Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.Mauer zu sehn und ohne die Fausse-Braye mit unter Feuer zu nehmen, Im Gegensatz zu den Vorwürfen, welche die Kaiserlichen gegen Alba Vom 20. October bis zum Jahresschlusse hat das kaiserliche Heer die Die tumultarische Unternehmung gegen Metz ist der letzte Versuch und Mauer zu sehn und ohne die Fausse-Braye mit unter Feuer zu nehmen, Im Gegensatz zu den Vorwürfen, welche die Kaiserlichen gegen Alba Vom 20. October bis zum Jahresschlusse hat das kaiserliche Heer die Die tumultarische Unternehmung gegen Metz ist der letzte Versuch und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130752"/> <p xml:id="ID_294" prev="#ID_293"> Mauer zu sehn und ohne die Fausse-Braye mit unter Feuer zu nehmen,<lb/> welche die Mauertrümmer aufhielt, und obgleich sie mit mehreren Mörsern<lb/> gewaltige Steinkugeln warfen, welche man noch jetzt in Metz zeigt, so ist doch<lb/> nicht zu erkennen, daß sie ihr Verticalfeuer zu concentriren und einen wirk¬<lb/> samen Gebrauch davon zu machen verstanden hätten.</p><lb/> <p xml:id="ID_295"> Im Gegensatz zu den Vorwürfen, welche die Kaiserlichen gegen Alba<lb/> richteten, erhoben die Franzosen Guise bis an die Sterne. Eine Erinnerungs¬<lb/> medaille prophezeite ihm die Königskrone von Jerusalem, die ja allerdings<lb/> schon seine Vorfahren getragen. Offenbar war wirklich das Uebergewicht der<lb/> Energie und Findigkeit auf Seite der Franzosen. Der Herzog von Guise ver¬<lb/> stand es nicht nur, die Vertheidiger fechten, sondern (was damals weit schwie¬<lb/> riger war) sie mit Eifer arbeiten zu lassen. Die größten Herren des Königs¬<lb/> reichs rechneten es sich zur Ehre an, den Korb zu tragen. Die Geschütze<lb/> fehlen oder versagen; er läßt deren gießen; er läßt Salpeter aufsuchen und<lb/> Pulver fabriziren. Der Platz ist fast entblößt von Wällen; er läßt sie an<lb/> den schwächsten Stellen erbauen und kommt dann überall dem Feinde zu<lb/> rechter Zeit mit neuen Arbeiten entgegen. Weit entfernt, sich wie Bazaine<lb/> mißtrauisch mit seinem Stäbe im Hauptquartier einzuschließen, ist er überall<lb/> zur Stelle, scheut keine Gefahr, kein effectvolles Hilfsmittel, wol aber jede<lb/> Bequemlichkeit, jedes Gehenlassen, jede Halbheit. Guise's furchtbar rücksichts¬<lb/> lose, doch vom rein militärischen Standpunkte hochzupreisende Vertheidigung<lb/> zeigt ein vollkommenes Erkennen aller Mängel des alten Festungsbaues<lb/> gegenüber der gesteigerten Artilleriewirkung seiner Zeit und einen durch¬<lb/> dringenden Scharfblick bei Wahl der Hilfsmittel, jene Mängel auszugleichen.<lb/> Das Vorgehn mit provisorischen Werken, die umfassende Anwendung des<lb/> Erdbaues werden von nun an immer allgemeiner. Guise's Vorbild ist dabei<lb/> leitend.</p><lb/> <p xml:id="ID_296"> Vom 20. October bis zum Jahresschlusse hat das kaiserliche Heer die<lb/> siebenthorige Stadt belagert, also 70 Tage, d. h. genau ebenso lange als im<lb/> Jahre 1870 Prinz Friedrich Karl's Armee. Wie 1870, so richtete auch 15S2<lb/> ganz Europa das Auge auf die gewaltige Belagerung — wie verschieden aber<lb/> war das Bild, das ihm geboten ward! 1870 kapituliren 173.000 Franzosen<lb/> gegen eine kaum stärkere deutsche Cernirungsarmee; 1552 finden sich unter<lb/> 70,000 Soldaten nicht die Kräfte, um die weiten Breschen einer Festung zu<lb/> stürmen, die von nur 8000 Mann besetzt ist. Solchen Erscheinungen gegen¬<lb/> über kann man sich der Anschauung nicht verschließen, daß auch dieses natio¬<lb/> nale Unglück nicht hätte eintreten können, wenn die Wehrverfassung Deutsch¬<lb/> lands dem Kaiser ein brauchbares deutsches Heer zur Verfügung gestellt<lb/> hätte. —</p><lb/> <p xml:id="ID_297" next="#ID_298"> Die tumultarische Unternehmung gegen Metz ist der letzte Versuch und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
Mauer zu sehn und ohne die Fausse-Braye mit unter Feuer zu nehmen,
welche die Mauertrümmer aufhielt, und obgleich sie mit mehreren Mörsern
gewaltige Steinkugeln warfen, welche man noch jetzt in Metz zeigt, so ist doch
nicht zu erkennen, daß sie ihr Verticalfeuer zu concentriren und einen wirk¬
samen Gebrauch davon zu machen verstanden hätten.
