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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Die Wirkung dieser, ohne Zweifel im vorgängigen Einverständniß
mit dem Kaiser Napoleon erlassenen Note, ließ nicht lange auf sich warten.
Am 5. April brachte der französische Vorsitzende des Friedenskongresses. Graf
Walewski die italienische Frage zur Sprache, nicht zwar im Sinne des Ca-
vour'schen Vorschlages einer thatsächlichen Theilung des Kirchenstaats, welcher
zu weit über die Grenzen des bestehenden öffentlichen Rechtszustandes hinaus¬
ging, um von der höchsten völkerrechtlichen Instanz Europas zugelassen wer¬
den zu können, aber doch so weit auf den Grundgedanken desselben eingehend,
daß das allgemeine Interesse der Entfernung der fremden Besatzungen aus
Italien als rechtmäßig und dringlich von dem Minister Napoleon's aner¬
kannt wurde. Zugleich zog Walewski auch die heillosen neapolitanischen Zu¬
stände, die Cavour mit vorsichtigem Stillschweigen übergangen, in den Bereich
seiner Erörterung und verlangte deren Berichtigung. Noch stärker sprach sich
der englische Bevollmächtigte, Lord Clarendon dahin aus. daß in Rom und
Neapel das Nöthige zu geschehen habe, um die Sache der europäischen Ruhe
und Ordnung gegen die Gefahren zu schützen, von denen sie durch die Schuld
der dortigen Regierungen fort und fort bedroht sei. Die österreichischen Ge¬
sandten. Buol und Hübner, ihrerseits verwahrten sich ausdrücklich gegen die
Herbeiziehung von Angelegenheiten, welche dem Zwecke des Kongresses völlig
fremd seien, drohten bei Fortsetzung der Verhandlungen über italienische
Dinge mit ihrem Rücktritt von den Friedensverhandlungen und erwirkten
dadurch, daß man den von Walewski angeregten Gegenstand nach einigen
von Cavour hinzugefügten Worten fallen ließ. Nichtsdestoweniger fand sich
Cavour durch diesen diplomatischen Zwischenfall, dem noch eine ermuthigende
Unterredung mit Clarendon folgte, hinlänglich befriedigt und angefeuert, um
seinem vertrauten Kollegen Ratazzi nach Turin zu melden, daß er gesonnen
sei, Oesterreich durch ein unannehmbares Ultimatum zum Kriege zu drängen.

Diese kleine diplomatische Debatte und die von Cavour aus derselben
geschöpften Hoffnungen waren die ganze Frucht der italienischen Theilnahme
an dem russischen Feldzuge. Für ein unbefangenes Urtheil blieb also äußerst
zweifelhaft, ob es eine probehaltige Rechnung gewesen, welche Sardinien in
den Krimkrieg geführt und ob das italienische Königreich dabei vollends in
der That auf seine Kosten gekommen sei; Cavour aber und mit ihm die
große Mehrheit des liberalen Italien schwelgte in dem Gefühle eines großen
Triumphes, trat mit gesteigertem Selbstbewußtsein auf, blickte siegesgewiß in
die Zukunft, und der Glaube an einen für die Nationalsache errungenen Er¬
folg konnte immerhin zu einer Macht werden, welche im Stande war, die
Sache selbst einigermaßen zu ersetzen. Als den Hauptgewinn aus diesen
Vorgängen mochte man mit gutem Grunde ansehen, daß in Folge der¬
selben in allen gesunden politischen Köpfen die Ueberzeugung zum Durchbruch


Die Wirkung dieser, ohne Zweifel im vorgängigen Einverständniß
mit dem Kaiser Napoleon erlassenen Note, ließ nicht lange auf sich warten.
Am 5. April brachte der französische Vorsitzende des Friedenskongresses. Graf
Walewski die italienische Frage zur Sprache, nicht zwar im Sinne des Ca-
vour'schen Vorschlages einer thatsächlichen Theilung des Kirchenstaats, welcher
zu weit über die Grenzen des bestehenden öffentlichen Rechtszustandes hinaus¬
ging, um von der höchsten völkerrechtlichen Instanz Europas zugelassen wer¬
den zu können, aber doch so weit auf den Grundgedanken desselben eingehend,
daß das allgemeine Interesse der Entfernung der fremden Besatzungen aus
Italien als rechtmäßig und dringlich von dem Minister Napoleon's aner¬
kannt wurde. Zugleich zog Walewski auch die heillosen neapolitanischen Zu¬
stände, die Cavour mit vorsichtigem Stillschweigen übergangen, in den Bereich
seiner Erörterung und verlangte deren Berichtigung. Noch stärker sprach sich
der englische Bevollmächtigte, Lord Clarendon dahin aus. daß in Rom und
Neapel das Nöthige zu geschehen habe, um die Sache der europäischen Ruhe
und Ordnung gegen die Gefahren zu schützen, von denen sie durch die Schuld
der dortigen Regierungen fort und fort bedroht sei. Die österreichischen Ge¬
sandten. Buol und Hübner, ihrerseits verwahrten sich ausdrücklich gegen die
Herbeiziehung von Angelegenheiten, welche dem Zwecke des Kongresses völlig
fremd seien, drohten bei Fortsetzung der Verhandlungen über italienische
Dinge mit ihrem Rücktritt von den Friedensverhandlungen und erwirkten
dadurch, daß man den von Walewski angeregten Gegenstand nach einigen
von Cavour hinzugefügten Worten fallen ließ. Nichtsdestoweniger fand sich
Cavour durch diesen diplomatischen Zwischenfall, dem noch eine ermuthigende
Unterredung mit Clarendon folgte, hinlänglich befriedigt und angefeuert, um
seinem vertrauten Kollegen Ratazzi nach Turin zu melden, daß er gesonnen
sei, Oesterreich durch ein unannehmbares Ultimatum zum Kriege zu drängen.

