnen entgangenen Gewinn durch
eine entsprechende Steigerung des Miethpreises zu entschädigen wissen würden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/200>, abgerufen am 25.08.2024.