Im Gegensatz zu den Vorwürfen, welche die Kaiserlichen gegen Alba
richteten, erhoben die Franzosen Guise bis an die Sterne. Eine Erinnerungs¬
medaille prophezeite ihm die Königskrone von Jerusalem, die ja allerdings
schon seine Vorfahren getragen. Offenbar war wirklich das Uebergewicht der
Energie und Findigkeit auf Seite der Franzosen. Der Herzog von Guise ver¬
stand es nicht nur, die Vertheidiger fechten, sondern (was damals weit schwie¬
riger war) sie mit Eifer arbeiten zu lassen. Die größten Herren des Königs¬
reichs rechneten es sich zur Ehre an, den Korb zu tragen. Die Geschütze
fehlen oder versagen; er läßt deren gießen; er läßt Salpeter aufsuchen und
Pulver fabriziren. Der Platz ist fast entblößt von Wällen; er läßt sie an
den schwächsten Stellen erbauen und kommt dann überall dem Feinde zu
rechter Zeit mit neuen Arbeiten entgegen. Weit entfernt, sich wie Bazaine
mißtrauisch mit seinem Stäbe im Hauptquartier einzuschließen, ist er überall
zur Stelle, scheut keine Gefahr, kein effectvolles Hilfsmittel, wol aber jede
Bequemlichkeit, jedes Gehenlassen, jede Halbheit. Guise's furchtbar rücksichts¬
lose, doch vom rein militärischen Standpunkte hochzupreisende Vertheidigung
zeigt ein vollkommenes Erkennen aller Mängel des alten Festungsbaues
gegenüber der gesteigerten Artilleriewirkung seiner Zeit und einen durch¬
dringenden Scharfblick bei Wahl der Hilfsmittel, jene Mängel auszugleichen.
Das Vorgehn mit provisorischen Werken, die umfassende Anwendung des
Erdbaues werden von nun an immer allgemeiner. Guise's Vorbild ist dabei
leitend.
Vom 20. October bis zum Jahresschlusse hat das kaiserliche Heer die
siebenthorige Stadt belagert, also 70 Tage, d. h. genau ebenso lange als im
Jahre 1870 Prinz Friedrich Karl's Armee. Wie 1870, so richtete auch 15S2
ganz Europa das Auge auf die gewaltige Belagerung — wie verschieden aber
war das Bild, das ihm geboten ward! 1870 kapituliren 173.000 Franzosen
gegen eine kaum stärkere deutsche Cernirungsarmee; 1552 finden sich unter
70,000 Soldaten nicht die Kräfte, um die weiten Breschen einer Festung zu
stürmen, die von nur 8000 Mann besetzt ist. Solchen Erscheinungen gegen¬
über kann man sich der Anschauung nicht verschließen, daß auch dieses natio¬
nale Unglück nicht hätte eintreten können, wenn die Wehrverfassung Deutsch¬
lands dem Kaiser ein brauchbares deutsches Heer zur Verfügung gestellt
hätte. —
Die tumultarische Unternehmung gegen Metz ist der letzte Versuch und
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