Diese kleine diplomatische Debatte und die von Cavour aus derselben
geschöpften Hoffnungen waren die ganze Frucht der italienischen Theilnahme
an dem russischen Feldzuge. Für ein unbefangenes Urtheil blieb also äußerst
zweifelhaft, ob es eine probehaltige Rechnung gewesen, welche Sardinien in
den Krimkrieg geführt und ob das italienische Königreich dabei vollends in
der That auf seine Kosten gekommen sei; Cavour aber und mit ihm die
große Mehrheit des liberalen Italien schwelgte in dem Gefühle eines großen
Triumphes, trat mit gesteigertem Selbstbewußtsein auf, blickte siegesgewiß in
die Zukunft, und der Glaube an einen für die Nationalsache errungenen Er¬
folg konnte immerhin zu einer Macht werden, welche im Stande war, die
Sache selbst einigermaßen zu ersetzen. Als den Hauptgewinn aus diesen
Vorgängen mochte man mit gutem Grunde ansehen, daß in Folge der¬
selben in allen gesunden politischen Köpfen die Ueberzeugung zum Durchbruch


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[0187] Die Wirkung dieser, ohne Zweifel im vorgängigen Einverständniß mit dem Kaiser Napoleon erlassenen Note, ließ nicht lange auf sich warten. Am 5. April brachte der französische Vorsitzende des Friedenskongresses. Graf Walewski die italienische Frage zur Sprache, nicht zwar im Sinne des Ca- vour'schen Vorschlages einer thatsächlichen Theilung des Kirchenstaats, welcher zu weit über die Grenzen des bestehenden öffentlichen Rechtszustandes hinaus¬ ging, um von der höchsten völkerrechtlichen Instanz Europas zugelassen wer¬ den zu können, aber doch so weit auf den Grundgedanken desselben eingehend, daß das allgemeine Interesse der Entfernung der fremden Besatzungen aus Italien als rechtmäßig und dringlich von dem Minister Napoleon's aner¬ kannt wurde. Zugleich zog Walewski auch die heillosen neapolitanischen Zu¬ stände, die Cavour mit vorsichtigem Stillschweigen übergangen, in den Bereich seiner Erörterung und verlangte deren Berichtigung. Noch stärker sprach sich der englische Bevollmächtigte, Lord Clarendon dahin aus. daß in Rom und Neapel das Nöthige zu geschehen habe, um die Sache der europäischen Ruhe und Ordnung gegen die Gefahren zu schützen, von denen sie durch die Schuld der dortigen Regierungen fort und fort bedroht sei. Die österreichischen Ge¬ sandten. Buol und Hübner, ihrerseits verwahrten sich ausdrücklich gegen die Herbeiziehung von Angelegenheiten, welche dem Zwecke des Kongresses völlig fremd seien, drohten bei Fortsetzung der Verhandlungen über italienische Dinge mit ihrem Rücktritt von den Friedensverhandlungen und erwirkten dadurch, daß man den von Walewski angeregten Gegenstand nach einigen von Cavour hinzugefügten Worten fallen ließ. Nichtsdestoweniger fand sich Cavour durch diesen diplomatischen Zwischenfall, dem noch eine ermuthigende Unterredung mit Clarendon folgte, hinlänglich befriedigt und angefeuert, um seinem vertrauten Kollegen Ratazzi nach Turin zu melden, daß er gesonnen sei, Oesterreich durch ein unannehmbares Ultimatum zum Kriege zu drängen. Diese kleine diplomatische Debatte und die von Cavour aus derselben geschöpften Hoffnungen waren die ganze Frucht der italienischen Theilnahme an dem russischen Feldzuge. Für ein unbefangenes Urtheil blieb also äußerst zweifelhaft, ob es eine probehaltige Rechnung gewesen, welche Sardinien in den Krimkrieg geführt und ob das italienische Königreich dabei vollends in der That auf seine Kosten gekommen sei; Cavour aber und mit ihm die große Mehrheit des liberalen Italien schwelgte in dem Gefühle eines großen Triumphes, trat mit gesteigertem Selbstbewußtsein auf, blickte siegesgewiß in die Zukunft, und der Glaube an einen für die Nationalsache errungenen Er¬ folg konnte immerhin zu einer Macht werden, welche im Stande war, die Sache selbst einigermaßen zu ersetzen. Als den Hauptgewinn aus diesen Vorgängen mochte man mit gutem Grunde ansehen, daß in Folge der¬ selben in allen gesunden politischen Köpfen die Ueberzeugung zum Durchbruch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/187>, abgerufen am 25.12.2024.