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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Aussprachezeichen zu Hilfe nehmen. Umgekehrt würde es sehr erfreulich sein,-
wenn endlich die Spielerei mit dem Apostroph aufhörte in den Verschmelzungen
des Artikels mit Praepositionen wie ins, durchs, ums, beim, hin¬
term, unterm; aber das wird vielen Leuten nicht in den Kopf wollen.
Es sieht doch gar so hübsch accurat aus, so ein Häkchen über der Zeile; soll
man das ohne weiteres fallen lassen? Giebt es doch sogar Leute, die das
völlig organisch mit dem Nomen verwachsene Gemtiv-s durch Apostroph da¬
von trennen wollen!

Das umfänglichste Capitel des ganzen Buches ist das fünfte (S. 31--145),
welches die Frage behandelt, in wie fern Wortverbindungen getrennt oder
zusammen zu schreiben sind. Wohl keine Sprache ist so reich an mehr oder
minder losen Wortzusammenschiebungen, wie die deutsche. Leider herrscht aber
die absoluteste Unsicherheit darüber, ob man diese Wortgruppen, die doch be¬
grifflich vollständig eins geworden sind, auch für das Auge in einen Complex
verbinden oder getrennt bestehen lassen soll. Schreibt man also besser: der
hohe Priester oder der Hohepriester, lange Weile oder Langeweile,
der rothe Adlerorden oder der Nvtheadlerorden, dicht belaubt
oder dichtbelaubt, möglichst groß oder ins gli es se gro ß, durch ein¬
ander oder durcheinander, Handel treibend oder handeltreibend,
sicher gestellt oder sichergestellt, weiter helfen oder weiterhelfen,
ohne dies oder ohnedies, während dem oder währenddem, seines
Gleichen oder seinesgleichen, ein paar Mal oder ein paarmal, mit
Nichten, oder anrichten, an Kindes Statt oder Kindesstatt? Es
muß genügen, durch diese Auswahl von Beispielen den Inhalt dieses überaus
reichen Capitels angedeutet und zu weiterer eigener Prüfung des Buches an¬
geregt zu haben. Von den tausend und abertausend hier in Betracht kom¬
menden Fällen auch nur eine annähernde Borstellung zu geben, ist in diesen
Blättern ein Ding der Unmöglichkeit. Wir können es bei der Versicherung
bewenden lassen, daß man auch hier dem verständigen, conservativen Verfahren
des Verfassers beinahe ausnahmslos sich wird anschließen können.

Im Vorworte seines Buches legt Sanders das Versprechen ab, daß er,
sobald er "die Ueberzeugung gewinnen" werde, daß seine Vorschläge -- wenn auch
mit einzelnen Abänderungen -- auf allgemeine Zustimmung und Anerken¬
nung rechnen dürfen, sofort als nothwendige praktische Ergänzung dazu ein
Heft erscheinen lassen werde, worin in alphabetischer Anordnung
ausnahmslos von allen einzelnen Worten, deren Schreibweise
bisher schwankend war, eine bestimmte Rechtschreibung angegeben wer¬
den soll, zunächst als Vorschlag, und dann, wenn die Allgemeinheit zustimmt,
oder mit den von ihr verlangten Abänderungen, als bindende Norm. Das
in Aussicht gestellte Heft würde also eigentlich erst das enthalten, was wir.


Aussprachezeichen zu Hilfe nehmen. Umgekehrt würde es sehr erfreulich sein,-
wenn endlich die Spielerei mit dem Apostroph aufhörte in den Verschmelzungen
des Artikels mit Praepositionen wie ins, durchs, ums, beim, hin¬
term, unterm; aber das wird vielen Leuten nicht in den Kopf wollen.
Es sieht doch gar so hübsch accurat aus, so ein Häkchen über der Zeile; soll
man das ohne weiteres fallen lassen? Giebt es doch sogar Leute, die das
völlig organisch mit dem Nomen verwachsene Gemtiv-s durch Apostroph da¬
von trennen wollen!

Das umfänglichste Capitel des ganzen Buches ist das fünfte (S. 31—145),
welches die Frage behandelt, in wie fern Wortverbindungen getrennt oder
zusammen zu schreiben sind. Wohl keine Sprache ist so reich an mehr oder
minder losen Wortzusammenschiebungen, wie die deutsche. Leider herrscht aber
die absoluteste Unsicherheit darüber, ob man diese Wortgruppen, die doch be¬
grifflich vollständig eins geworden sind, auch für das Auge in einen Complex
verbinden oder getrennt bestehen lassen soll. Schreibt man also besser: der
hohe Priester oder der Hohepriester, lange Weile oder Langeweile,
der rothe Adlerorden oder der Nvtheadlerorden, dicht belaubt
oder dichtbelaubt, möglichst groß oder ins gli es se gro ß, durch ein¬
ander oder durcheinander, Handel treibend oder handeltreibend,
sicher gestellt oder sichergestellt, weiter helfen oder weiterhelfen,
ohne dies oder ohnedies, während dem oder währenddem, seines
Gleichen oder seinesgleichen, ein paar Mal oder ein paarmal, mit
Nichten, oder anrichten, an Kindes Statt oder Kindesstatt? Es
muß genügen, durch diese Auswahl von Beispielen den Inhalt dieses überaus
reichen Capitels angedeutet und zu weiterer eigener Prüfung des Buches an¬
geregt zu haben. Von den tausend und abertausend hier in Betracht kom¬
menden Fällen auch nur eine annähernde Borstellung zu geben, ist in diesen
Blättern ein Ding der Unmöglichkeit. Wir können es bei der Versicherung
bewenden lassen, daß man auch hier dem verständigen, conservativen Verfahren
des Verfassers beinahe ausnahmslos sich wird anschließen können.

Im Vorworte seines Buches legt Sanders das Versprechen ab, daß er,
sobald er „die Ueberzeugung gewinnen" werde, daß seine Vorschläge — wenn auch
mit einzelnen Abänderungen — auf allgemeine Zustimmung und Anerken¬
nung rechnen dürfen, sofort als nothwendige praktische Ergänzung dazu ein
Heft erscheinen lassen werde, worin in alphabetischer Anordnung
ausnahmslos von allen einzelnen Worten, deren Schreibweise
bisher schwankend war, eine bestimmte Rechtschreibung angegeben wer¬
den soll, zunächst als Vorschlag, und dann, wenn die Allgemeinheit zustimmt,
oder mit den von ihr verlangten Abänderungen, als bindende Norm. Das
in Aussicht gestellte Heft würde also eigentlich erst das enthalten, was wir.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/98>, abgerufen am 06.02.2025.